Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauherrengemeinschaft im Ausland: Klagebefugnis, Anwendung des § 48 FGO i.d.F.v. 24.6.1994, Beiladung, Entscheidung im Feststellungsbescheid über Anwendung und Verfassungsmäßigkeit des § 2a EStG - Bindung im Revisionsverfahren an nach Ergehen des FG-Urteils geändertes Verfahrensrecht
Leitsatz (amtlich)
Hat das FA im Feststellungsbescheid über die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer im Ausland tätigen Bauherrengemeinschaft festgestellt, die Einkünfte stammten aus ausländischem Grundbesitz (§ 2a Abs.1 EStG), und wendet sich ein Bauherr gegen diese Feststellung, ist im finanzgerichtlichen Verfahren notwendig beizuladen, wer nach § 48 FGO i.d.F. des Grenzpendlergesetzes (BGBl I 1994, 1395, BStBl I 1994, 440) klagebefugt ist.
Orientierungssatz
1. Die Feststellung, daß es sich bei einheitlich und gesondert festgestellten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung um solche aus ausländischem Grundbesitz handelt, ist im Rahmen des Feststellungsbescheides zu treffen. Im Feststellungsbescheid regelt das zuständige FA für alle Beteiligten verbindlich, inwieweit die festgestellten Einkünfte unter § 2a EStG fallen; es muß --im Falle eines entsprechenden Einspruchs-- auch darüber entscheiden, ob § 2a EStG verfassungsgemäß ist.
2. Geändertes Verfahrensrecht (hier: Neufassung des § 48 FGO durch das Grenzpendlergesetz) ist im Revisionsverfahren auch dann maßgebend, wenn die Gesetzesänderung erst nach dem Erlaß des finanzgerichtlichen Urteils in Kraft getreten ist und nicht auf den Zeitpunkt des Ergehens des FG-Urteils zurückwirkt. Das FG muß die geänderte Gesetzeslage nach der Aufhebung seines Urteils und der Zurückverweisung beachten.
3. Ist über einen bis zum 31.12.1995 eingelegten Rechtsbehelf erst danach zu entscheiden, so ist für die Frage der gerichtlichen Beiladung § 48 FGO i.d.F. des Grenzpendlergesetzes anzuwenden (Ausführungen zur Übergangsregelung und zum Anwendungsbereich der Vorschrift).
Normenkette
EStG § 2a Abs. 1; FGO § 48 Fassung: 1994-06-24, § 60 Abs. 3, § 48; EGAO 1977 Art. 97 § 18 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1994-06-24; AO 1977 § 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 1, § 126 Abs. 3 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beteiligte sich an der Eigentümergemeinschaft "Hotel X" in B (Schweiz), die durch Vermietung des Hotels Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Grundstücksgemeinschaft für das Streitjahr 1983 mit Bescheid vom 3. Januar 1986 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf ./. 2 957 009,26 DM fest und verteilte sie auf die 42 Miteigentümer. Der Bescheid, den das FA dem Empfangsbevollmächtigten bekanntgab, enthält den Vermerk: "Für weitere Feststellungen, z.B. zu § 14a EStG: Bei den Einkünften handelt es sich um Einkünfte aus im Ausland belegenem Grundbesitz."
Nach erfolglosem Vorverfahren erhob der Kläger Anfechtungsklage mit der Begründung, § 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei verfassungswidrig. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Dem Kläger fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil nach der --inzwischen aufgegebenen-- Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Beschluß vom 24. Juli 1975 IV B 38/75, BFHE 116, 273, BStBl II 1975, 774) die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 2a EStG und der Versagung des Verlustausgleichs nach dieser Vorschrift ausschließlich von den Veranlagungs-FÄ im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung zu entscheiden sei.
