Leitsatz (amtlich)
Liefert eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter einen Gegenstand zu einem unter den Selbstkosten liegenden Preis, kann die Bemessungsgrundlage nicht um den Unterschiedsbetrag zwischen diesem und den Selbstkosten erhöht werden.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1; UStDB 1951 § 10
Tatbestand
Revisionsklägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Klägerin, einer GmbH, die aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 18. Dezember 1972 nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes 1956 in der Fassung vom 6. November 1969 (BGBl I 1969, 2081) auf die Revisionsklägerin umgewandelt worden ist.
Die Klägerin, die ein Bauunternehmen betrieb, hatte in den Jahren 1961 und 1962 für drei ihrer Gesellschafter Gebäude im Rohbau erstellt. Die vereinbarten Preise lagen unter den Selbstkosten der Klägerin. Den Unterschiedsbetrag zwischen diesen Preisen und den Selbstkosten setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) mit ... DM (1961) und ... DM (1962) den erklärten Umsätzen der Klägerin hinzu, nachdem die Beteiligten über die Höhe der Beträge während des Klageverfahrens Einigkeit erzielt hatten. Der Sammelberichtigungsbescheid vom 10. Juni 1970 wurde gemäß § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens. Die Klage wurde abgewiesen. Die Entscheidung des FG ist in den EFG 1971, 207, veröffentlicht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung nach dem Klageantrag (Aufhebung der Hinzurechnungen) zu erkennen. Zur Begründung trägt die Klägerin vor:
Gerügt werde mangelnde Sachaufklärung und Verletzung von Art. 108 GG a. F. sowie der §§ 1 Nr. 1 UStG 1951, 10 UStDB 1951 und 29 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Entgegen dem Beschluß des BFH vom 22. Juli 1969 V B 11/69 (BFHE 95, 467, BStBl II 1969, 564) werde daran festgehalten, daß die streitigen Bescheide wegen Verstoßes gegen Art. 108 GG a. F. nichtig seien (Hinweis auf die BFH-Beschlüsse vom 27. März 1968 II S 8/67, BFHE 91, 547, BStBl II 1968, 491, und vom 11. November 1969 II S 4/69, BFHE 97, 154, BStBl II 1970, 340).
Die Auffassung, daß die Umsätze nicht nach den tatsächlich gezahlten Beträgen, sondern unter Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge bis zu den Selbstkosten zu bemessen seien, wäre nur dann zutreffend, wenn ein als Gewinn qualifizierter Vorteil des Leistungsempfängers Entgeltcharakter haben könne. Das sei zu verneinen. Gewinn sei nicht Entgelt, sondern Ertrag. Beide Begriffe schlössen logisch einander aus (Uhl, Umsatzsteuer-Rundschau 1964 S. 190). Soweit das FG das Mehr an Entgelt im Gewinnverzicht der nicht bevorzugten Gesellschafter gesehen habe, müsse diese Konstruktion bereits versagen, wenn die Gesellschaft Verlust ausweise; auch hänge nach dieser Auffassung die Umsatzsteuerpflicht einer unter den Selbstkosten erbrachten Leistung davon ab, ob die Gesellschaft Gewinn oder Verlust erwirtschaftet habe. Hinzu komme, daß § 29 GmbHG nur den sich nach der Handelsbilanz ergebenden Gewinn im Auge habe. Dieser erfahre indes Minderungen durch gesellschaftsvertraglich vorgeschriebene Rückstellungen, durch Körperschaft- und Vermögensteuer. Es sei mithin zu prüfen gewesen, ob unter Berücksichtigung dieser Minderungen überhaupt eine als verzichtbar zu verstehende ziffermäßig konkretisierbare Gewinnanwartschaft der Gesellschafter der Klägerin bestanden habe. Eine Auffüllung des vereinbarten Entgelts könne danach nicht in einem Gewinnverzicht, sondern allenfalls in dem Unterschied gesehen werden, der zwischen dem inneren Wert der Gesellschaftsanteile vor und nach der Vorteilszuwendung bestehe. Diesen hätte das FG ggf. ermitteln müssen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des die Einspruchsentscheidung berichtigenden Sammelberichtigungsbescheides sowie dieser Einspruchsentscheidung und der Bescheide.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß § 9 Abs. 2 FVG a. F. mit dem Grundgesetz vereinbar war und ein auf diese Vorschrift gestützter Verwaltungsakt insoweit rechtswirksam erlassen werden konnte. Der Senat nimmt insoweit auf sein Urteil vom 22. Januar 1976 V R 67/71 Bezug, (BStBl II 1976, 442).
2. Zu Recht ist die Vorentscheidung davon ausgegangen, daß die Klägerin durch die Errichtung der Rohbauten und deren Übergabe an ihre Gesellschafter steuerpflichtige Werklieferungen bewirkt hat (§§ 1 Nr. 1, 3 Abs. 2 UStG 1951). Der Vorentscheidung ist jedoch insoweit nicht beizupflichten, als sie die Erhöhung der Bemessungsgrundlage über die vereinbarten und erlegten Preise hinaus für rechtmäßig angesehen hat.
