Leitsatz (amtlich)
§ 50 Abs. 3 BewG a. F. ist auch in den Fällen anzuwenden, in denen das Gebäude zwar vom Grundstückseigentümer errichtet, aber nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag steuerlich nicht dem Grundstückseigentümer zuzurechnen ist.
Normenkette
BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des BewG 1965 § 50 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer eines Fabrikgrundstücks, für das zuletzt auf den 1. Januar 1935 ein Einheitswert von 40 700 RM festgestellt worden ist. Durch einen Betriebsüberlassungsvertrag vom 20. Oktober 1959/17. Mai 1960 brachte der Kläger das von ihm auf diesem Grundstück betriebene Werk mit allen zu dem Werk gehörenden Gebäuden und Baulichkeiten sowie Maschinen, Geräten, Betriebseinrichtungen und Zubehör in die vom FG als Beteiligte zum Verfahren hinzugezogene KG (damals noch GmbH & Co. KG) mit Wirkung vom 20. Oktober 1959 ein. In § 1 letzter Absatz dieses Vertrages heißt es: "Die Gebäude und sämtliche zum Betrieb des Werkes gehörenden Maschinen usw. gehen in das Eigentum der ... (Beteiligten) über. Soweit dies rechtlich nicht möglich sein sollte, sind die ... (Beteiligte) berechtigt, über diese Gebäude und Zubehör wie ein Eigentümer zu verfügen, sie nach Bedarf zu ändern, abzubrechen oder neu zu errichten."
Mit Schreiben vom 28. Dezember 1960 beantragte der Kläger eine "Zurechnungs-Art-Wertfortschreibung" des Einheitswerts für das Fabrikgrundstück auf den 1. Januar 1960 "wegen teilweisen Eigentumswechsels". Er begründete diesen Antrag damit, daß sämtliche Gebäude mit Wirkung vom 20. Oktober 1959 in das Eigentum der Beteiligten übergegangen seien und nur der Grund und Boden in seinem Eigentum verblieben sei.
Das FA lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 9. November 1962 ab. Die dagegen eingelegte Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das FG führt im wesentlichen aus: Im Normalfall sei davon auszugehen, daß ein Grundstück mit den auf ihm errichteten Gebäuden sowohl bürgerlich-rechtlich wie bewertungs- und steuerrechtlich eine Einheit bilde. Grundsätzlich seien also Grundstück und Gebäude dem Grundstückseigentümer bewertungsrechtlich zuzurechnen. Davon mache der Gesetzgeber in § 50 Abs. 3 BewG a. F. eine Ausnahme insofern, als als Grundstück auch ein Gebäude gelte, das auf fremdem Grund und Boden errichtet ist, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist. Für die Anwendung dieser Vorschrift seien zwei Voraussetzungen erforderlich:
1. Die Gebäude seien dem zuzurechnen, der sie errichtet habe,
2. sie müßten dem Errichtenden wirtschaftlich gehören. § 11 Nr. 4 StAnpG, den der Kläger angewendet haben wolle, beziehe sich nur auf die zweite Voraussetzung, nämlich auf die Frage des wirtschaftlichen Eigentums. Diese Frage könne sich aber erst dann erheben, wenn vorher festgestellt sei, ob auch die erste Voraussetzung zutreffe, nämlich daß das Gebäude auf fremdem Grund und Boden von einem Dritten errichtet worden sei, also nicht von dem Eigentümer. Diese klare Voraussetzung könne nicht nachträglich dadurch hergestellt werden, daß der Eigentümer die ihm gehörenden Gebäude, die wesentliche Bestandteile seines Grundstücks darstellten, an einen Dritten veräußere. Dies sei zivilrechtlich unwirksam und auch steuerlich unerheblich. Denn die wirtschaftliche Betrachtungsweise könne diese unabdingbare Vorausetzung des § 50 Abs. 3 BewG a. F. nicht überbrücken.
Mit der Rechtsbeschwerde, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Die Auffassung des FG, daß nach § 50 Abs. 1 BewG a. F. in Verbindung mit § 2 BewG Grundstück und Gebäude gemeinsam den Grundstückseigentümern zuzurechnen und nur in den Fällen des § 50 Abs. 3 BewG a. F. eine Trennung von Grundstück und Gebäude möglich sei, sei unzutreffend. Auch nach § 2 BewG könnten bei einer entsprechenden Sachlage ein Grundtück und die darauf stehenden Gebäude verschiedene wirtschaftliche Einheiten darstellen. Dieser Grundsatz sei in § 50 Abs. 3 BewG a. F. nochmals zum Ausdruck gekommen. In Verkennung dieses Sinnzusammenhangs lege das FG diese Vorschrift in dem Sinne aus, daß Gebäude, die ein Grundstückseigentümer selbst errichtet habe, im Laufe der Zeit nicht Gebäude auf fremdem Grund und Boden werden könnten. Der Sinnzusammenhang zeige jedoch, daß § 50 Abs. 3 BewG a. F. richtiger zu lesen wäre als "Gebäude, die auf fremdem Grund und Boden stehen".
