Steuerermäßigung für die Lieferung von Kunstgegenständen
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG ermäßigt sich die Steuer auf sieben Prozent für die Lieferungen und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nr. 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen
a) vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder
b) von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG) ist, und die Gegenstände
aa) vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden,
bb) von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder
cc) den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben.
Sachverhalt: Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG
Die Klägerin ist eine GbR, die im Jahr 2014 von dem Künstler U und der Galerie G zu gleichen Kapitalanteilen gegründet wurde. Gesellschaftszweck der Klägerin ist die Herstellung und die Vermarktung einschließlich der Veräußerung von bis zu drei Skulptureninstallationen unter der Bezeichnung S sowie die Herstellung und Vermarktung von bis zu vier weiteren einzelnen Stelen, die nach den künstlerischen Vorgaben von U im Auftrag der Klägerin erstellt werden.
U räumte der Klägerin das ausschließliche Recht ein, die Skulptureninstallationen … in einer Kleinserie von bis zu drei Exemplaren herzustellen beziehungsweise herstellen zu lassen, diese öffentlich auszustellen, zu vermarkten und sonst wie zu verwerten; U stand das Recht zu, eine vierte Skulptureninstallation als Künstlerexemplar auf eigene Kosten herstellen zu lassen und zu vermarkten. Zu weiteren Vervielfältigungen sind weder die Klägerin noch U oder G berechtigt. Ferner räumte U der Klägerin das ausschließliche Recht ein, zusätzlich zu den Skulptureninstallationen … bis zu vier Solo-Stelen herzustellen beziehungsweise herstellen zu lassen, diese öffentlich auszustellen, zu vermarkten oder sonst wie zu verwerten. Entsprechend diesen Vereinbarungen gab die Klägerin die Herstellung der Skulptureninstallationen bei einem Dritten in Auftrag.
2014 schlossen die Klägerin und U mit einem Käufer (K) einen Kauf- und Übereignungsvertrag über den Erwerb von zwei Skulptureninstallationen der Serie S. Die erste Skulptureninstallation war bis zum 23.11.2014 ausgestellt, die Herstellung der zweiten Skulptureninstallation sollte mit Zahlung der ersten von drei Kaufpreisraten beginnen und spätestens nach sechs Monaten abgeschlossen sein.
Die Klägerin nahm an, dass die im Jahr 2015 (Streitjahr) erfolgte Lieferung der zweiten Installation dem ermäßigten Steuersatz unterliege.
Das FA vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen einer Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG seien nicht erfüllt, da
- Lieferer der Installationen nicht U als der Urheber der Werke, sondern die Klägerin sei (§ 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a), und
- es an einer vorangehenden Lieferung des Urhebers U an die Klägerin fehle (§ 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b).
Dementsprechend unterwarf das FA die Lieferung der zweiten Skulptureninstallation, soweit die Steuer hierfür im Streitjahr entstanden war, dem Regelsteuersatz. Der Einspruch der Klägerin wurde mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des FA und wies die Klage ab.
Im Revisionsverfahren begehrte die Klägerin weiterhin den ermäßigten Steuersatz.
Entscheidung: Lieferung unterliegt dem Regelsteuersatz
Die Liste der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG umfasst unter Nr. 53 Kunstgegenstände, u.z. unter Buchst. c Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art. Diese Regelungen beruhten im Streitjahr auf Art. 103 MwStSystRL a.F.
Klägerin ist weder Urheber noch Rechtsnachfolger
Auch wenn es sich bei der streitgegenständlichen Skulptureninstallation um einen dem Grunde nach begünstigten Kunstgegenstand i.S. der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 UStG handelt, ist die Lieferung nicht gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt worden. Denn die Klägerin ist weder Urheber noch Rechtsnachfolger des Urhebers des gelieferten Gegenstandes.
§ 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG als auch Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. verwenden die Begriffe "Urheber" und "dessen Rechtsnachfolger", ohne diese zu bestimmen.