Der Umsatz wird für eine nach § 1 Nr. 1 UStG 1951 steuerbare Lieferung nach dem vereinnahmten Entgelt bemessen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UStG 1951). Entgelt ist gemäß § 10 UStDB 1951 alles, was der Empfänger einer Lieferung aufwendet, um diese zu erhalten, wobei zum Entgelt auch dasjenige gehört, was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für die Lieferung gewährt. Vereinnahmtes Entgelt können nur Geldbeträge oder geldwerte Vorteile sein, die dem Unternehmer zufließen. Maßgeblich ist für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der tatsächliche Zufluß von Vermögenswerten und dessen Ausmaß.
a) Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, daß die durch die jeweilige Werklieferung begünstigten Gesellschafter über die geleisteten Beträge hinaus dadurch weitere Aufwendungen gemacht haben, daß sie auf künftige Gewinnansprüche gegenüber der Klägerin verzichtet hätten. Die im BFH-Urteil vom 30. November 1967 V 237/64 (BFHE 90, 550, BStBl II 1968, 250) für die Leistungen einer Personengesellschaft an ihre(n) Gesellschafter entwickelten Überlegungen (Gewinnverzicht als Gegenleistung) haben ihren Ausgangspunkt in § 120 HGB und können zumindest auf den Streitfall nicht übertragen werden. Denn der Klägerin kann durch den Verzicht auf einen konstruierten Gewinn weder etwas zufließen noch kann sie von Ansprüchen der Gesellschafter ihr gegenüber befreit werden.
Ein durchsetzbarer, d. h. im Klagewege verfolgbarer Anspruch auf anteiligen Gewinn steht einem GmbH-Gesellschafter erst nach Feststellung der Jahresbilanz und Beschlußfassung über die Verwendung des Reingewinns durch die Gesellschafterversammlung zu (§§ 29, 46 Nr. 1 GmbHG). Da die verdeckte Gewinnausschüttung zu einer notwendigen Verminderung des möglichen Bilanzgewinns führt, können insoweit Gewinnbezugsansprüche nicht entstehen. Die Minderung des Bilanzgewinns durch die unter den Selbstkosten der Klägerin verrechneten Werklieferungen führt denknotwendig nicht zu einer Mehrung des Vermögens der Klägerin, so daß von einer Gegenleistung durch Verzicht auf etwaige Gewinnanwartschaften nicht gesprochen werden kann.
b) Eine über den vereinbarten Preis hinausgehende Gegenleistung haben die jeweils begünstigten Gesellschafter auch nicht dadurch erbracht, daß sie eine Minderung des inneren Wertes ihrer Gesellschaftsanteile hingenommen haben. Die Klägerin selbst hat dadurch keine Vermögensmehrung erfahren.
c) Auch ein Entgelt von dritter Seite, d. h. von den jeweils nicht begünstigten Gesellschaftern, ist der Klägerin aus den unter a) und b) dargelegten Gründen nicht zugeflossen. Allenfalls haben diese Gesellschafter ihren Mitgesellschaftern etwas zukommen lassen, nicht aber der Klägerin gegenüber in kausalem Zusammenhang mit den Werklieferungen Leistungen erbracht.
d) Da sich im Umsatzsteuerrecht die Frage nach der Angemessenheit der erbrachten Gegenleistung grundsätzlich nicht stellen kann (anders nur im Bereich des Art. II des Kontrollratgesetzes Nr. 15, vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1965 V 48/52 U, BFHE 83, 288, BStBl III 1965, 604), kann in verschärfender Gesetzesauslegung auch der Unterschiedsbetrag zwischen vereinbarungsgemäß geleisteten Beträgen und - im vorliegenden Falle - den Selbstkosten der Klägerin nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Decken sich die objektiven Werte von Leistung und Gegenleistung (Entgelt) nicht, so wird dessen ungeachtet der Umsatz nach dem vereinnahmten Entgelt bemessen (BFH-Urteil vom 25. März 1954 V 241/53 U, BFHE 58, 658, BStBl III 1954, 162).
Auch der RFH hatte bereits im Urteil vom 23. Oktober 1942 V 261/40 (RStBl 1943, 22) ausgeführt, die Umsatzsteuer erfasse das Entgelt, nicht - wie die Körperschaftsteuer - den Gewinn, so daß ein vom Leistenden (dort: einer Genossenschaft) den Mitgliedern zurückgewährtes Entgelt nach § 12 UStG 1951 absetzbar sei, auch wenn körperschaftsteuerrechtlich insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege.
e) Mangels einer § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG vergleichbaren Vorschrift ist für die Erhöhung der Bemessungsgrundlage unter Einbeziehung fiktiver Entgelte bei der Umsatzsteuer kein Raum (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 1965 V 90/64, HFR 1966, 215).
Dem kann in Fällen wie dem vorliegenden nicht mit dem Einwand begegnet werden, daß etwas anderes dann zu gelten habe, wenn Leistungsempfänger die Gesellschafter des leistenden Unternehmers sind und die Bemessung des vereinbarten Preises offensichtlich nicht auf wirtschaftlich begründeten Überlegungen beruhe, sondern durch den Willen der die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter bestimmt sei. Wollte man dem folgen, würde damit Überlegungen Raum gegeben werden, die in den Bereich der Körperschaftsteuer, nicht aber in den Bereich der Umsatzsteuer gehören. An einer § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG entsprechenden gesetzlichen Grundlage dafür fehlt es. Auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise darf nicht dazu dienen, eine fehlende gesetzliche Grundlage zu ersetzen (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1961 VI 133/60 U, BFHE 74, 331, BStBl III 1962, 127 [128 rechte Spalte]).
Fundstellen
BStBl II 1976, 443 |
BFHE 1976, 261 |