Mit der Revision machte der Kläger weiterhin geltend, § 2a Abs.1 Nr.4 (jetzt Nr.6) EStG sei verfassungswidrig.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das FG hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, den vertretungsberechtigten Geschäftsführer oder die übrigen Feststellungsbeteiligten zu dem Rechtsstreit gemäß § 60 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beizuladen. Das Unterlassen der notwendigen Beiladung ist ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der auch ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur Nachholung der Beiladung führt (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
1. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sind bei Anfechtungsklagen gegen Feststellungsbescheide, in denen das FA Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gesondert und einheitlich feststellt und mehreren Beteiligten zurechnet, alle Feststellungsbeteiligten klagebefugt (§ 48 Abs.2 FGO in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung) und deshalb notwendig beizuladen. Die Beiladung darf nur unterbleiben, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist (vgl. zuletzt BFH-Beschluß vom 22. Mai 1995 VIII B 146/94, BFH/NV 1995, 1077, m.w.N.) oder der Beteiligte unter keinem denkbaren Gesichtspunkt durch die Feststellung betroffen sein kann (Senatsurteil vom 25. Januar 1994 IX R 97, 98/90, BFHE 174, 386, BStBl II 1994, 738). Notwendig beizuladen ist insbesondere derjenige Feststellungsbeteiligte, der klagebefugt ist (Senatsurteil vom 20. Dezember 1994 IX R 136/90, BFH/NV 1996, 42).
Nach diesen Grundsätzen mußte das FG nach der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung des § 48 Abs.2 FGO die übrigen Feststellungsbeteiligten gemäß § 60 Abs.3 FGO zu dem Rechtsstreit beiladen. Die Klage war zulässig; dem Kläger fehlte entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanz nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Feststellung, bei den gesondert und einheitlich festgestellten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung handele es sich um solche aus ausländischem Grundbesitz, gegen die sich der Kläger wendet, hat das FA zu Recht in dem Feststellungsbescheid getroffen. Im Rahmen der Anfechtung des Feststellungsbescheids ist auch zu entscheiden, ob § 2a Abs.1 EStG verfassungsmäßig ist (BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1989 IV B 37/89, BFH/NV 1990, 570 unter Aufgabe der gegenteiligen Auffassung in seinem Beschluß in BFHE 116, 273, BStBl II 1975, 774). Es handelt sich nicht um eine unverbindliche nachrichtliche Mitteilung an die Wohnsitz-FÄ, sondern um eine für alle Feststellungsbeteiligten verbindliche Regelung. Das ergibt sich auch im Streitfall bei objektiver Auslegung des angefochtenen Feststellungsbescheides jedenfalls daraus, daß der Vermerk im ursprünglichen Feststellungsbescheid vom 3. Januar 1986 als "weitere Feststellung" bezeichnet wird. Mit dieser Feststellung regelt das für den Feststellungsbescheid zuständige FA für alle Beteiligten verbindlich, daß die festgestellten Einkünfte unter § 2a Abs.1 EStG fallen und bei der Einkommensteuerfestsetzung des einzelnen Feststellungsbeteiligten nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden dürfen.
2. Die notwendige Beiladung der Feststellungsbeteiligten entfällt allerdings aufgrund der Neufassung des § 48 FGO durch das Grenzpendlergesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1994, 1395, BStBl I, 440), wenn die Eigentümergemeinschaft einen zur Vertretung berufenen Geschäftsführer hat (§ 48 Abs.1 Nr.1 FGO n.F.). In diesem Fall ist statt der Feststellungsbeteiligten nur noch der vertretungsbefugte Geschäftsführer notwendig beizuladen.
a) Die Neufassung des § 48 FGO ist im Streitfall anwendbar. Sie ist gemäß Art.11 Abs.3 des Grenzpendlergesetzes am 1. Januar 1996 in Kraft getreten. Sie galt zwar noch nicht im Zeitpunkt des Ergehens des FG-Urteils. Das FG muß sie aber nach der Aufhebung seines Urteils und der Zurückverweisung beachten. In solchen Fällen ist das geänderte Verfahrensrecht im Revisionsverfahren auch dann maßgebend, wenn die Gesetzesänderung erst nach dem Erlaß des finanzgerichtlichen Urteils in Kraft getreten ist und nicht auf den Zeitpunkt des Ergehens des FG-Urteils zurückwirkt (BFH-Urteil vom 9. September 1993 IV R 14/91, BFHE 173, 40, BStBl II 1994, 250, m.w.N.). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der in Art.97 § 18 Abs.3 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) i.d.F. des Grenzpendlergesetzes enthaltenen Übergangsregelung. Diese Übergangsregelung gilt, wie der VIII.Senat entschieden hat, sinngemäß auch bei der Anwendung des § 48 FGO n.F., für den keine besondere Übergangsregelung vorgesehen ist (Beschluß vom 16. Januar 1996 VIII B 128/95, DB 1996, 661; ebenso Hofmann in Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17.Aufl., § 48 FGO n.F. Anm.1; v. Beckerath in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 48 FGO n.F. Rz.7).
