Entscheidungsstichwort (Thema)
Übungsleiterfreibetrag für nebenamtliche Ausbildungstätigkeit
Leitsatz (NV)
Der nebenamtliche Unterricht, den eine Justizangestellte in Maschinenschreiben und Kurzschrift erteilt, ist auch dann nach § 3 Nr.26 EStG begünstigt, wenn sich der Kreis der Auszubildenden auf das Amtsgericht beschränkt.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 26
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist als Justizangestellte beim Amtsgericht. . . tätig. Im Streitjahr 1986 unterrichtete sie die Auszubildenden für den Beruf des Justizfachangestellten am Amtsgericht. . . in Maschinenschreiben und Kurzschrift. Die dafür erhaltene Vergütung von . . . DM erfaßte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei der Einkommensteuerveranlagung in voller Höhe bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, die Aufwandsentschädigung sei steuerfrei, weil die Klägerin zu gemeinnützigen Zwecken tätig geworden sei; da die öffentliche Verwaltung den Bürgern diene, werde durch den Unterricht auch die Allgemeinheit gefördert.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die Vorschrift des § 3 Nr.26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) habe durch das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 19. Juni 1981 (BStBl I 1981, 502) eine zutreffende Auslegung erfahren. Danach aber sei der gemeinnützige Ausbildungszweck bei einer innerbehördlichen Ausbildung nicht erfüllt.
Die Klägerin trägt vor, sie habe im Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, des Justizministeriums, unterrichtet, die auch gemeinnützige Zwecke durch Gewährung von Rechtsschutz verfolge. Die Ausbildung der Mitarbeiter der Justiz aber diene der Rechtsschutzgewährung und damit der Allgemeinheit.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Einnahmen der Klägerin aus ihrer nebenamtlichen Ausbildungstätigkeit als Aufwandsentschädigung i.S. des § 3 Nr.26 EStG zu behandeln sind.
Nach dieser Vorschrift sind Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder oder Erzieher oder für eine vergleichbare nebenberufliche Tätigkeit zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung - AO 1977 -) im Dienst oder Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter § 5 Abs. 1 Nr.9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) fallenden Einrichtung steuerfrei (§ 3 Nr.26 Satz1 EStG), soweit es sich um Einnahmen bis zur Höhe von insgesamt 2400 DM handelt (§ 3 Nr.26 Satz 2 EStG).
Nach den Feststellungen des FG war die Klägerin nebenberuflich als Ausbilderin für Maschinenschreiben und Kurzschrift im Dienst einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts tätig. Sie wurde mit dieser nebenamtlichen Tätigkeit durch ihren Dienstherrn, den Justizminister des Landes Z, betraut.
Entgegen der Auffassung des FA dient diese Ausbildungstätigkeit auch gemeinnützigen Zwecken i.S. von § 52 Abs. 2 Nr.1 AO 1977, denn sie fördert Bildung und Erziehung im Sinne dieser Vorschrift. Unter Bildung in diesem Sinne ist nicht nur die Allgemeinbildung, sondern auch die berufliche Bildung zu verstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Juni 1988 IV R 21/86, BFHE 154, 81, BStBl II 1988, 890). Dem steht nicht entgegen, daß nur Auszubildende aus einem abgeschlossenen Personenkreis unterrichtet werden. Die Ausbildung selbst liegt im Interesse der Allgemeinheit, denn sie dient der Rechtspflege, einem wichtigen Gemeinschaftsgut. Die den Richtern anvertraute rechtsprechende Gewalt wird u.a. durch die Gerichte der Länder ausgeübt (Art. 92 des Grundgesetzes - GG -), die in der streitigen wie in der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder der Strafrechtspflege - wie alle Gerichte - auf die Mitwirkung qualifizierter Hilfspersonen angewiesen sind. Zumindest mittelbar kommt daher die Tätigkeit eines Ausbilders für Justizangestellte der Allgemeinheit zugute (BFH in BFHE 154, 81, BStBl II 1988, 890).
Soweit die Finanzverwaltung hierzu eine abweichende Auffassung vertritt (vgl. BMF vom 19. Juni 1981, BStBl I 1981, 502, Tz.4; Abschn. 17 Abs. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR -), vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Danach soll eine Förderung der Allgemeinheit zwar zu verneinen sein, wenn ein fest abgeschlossener Personenkreis unterrichtet wird, wie z.B. bei der Aus- und Fortbildung innerhalb einer Dienststelle; dagegen liege kein abgeschlossener Personenkreis vor, wenn Bedienstete verschiedener Dienststellen zentral ausgebildet und geprüft werden. Diese Auffassung widerspricht dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG); denn eine derartige Unterscheidung ist sachlich nicht gerechtfertigt (vgl. A.Frotscher/Kuhlmann, Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr.173). Die genannten Verwaltungsanordnungen enthalten eine unzutreffende Auslegung des § 3 Nr.26 EStG.
Fundstellen
Haufe-Index 418368 |
BFH/NV 1993, 290 |