Leitsatz (amtlich)
Ein Unternehmer, der mit gebrauchten Kraftfahrzeugen handelt, kann die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG nicht in Anspruch nehmen, wenn er von seinen Abnehmern, die die Fahrzeuge wieder fahrtüchtig machen, die Reifen oder Aufbauten vereinbarungsgemäß zurückerhält. Auch die Weiterlieferung der Reifen bzw. Aufbauten unterliegt dem Steuersatz von 4 v. H.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 7 Abs. 3; UStDB §§ 6, 57
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige -- Stpfl. --) betreibt den Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen. In den Jahren 1957 und 1958 kaufte sie etwa 500 schrottreife Lkw und verkaufte sie an die Firma X. Diese überholte die Fahrzeuge vollständig und verkaufte die wieder fahrtüchtig gemachten Wagen. Nach dem schriftlichen Vertrag vom 7. Mai 1957, den die Stpfl. mit der X abgeschlossen hatte, waren die Fahrzeuge komplett in überholungsfähigem Zustand abzuliefern; die mitangelieferten Reifen und Aufbauten verblieben im Eigentum der Stpfl.
Die Stpfl. versteuerte die Fahrzeugumsätze und die Umsätze der Reifen und Aufbauten mit 1 v. H. Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1960 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, daß die Stpfl. die Fahrzeuge mit Reifen und zum Teil auch mit Aufbauten erworben, der X aber ohne diese Teile geliefert habe. Die vom Abnehmer vorgenommenen Bearbeitungen seien der Stpfl. zuzurechnen. Die Stpfl. könne daher die Großhandelsvergünstigung nicht in Anspruch nehmen. Auch für die im Eigentum verbliebenen Reifen und Aufbauten, die die Stpfl. an Dritte veräußert habe, könne der ermäßigte Steuersatz nicht zur Anwendung kommen, weil diese Gegenstände, durch die der Stpfl. zuzurechnende Bearbeitung der X entstanden seien. Im übrigen seien die vorgenommenen Bearbeitungen nicht buchmäßig nachgewiesen.
Das Finanzamt (FA) folgte der Auffassung des Prüfers und unterwarf die Fahrzeuglieferungen und die Lieferungen der Reifen und Aufbauten dem allgemeinen Steuersatz von 4 v. H. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Berufung hatte die Stpfl. keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) eingelegte Rb., die gemäß § 184 Abs. 2 FGO als Revision zu behandeln ist, ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Revisionsklägerin hat gegen das am 21. Oktober 1965 zugestellte Urteil des FG mit Schreiben vom 19. November 1965 Rb. eingelegt. Diese Rb. ist am 23. Dezember 1965 beim FG eingegangen. Da der 21. November 1965 ein Sonntag war und die Rb.-Frist am 22. November 1965 geendet hat, ist die Rb. verspätet eingegangen. Der Bevollmächtigte der Stpfl. hat am 2. Dezember 1965 Antrag auf Nachsichtgewährung gestellt, der nach den Vorschriften der FGO als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu behandeln ist. Er hat glaubhaft dargetan, daß er die Rechtsmittelschrift am 19. November 1965 diktiert, unterschrieben und der sonst zuverlässigen Büroangestellten zur Absendung übergeben hat. Die Absendung ist jedoch versehentlich unterblieben. Als das Versehen am 22. November 1965 entdeckt wurde, wurde durch Rückfrage bei der Post und der Bahn ermittelt, daß der Brief bei sofortiger Aufgabe als Eilbrief am gleichen Tag noch zugestellt werden würde. Der Brief wurde auch ausweislich des Postaufgabestempels sofort als Eilbrief aufgegeben. Er kam jedoch in ... erst am 23. November 1965 an. Wäre das Versehen nicht vor Ablauf der Frist entdeckt worden, so wäre die Versäumung der Frist wegen Versehens des sonst zuverlässigen Büropersonals entschuldbar gewesen. Der Stpfl. kann jedoch auch die durch die Übersendung des Eilbriefs eingetretene Verzögerung nicht zur Last gelegt werden. Zwar muß eine erhöhte Sorgfaltspflicht gefordert werden, wenn das Rechtsmittel erst am letzten Tag eingelegt wird. Im vorliegenden Fall konnte jedoch nach der von der Post erteilten Auskunft und nach den Erkundigungen bei der Bahn damit gerechnet werden, daß der Brief noch rechtzeitig beim FG eingehen würde. Es war daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