Definition Urheber oder Rechtsnachfolger nach dem UrhG
Wer als Urheber oder Rechtsnachfolger anzusehen ist, bestimmt sich im innerstaatlichen Recht nach den Vorschriften des UrhG. Wenn § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG das Urheberrechtsgesetz ausdrücklich in Bezug nimmt, indem jene Vorschrift eine Steuerermäßigung vorsieht für "die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben", ist nichts dafür ersichtlich, dass für die Bestimmung der Begriffe "Urheber" und "dessen Rechtsnachfolger" in § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG nicht auf die Vorschriften des UrhG zurückgegriffen werden sollte.
Den Urheber definiert § 7 UrhG als den Schöpfer des Werkes. Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG insbesondere Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke. Werke im Sinne des UrhG sind nach § 2 Abs. 2 UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer "künstlerischen" Leistung gesprochen werden kann.
Urheberrecht vererblich, aber nicht übertragbar
Das Urheberrecht ist gemäß § 28 Abs. 1 UrhG vererblich, aber nach § 29 Abs. 1 UrhG nicht übertragbar, es sei denn, es wird in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen oder an Miterben im Wege der Erbauseinandersetzung übertragen.
Unionsrechtlich ist das Urheberrecht i.S.d. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Richtlinie 2001/29/EG – (ABlEG 2001, Nr. L 167, 10) nur in Bezug auf ein Schutzobjekt anzuwenden, bei dem es sich um ein Original i.d.S. handelt, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.09.2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks – Richtlinie 2001/84/EG – (ABlEG 2001, Nr. L 272, 32) sehen die Mitgliedstaaten zugunsten des Urhebers des Originals eines Kunstwerks ein Folgerecht vor, das als unveräußerliches Recht konzipiert ist, auf das der Urheber auch im Voraus nicht verzichten kann. Die hieraus folgende Folgerechtsvergütung ist nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/84/EG an den Urheber des Werks und nach seinem Tod grundsätzlich an seine Rechtsnachfolger zu zahlen. Die zentralen Begriffe des "Urhebers" und "dessen Rechtsnachfolgers" können nur einheitlich verstanden werden, zumal § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG und Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. von denselben Begrifflichkeiten ausgehen.
Wenn § 7 UrhG den Urheber als den Schöpfer des Werkes definiert und es sich bei den geschützten Werken i.S.d. § 2 UrhG nur um persönliche geistige Schöpfungen des Urhebers handeln kann (§ 2 Abs. 2 UrhG), entspricht dies dem Unionsrecht, da "Werk" im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG nur sein kann, was eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt.
Keine eigene geistige Schöpfung
Auch wenn die Klägerin in Erfüllung des Gesellschaftszwecks den Gegenstand nach den künstlerischen Vorgaben des U als dem Urheber nach dem UrhG hat herstellen lassen, vermag dies nichts daran zu ändern, dass die streitgegenständliche Skulptureninstallation keine eigene geistige Schöpfung der Klägerin, sondern eine solche des U verkörpert. Die Klägerin ist danach weder Urheberin (§ 7 UrhG) noch Miturheberin (§ 8 Abs. 1 UrhG) des Werkes, weshalb die Skulptureninstallation auch nicht das "Werk" der Klägerin beziehungsweise ein Gegenstand sein kann, den die Klägerin nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a Alternative 1 UStG dem K begünstigt hätte liefern können.
Urheber aus abgeleitetem Recht
Die Klägerin kann auch nicht als Urheberin aus abgeleitetem Recht angesehen werden, weil sie die Skulptureninstallation nicht nur nach den Vorgaben des Urhebers habe herstellen lassen, sondern diese Vorgaben auch unentgeltlich und auf Basis eines Gesellschafterbeitrags des U erhalten habe. Das Urheberrecht ist beim Urheber U verblieben und nicht etwa (umsatzsteuerrechtlich) als Gesellschafterbeitrag auf die Klägerin übertragen worden.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 UrhG kann der Urheber einem anderen zwar das Nutzungsrecht einräumen. Das Urheberrecht selbst ist jedoch nach § 29 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht übertragbar. Dies steht in Einklang mit den Regelungen der Richtlinie 2001/84/EG über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks als unveräußerliches Recht.