Nach der Übergangsregelung richtet sich die Beiladung nach dem neuen Verfahrensrecht. Nach Art.97 § 18 Abs.3 EGAO 1977 bestimmt sich die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nach altem Verfahrensrecht, wenn ein Verwaltungsakt angefochten wird, der vor dem 1. Januar 1996 wirksam geworden ist (Satz 1). Ist über den Rechtsbehelf nach dem 31. Dezember 1995 zu entscheiden, richten sich die Art des außergerichtlichen Rechtsbehelfs sowie das weitere Verfahren nach den ab 1. Januar 1996 geltenden Vorschriften der Abgabenordnung --AO 1977-- (Satz 2). Die Beiladung betrifft nicht die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs, sondern das weitere Verfahren. Nach Satz 2 ist danach das neue Verfahrensrecht anzuwenden. Für die Anwendung des neuen Verfahrensrechts spricht auch, daß der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Einspruchsbefugnis (§ 352 AO 1977 n.F.) eine Verfahrenserleichterung durch Eindämmung von Rechtsbehelfen erreichen und zur Einheitlichkeit von Entscheidungen beitragen wollte (BTDrucks 12/7427 S.36). Das gilt in gleicher Weise für die Klagebefugnis. Für das FG tritt eine erhebliche Verfahrenserleichterung ein, wenn es nicht mehr sämtliche Feststellungsbeteiligten, sondern nur noch den Geschäftsführer oder Empfangsbevollmächtigten der Personengesellschaft oder -gemeinschaft beizuladen braucht.
b) Nach § 48 Abs.1 Nr.1 FGO n.F. sind --auch bei Feststellungsbescheiden über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung-- nur noch die zur Vertretung berufenen Geschäftsführer oder, wenn solche nicht vorhanden sind, der Klagebevollmächtigte i.S. des Abs.2 klagebefugt; die Feststellungsbeteiligten sind --soweit es sich nicht um nur sie persönlich betreffende Angelegenheiten handelt (§ 48 Abs.1 Nr.5 FGO n.F.)-- in der Regel nur noch klagebefugt, wenn ein Geschäftsführer oder Klagebevollmächtigter nicht vorhanden ist (§ 48 Abs.1 Nr.2 FGO n.F.). Ist klagebefugt nur noch der Geschäftsführer bzw. der Empfangsbevollmächtigte, so sind wegen des Zusammenhangs zwischen Klagebefugnis und notwendiger Beiladung auch nur noch diese Personen gemäß § 60 Abs.3 FGO beizuladen. Im Streitfall kommt eine Klagebefugnis des Empfangsbevollmächtigten, den die Grundstücksgemeinschaft in der Feststellungserklärung benannt hat, nicht in Betracht, weil es an der nach § 48 Abs.2 letzter Satz FGO n.F. vorgeschriebenen Belehrung über seine Klagebefugnis fehlt. Das FG wird danach zu prüfen haben, ob die Eigentümergemeinschaft einen durch Gesetz oder Vertrag berufenen vertretungsbefugten Geschäftsführer hat (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15.Aufl., § 48 FGO n.F. Tz.3). Sollte das der Fall sein, braucht es gemäß § 60 Abs.3 FGO nur diesen Geschäftsführer beizuladen. Ist kein vertretungsberechtigter Geschäftsführer vorhanden, müssen sämtliche Feststellungsbeteiligten beigeladen werden (§ 48 Abs.1 Nr.2 FGO n.F., § 48 Abs.2 FGO a.F.). Nach Durchführung der Beiladung wird das FG zu prüfen haben, ob es das Verfahren gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des § 2a Abs.1 EStG aussetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 65964 |
BFH/NV 1996, 289 |
BStBl II 1996, 606 |
BFHE 180, 223 |
BFHE 1997, 223 |
BB 1997, 77-78 (LT) |
DB 1996, 1803 (L) |
DStR 1996, 1649-1650 (KT) |
DStZ 1996, 775-776 (KT) |
HFR 1996, 720-721 (L) |
StE 1996, 565 (K) |