Entscheidungsstichwort (Thema)
Begehren nach Feststellung zweier wirtschaftlicher Einheiten (Einfamilienhaus und Geschäftsgrundstück) statt der einer einzigen (gemischtgenutztes Grundstück)
Leitsatz (NV)
Für den Typusbegriff der wirtschaftlichen Einheit (§ 70 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 BewG) kommt es auf die Verkehrsanschauung an, wobei u. a. die örtliche Gewohnheit zu berücksichtigen ist. Diese wird wesentlich durch das Bauordnungs- und Bauplanungsrecht bestimmt, weil hierdurch die für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit entscheidende Teilbarkeit maßgeblich geprägt wird.
Normenkette
BewG §§ 2, 70 Abs. 1, § 75
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kl. sind Eigentümer eines Grundstücks in A. Das Grundstück ist im rechtsverbindlichen Bebauungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen. Auf diesem Grundstück haben die Kl. im Jahre 1975 eine Lagerhalle und ein Wohnhaus mit Doppelgarage errichtet. Die Lagerhalle wird für das . . . geschäft der Kl. genutzt. Der räumliche Abstand zwischen Wohnhaus und Lagerhalle beträgt etwa 5 m. Die Halle ist ein weißer Sandsteinbau mit Satteldach, das mit einem Flachdach versehene Wohnhaus ist rot verklinkert. Für das ganze Grundstück ist jeweils nur ein Hauptanschluß für Strom und Wasser vorhanden; die Verbrauchstrennung erfolgt durch Wasseruhren bzw. Zähler.
Mit dem zum Gegenstand des Klageverfahrens gemachten (§ 68 FGO) Artfortschreibungsbescheid und geänderten Wertfortschreibungsbescheid vom 15. April 1983 hat das FA die Artfeststellung gemischtgenutztes Grundstück getroffen.
Mit der Klage begehren die Kl., unter Aufhebung des Artfortschreibungsbescheids das Grundstück als zwei wirtschaftliche Einheiten (Einfamilienhaus und Geschäftsgrundstück) zu bewerten. Das FG hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es handle sich um zwei völlig eigenständige Bauwerke. Dem Umstand, daß das Grundstück in einem Gewerbegebiet liege und deshalb in bezug auf die wohnbauliche Nutzung den Beschränkungen des § 8 Abs. 3 Nr. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) unterliege, könne keine Bedeutung zukommen, da der Verkehrsauffassung der Vorrang einzuräumen sei. Für die Annahme zweier wirtschaftlicher Einheiten sei diese allein entscheidend.
Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Abweisung der Klage. Nach § 70 Abs. 1 BewG bildet jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein Grundstück im Sinne des BewG. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, bestimmt sich nach den Anschauungen des Verkehrs (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BewG). Dabei sind nach § 2 Abs. 1 Satz 4 BewG die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Dementsprechend sind neben rein objektiven auch subjektive Merkmale maßgebend. Letztere treten allerdings dann zurück; wenn sie mit objektiven Merkmalen in Widerspruch stehen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Februar 1979 III R 67/76, BFHE 127, 59, BStBl II 1979, 279). Darüber hinaus setzt die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit bei Grundstücken voraus, daß die wirtschaftliche Einheit für sich veräußert werden kann (so auch BFH-Urteil vom 23. Februar 1979 III R 73/77, BFHE 128, 83, BStBl II 1979, 547, m. w. N.). Im übrigen ist es für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheiten des Grundbesitzes grundsätzlich ohne Bedeutung, ob eine Grundstücksfläche ein Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts ist, denn die wirtschaftliche Einheit kann sowohl mehrere Grundstücke umfassen als auch nur Teil eines Grundstücks sein.
Das FG ist zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen. Seiner Auffassung jedoch, daß die örtliche Gewohnheit, die im wesentlichen durch das Bauordnungs- und Bauplanungsrecht bestimmt wird, unbeachtlich sei, vermag der Senat nicht beizutreten; denn durch diese wird die für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit entscheidende Teilbarkeit maßgeblich geprägt (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 1983 III R 81/82, BFHE 138, 468, BStBl II 1983, 552). Nach den Feststellungen des FG liegt das Grundstück in einem als Gewerbegebiet ausgewiesenen Areal des bestandskräftigen Bebauungsplans. Nach § 8 Abs. 1 BauNVO dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Dementsprechend bestimmt § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, daß ausnahmsweise Wohnungen für Betriebsinhaber zugelassen werden können, während Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Tankstellen nach § 8 Abs. 2 BauNVO grundsätzlich zulässig sind. Da das Grundstück innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans liegt, bedarf seine Teilung (vgl. § 19 Abs. 2 BBauG) zu ihrer Wirksamkeit nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBauG der Genehmigung. Diese ist jedoch zu versagen, wenn die Teilung oder die mit ihr bezweckte Nutzung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht zu vereinbaren wäre. Die Teilung des Grundstücks, die eine Loslösung der Wohnung des Betriebsinhabers vom Betrieb und damit eine schlechthin wohnliche Nutzung eines als Gewerbebetrieb ausgewiesenen Grundstücks ermöglichen würde, steht aber mit dieser Festsetzung im Bebauungsplan in Widerspruch. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Grundstück, solange der Bebauungsplan bestehen bleibt, getrennt und in Teilen veräußert werden kann. Die von einer anderen Rechtsauffassung getragene Vorentscheidung ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 414429 |
BFH/NV 1987, 366 |