Die Beteiligte hat sich der Rechtsauffassung der Klägerin angeschlossen. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BewG ist jede wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten. Nach § 2 Abs. 2 BewG kommen mehrere Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Einheit nur insoweit in Betracht, als sie demselben Eigentümer gehören. Unter Eigentümer im Sinne dieser Vorschrift ist nicht nur der bürgerlich-rechtliche Eigentümer zu verstehen, sondern auch der sogenannte wirtschaftliche Eigentümer, d. h. die Person, der das Wirtschaftsgut nach § 11 Nrn. 1-4 StAnpG steuerlich zuzurechnen ist. Es können deshalb Wirtschaftsgüter, die nach § 11 Nrn. 1-4 StAnpG einer anderen Person als dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer steuerlich zuzurechnen sind, nach § 2 Abs. 2 BewG nicht mit den Wirtschaftsgütern zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt werden, die dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer steuerlich zuzurechnen sind. Das hat bereits der RFH in dem Urteil III A 131/33 vom 30. November 1933 (RStBl 1934, 166) entschieden. Dieses Urteil ist allerdings zu § 9 des Reichsbewertungsgesetzes 1925 ergangen; diese Vorschrift entspricht aber in ihrem Satz 1 dem § 2 Abs. 2 BewG. § 2 BewG gilt als Vorschrift des ersten Teils des BewG nach § 18 Abs. 3 BewG a. F. auch für die Einheitsbewertung, soweit sich nicht aus den §§ 20 bis 77 BewG a. F. etwas anderes ergibt. Hinsichtlich der Anwendung des § 2 Abs. 2 BewG bei der Einheitsbewertung des Grundvermögens könnten sich wegen der Vorschrift des § 50 Abs. 1 BewG a. F. Zweifel ergeben. Denn nach dieser Vorschrift bildet jedes selbständige Grundstück eine wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens und zu jedem Grundstück gehören außer dem Grund und Boden auch dessen Bestandteile (insbesondere Gebäude) und dessen Zubehör. Diese Zweifel zu beseitigen, ist der Zweck des § 50 Abs. 3 BewG a. F. Nach seinem Wortsinn gilt als Grundstück auch ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet ist, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß der Grundsatz des § 2 Abs. 2 BewG auch für die Einheitsbewertung des Grundvermögens gelten soll. Dem hat die Rechtsprechung dadurch Rechnung getragen, daß sie § 50 Abs. 3 BewG a. F. nur in den Fällen anwendet, in denen das wirtschaftliche Eigentum an dem Gebäude nicht dem Grundstückseigentümer zusteht (vgl. z. B. Urteil des BFH III 77/57 S vom 19. September 1958, BFH 67, 434, BStBl III 1958, 440 Abschn. IV erster Abs.). In § 50 Abs. 3 BewG a. F. ist von einem Gebäude die Rede, das auf fremdem Grund und Boden "errichtet" ist. Dieser Wortsinn der Vorschrift ist entgegen der Auffassung des FG nicht eindeutig. Es ist insbesondere nicht eindeutig, ob darunter nur solche Gebäude fallen, die nicht vom Grundstückseigentümer selbst errichtet worden sind. Betrachtet man die Vorschrift unter dem Gesichtspunkt des im Bewertungsrecht maßgebenden Stichtagsprinzips, so können darunter auch solche Gebäude fallen, die zwar zunächst vom Grundstückseigentümer errichtet worden sind, an denen er aber noch vor dem Stichtag das wirtschaftliche Eigentum verloren hat. Denn auch diese Gebäude sind am Stichtag (auf fremdem Grund und Boden) errichtet, weil das Wort "errichten" sowohl im Sinne der Tätigkeit der Errichtung, des Errichtetwerdens, als auch im Sinne des dadurch eingetretenen Zustands, des Errichtetseins, verstanden werden kann. Stellt man auf den Zweck des § 50 Abs. 3 BewG a. F. ab, wie er oben dargelegt wurde, so kann nach Auffassung des Senats § 50 Abs. 3 BewG a. F. nur in diesem Sinne ausgelegt werden. Es muß in diesem Zusammenhang auch beachtet werden, daß nach der dem § 50 Abs. 3 BewG a. F. entsprechenden Vorschrift des § 70 Abs. 3 BewG 1965 als Grundstück auch ein Gebäude gilt, das auf fremdem Grund und Boden errichtet, oder in sonstigen Fällen einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen ist. Nach dieser Neufassung fallen eindeutig auch Gebäude unter diese Vorschrift, die zwar vom Grundstückseigentümer errichtet sind, aber nach den Verhältnissen am Stichtag einem anderen steuerlich zuzurechnen sind. Diese Neufassung sollte aber nicht die Rechtslage ändern, sondern nur der Klarstellung dienen (so auch Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 1. bis 4. Aufl., Bd. III, Anm. 21 zu § 70 BewG 1965).
Nach alledem ist § 50 Abs. 3 BewG a. F. nach Auffassung des Senats auch in den Fällen anzuwenden, in denen ein Gebäude zwar vom Grundstückseigentümer errichtet, aber nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag steuerlich nicht dem Grundstückseigentümer zuzurechnen ist.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Nach den im Betriebsüberlassungsvertrag getroffenen Vereinbarungen kann davon ausgegangen werden, daß die Gebäude steuerlich nach § 11 Nr. 4 StAnpG der Beteiligten zuzurechnen sind. Das folgt insbesondere daraus, daß die Beteiligte dananch über die Gebäude wie ein Eigentümer verfügen, sie nach Bedarf ändern, abbrechen und neu errichten kann. Es war deshalb auch der ablehnende Bescheid des FA vom 9. November 1962 aufzuheben. Das FA wird nunmehr die beantragte Fortschreibung unter Beachtung der obigen Ausführungen vorzunehmen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 68191 |
BStBl II 1968, 770 |
BFHE 1968, 320 |