Fairnessausgleich ist umsatzsteuerpflichtig
Blick in das Urheberrechtsgesetz
Für die umsatzsteuerliche Einordnung sind oftmals auch außersteuerliche Rechtsgrundlagen von Bedeutung.
So bestimmt beispielsweise § 32a Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes (kurz: UrhG) eine Vergütungs-Nachschusspflicht als Fairnessausgleich.
Blick in § 32a UrhG
Abs. 1
Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung sich unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen als unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes erweist, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird.
Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.
Abs. 2
Hat der andere das Nutzungsrecht übertragen oder weitere Nutzungsrechte eingeräumt und ergibt sich die unverhältnismäßig niedrige Vergütung des Urhebers aus den Erträgnissen oder Vorteilen eines Dritten, so haftet dieser dem Urheber unmittelbar nach Maßgabe des Absatzes 1 unter Berücksichtigung der vertraglichen Beziehungen in der Lizenzkette. Die Haftung des anderen entfällt.
Oftmals kommt es in der Praxis zum Streit über die nachträgliche zusätzliche Beteiligungsvergütung, um eine Angemessenheit an Verwertungserträgen sicherzustellen.
So hatte beispielsweise das LG Berlin über eine höhere Beteiligung an den Gesamteinnahmen aus Til Schweigers Kinohits "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" zu entscheiden und der Drehbuchautorin Anika Decker unter Berücksichtigung der Verjährung zusätzliche Vergütungen eingeräumt (LG Berlin, Urteil v. 27.9.2023, 15 O 296/18).
Decker hatte ursprünglich mehr als zwei Millionen EUR von der Produktionsfirma und Rechteinhaberin Barefoot Films sowie dem Medienkonzern Warner Bros. gefordert und beide zunächst erfolgreich auf Auskunft über die Verwertungserträge der beiden Kinofilme verklagt. Nach Erteilung der Auskünfte klagte die Autorin auf Zahlung einer angemessenen Beteiligung an den Verwertungserträgen der Filme – mit teilweisem Erfolg.
Decker stünden zwar weitere angemessene Beteiligungen für die beiden Kinofilme von 2007 und 2009 zu, so das LG Berlin. Geld gebe es allerdings nur für den Zeitraum ab Januar 2015, die anderen Ansprüche seien verjährt. Statt den ursprünglich erhofften Millionen kann sich die Autorin daher nur über 180.000 EUR freuen.
Aus Sicht der Umsatzsteuer stellt sich gleichwohl die Frage nach der steuerlichen Behandlung. Es könnte sich um eine nicht steuerbare Leistung oder um ein zusätzliches Entgelt, eventuell von dritter Seite, handeln (siehe auch Abschn. 10.2 UStAE).
Offene Frage
Der BFH musste nunmehr die Frage klären, ob eine nachträglich vereinbarte reichweitenabhängige Zusatzvergütung für in der Vergangenheit überlassene Urheberrechte (§ 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG) als nachträgliche Erhöhung des Entgelts von dritter Seite für eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage führt.
Sachverhalt: Nachvergütung nach dem Urheberrecht
Der von dem BFH zu entscheidende Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Der Kl. ist selbständiger Drehbuchautor.
- Er hatte u. a. die Drehbücher für eine Filmkomödie und einen TV-Zweiteiler verfasst.
- Die Bearbeitungs-, Verfilmungs- und Auswertungsrechte hatte er jeweils gegen eine Pauschalvergütung an die Produktionsfirmen N und I übertragen, die ihrerseits Verträge mit den Fernsehsendern ProSieben und Sat. 1 geschlossen hatten.
- Im Anschluss an eine Gesetzesänderung im UrhG schloss die ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH am 3.6.2014 mit dem Verband Deutscher Drehbuchautoren e. V. eine gemeinsame Vergütungsregelung für fiktionale Prime-Time-Produktionen ab, die auch für Altfälle eine Zusatzvergütung für die Drehbuchautoren bei Erreichen einer bestimmten Beteiligungsreichweite vorsah.
- Auf der Basis dieser Vereinbarung erhielt der Kl. in den Streitjahren 2014 und 2015 entsprechende Zahlungen.
- In den Rechnungen über 46.000 EUR (2014) und 4.000 EUR (2015) wurde keine USt ausgewiesen.
- Der Kl. behandelte die betreffenden Zahlungen als nicht umsatzsteuerbaren Vorgang.
Demgegenüber vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass es sich um ein steuerbares und steuerpflichtiges Entgelt von dritter Seite i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG i.d.F. der Streitjahre handelt, das allerdings einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegt.
FG Düsseldorf: Fairnessausgleich ist umsatzsteuerpflichtig
Das FG Düsseldorf behandelte den von den Fernsehsendern gezahlten „Fairnessausgleich“ als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt von dritter Seite, weil die ursprüngliche Leistung kausal für den „Fairnessausgleich“ war (Urteil v. 26.5.2020, 5 K 2892/17 U).
Entscheidung: Fairnessausgleich als Entgelt von dritter Seite umsatzsteuerpflichtig
Nach Auffassung des BFH ist die Revision unbegründet. Die nachträglichen Zusatzvergütungen seien als Entgelt von dritter Seite für eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung anzusehen.
Dies gelte unabhängig davon, ob die nachträglichen Zahlungen des Senders aus § 32a Abs. 2 Satz 1 UrhG oder zur Abwendung eines solchen Anspruchs aufgrund der gemeinsamen Vergütungsregelung erfolgt seien (Rz. 8).
Unionsrechtlich war und ist Besteuerungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen (Rz. 4).
Ob eine Gegenleistung vorliegt, ist aus der Perspektive des Leistenden zu ermitteln (BFH, Urteil v. 10.12.2020, V R 34/18, BStBl II 2021, 576 Rz. 38).
Die erfolgsabhängige Zusatzvergütung beruht auf der ursprünglichen Leistung des Klägers; auch die Zahlung durch einen Dritten stellt ein Entgelt für die ursprüngliche Leistung dar.
Dem steht auch die EuGH-Rechtsprechung nicht entgegen (Rz. 13 ff.). So unterliegen z. B. Vergütungen von sog. Folgerechten für Werke der bildenden Kunst nicht der Umsatzsteuer, weil sie auf einem eigenen Gesetzesanspruch beruhen (EuGH, Urteil v. 19.12.2018, C-51/18). Ein Folgerechtsanspruch ergibt sich in Deutschland aus § 26 UrhG, der es ermöglicht, dass Künstler an Wertsteigerungen ihrer Werke teilhaben. § 32a UrhG ist dagegen ein Anspruch, der dem ursprünglichen Veräußerungsgeschäft folgt.
Praxisfolgen
Die BFH-Entscheidung führt in dem Entscheidungsfall zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage. Unter Anwendung von § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG ist die ursprüngliche Bemessungsgrundlage im Jahr der Erhöhung zu berichtigen; in der Praxis wird oftmals verkannt, dass diese Regelung nicht nur bei einer Minderung, sondern auch bei einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage zur Anwendung kommt.
Der ermäßigte Umsatzsteuersatz kommt übrigens zur Anwendung, weil eine Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten vorliegt, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob bei steuerpflichtigen Live-Streaming-Veranstaltungen (siehe hierzu BMF, Schreiben v. 29.4.2024, BStBl I 2024, 726) nicht generell der ermäßigte Umsatzsteuersatz zur Anwendung kommt, da eine Urheberrechtsübertragung vorliegt.
BFH, Urteil v. 8.5.2024, XI R 16/20; veröffentlicht am 25.7.2024
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