Keine Rechtsnachfolgerin
Die Klägerin ist auch nicht Rechtsnachfolgerin des U.
Rechtsnachfolger i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. ist der Gesamtrechtsnachfolger. Auch dies ergibt sich daraus, dass nach § 28 Abs. 1 UrhG das Urheberrecht vererblich, aber nach § 29 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht übertragbar ist. Mangels Übertragbarkeit des Urheberrechts kann es sich bei dem Rechtsnachfolger des Urhebers ("seine Rechtsnachfolger") nur um den Gesamtrechtsnachfolger handeln.
Keine Einzelrechtsnachfolge
Es genügt auch keine Einzelrechtsnachfolge in Bezug auf das nicht übertragene Urheberrecht zur Verwirklichung des Tatbestandes von § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. Denn eine Einzelrechtsnachfolge in Bezug auf das nicht übertragbare Urheberrecht ist nicht denkbar; durch eine (Einzelrechts-)Nachfolge am Werk gelangt der Erwerber des Werks nicht in eine dem Urheber vergleichbare Rechtsposition. Zwischen dem mit der Person des Urhebers untrennbar verbundenen Urheberrecht einerseits und dem übertragbaren (bloßen) Eigentumsrecht am Kunstwerk beziehungsweise am Gegenstand der Lieferung i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG, Art. 103 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL a.F. andererseits ist zu unterscheiden. Schließlich führte eine angenommene Kette begünstigter Erwerbe des Kunstwerks vom jeweiligen Einzelrechtsnachfolger zum anderen wiederum zu einer unionsrechtswidrigen Besteuerung, was den Bundesgesetzgeber zur Neuregelung des § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG durch Art. 10 Nr. 5 Buchst. d des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 26.06.2013 (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) mit Wirkung vom 01.01.2014 bewogen hat; auch danach scheidet ein Verständnis des Begriffs "dessen Rechtsnachfolger" als Einzelrechtsnachfolger aus.
Keine dem Gesetzesplan zuwiderlaufende Regelungslücke
Der Streitfall ist auch nicht von den in § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b UStG geregelten Tatbeständen umfasst. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift kommt nicht in Betracht. Die Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b UStG enthält keine dem Gesetzesplan zuwiderlaufende Regelungslücke.
Die tatbestandlichen Fallgruppen ("weiteren Voraussetzungen") der Neuregelung des § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b Doppelbuchst. aa, bb und cc UStG stimmen inhaltlich mit Art. 103 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL a.F. überein. Dass der nationale Gesetzgeber noch eine weitere Fallgruppe hätte aufnehmen wollen, ist danach auszuschließen.
Handeln nicht vom Unionsrecht erfasst
Auch vom Unionsrecht ist das Handeln der Klägerin nicht als Begünstigungstatbestand erfasst. Art. 103 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL a.F. enthält gegenüber der Neuregelung des § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. b UStG ein weiteres geschriebenes Tatbestandsmerkmal. Begünstigt ist danach bei Vorliegen der oben genannten weiteren Voraussetzungen die Lieferung von Kunstgegenständen durch einen Steuerpflichtigen, der kein steuerpflichtiger Wiederverkäufer ist, die als Gelegenheitslieferung bewirkt wird. Von einer Gelegenheitslieferung im Gegensatz zu einer nicht nachhaltigen Betätigung der Klägerin kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden, da sie mit der Herstellung und Vermarktung einschließlich der Veräußerung der Skulptureninstallationen (ihrem Gesellschaftszweck entsprechend) nachhaltig tätig war. Die Klägerin geht selbst davon aus, dass sie mit ihren Umsätzen als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG tätig ist.
BFH, Urteil v. 18.10.2023, XI R 15/20; veröffentlicht am 15.2.2024
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