In der Sache kann die Revision keinen Erfolg haben. Die Vorinstanzen haben die Auffassung vertreten, daß die Stpfl. Fahrzeuge mit Reifen und Aufbauten erworben, diese Fahrzeuge aber ohne Reifen und Aufbauten geliefert habe und deshalb die Großhandelsvergünstigung nicht in Anspruch nehmen könne. Diese Beurteilung gibt zu Beanstandungen keinen Anlaß. Das FG konnte zu der Annahme kommen, daß die Stpfl. die zurückgegebenen Reifen und Aufbauten nicht liefern wollte. Diese Tatsachenwürdigung ergibt sich vor allem aus der vertraglichen Vereinbarung, die insoweit mit der tatsächlichen Handhabung übereinstimmt. Daß auch Fahrzeuge ohne Reifen erworben und Reifen der Stpfl. nicht zurückgegeben wurden, steht dieser Feststellung nicht entgegen. An diese tatsächliche Feststellung des FG ist aber der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), da ein im Revisionsverfahren zu berücksichtigender Mangel nicht erkennbar ist. Die rechtliche Beurteilung ergibt sich aus dem Grundsatz über den Umfang der Lieferung, wonach sich in Fällen, in denen der Abnehmer dem Lieferer einen Teil des übergebenen Gegenstands wieder zurückgeben muß, die Lieferung auf die dem Abnehmer verbleibenden Teile beschränkt. Dieser Grundsatz ist nicht, wie die Stpfl. meint, auf die Rückgabe von Nebenerzeugnissen und Abfällen beschränkt (§ 6 UStDB). In allen diesen Fällen hat der Unternehmer nur das geliefert, was von Anfang an für den Erwerber bestimmt war. Die Anwendung dieses für den Steuerpflichtigen in der Regel günstigen Grundsatzes muß die Stpfl. in dem vorliegenden Fall gegen sich gelten lassen. Die Lieferung eines Teils des Gegenstands entspricht im vorliegenden Falle durchaus dem Verpflichtungsgeschäft. Die Stpfl. hat auch nicht die Summe der einzelnen Fahrzeugteile, sondern nicht mehr fahrtüchtige Gebrauchtfahrzeuge erworben, die wieder instand gesetzt werden sollten. Diese Gebrauchtfahrzeuge sind einheitliche Gegenstände. Weitergeliefert hat die Stpfl. Fahrzeuge ohne Reifen und Aufbauten. Sie hat deshalb andere Gegenstände geliefert als diejenigen, die sie erworben hat. Daß es sich bei den Fahrzeugen mit Reifen und Aufbauten und bei den Fahrzeugen ohne Reifen und Aufbauten um Gegenstände anderer Marktgängigkeit handelt, ist offenkundig und bedurfte deshalb keines Sachverständigenbeweises. Die Änderung der Marktgängigkeit ist durch das Abmontieren der Reifen und Aufbauten durch die X eingetreten. Diese Bearbeitung ist der Stpfl. zuzurechnen, da sie in ihrem Interesse durchgeführt wurde (vgl. Urteil des BFH V 288/58 U vom 18. Oktober 1962, BStBl 1962 III S. 547, Slg. Bd. 75 S. 774). Die Stpfl. kann sich auch nicht darauf berufen, daß es sich bei den Reifen und Aufbauten nur um geringwertige Nebenteile gehandelt habe, da durch das Abmontieren an den Fahrzeugen wesentliche Veränderungen eingetreten sind.
Soweit die Stpfl. Fahrzeuge ohne Reifen erworben hat oder Reifen von der X nicht zurückgegeben worden sind, kann die Stpfl. die Großhandelsvergünstigung für die Lieferung der Fahrzeuge nicht in Anspruch nehmen, weil der erforderliche buchmäßige Nachweis nicht erbracht ist. Wohl lägen in diesen Fällen die sachlichen Voraussetzungen für die Vergünstigung vor. Diese Voraussetzungen müssen jedoch buchmäßig nachgewiesen sein, wenn, wie hier, Gegenstände der gleichen Art auch bearbeitet worden sind. Ein erleichterter Buchnachweis ist der Stpfl. nicht gewährt worden.
Was für die Lieferung der Fahrzeuge an die X gilt, muß für die Lieferungen der Reifen und Aufbauten an Dritte entsprechend gelten. Die Stpfl. hat überholungsfähige Schrottfahrzeuge, die einheitliche Gegenstände darstellen, mit Reifen und Aufbauten eingekauft und die davon abgetrennten Reifen und Aufbauten an Dritte veräußert. Daß es sich bei den erworbenen Fahrzeugen und den veräußerten Reifen und Aufbauten um Gegenstände verschiedener Marktgängigkeit handelt, kann nicht zweifelhaft sein. Wie bereits ausgeführt, muß sich die Stpfl. das Abmontieren der Reifen und Aufbauten durch die X gemäß § 12 Abs. 2 UStDB auch zurechnen lassen. Die Stpfl. kann deshalb auch für die Lieferung der Reifen und Aufbauten die Großhandelsvergünstigung nicht in Anspruch nehmen. Auf das nicht veröffentlichte Urteil des Bundesfinanzhofs V 237/61 vom 20. März 1964 kann sich die Stpfl. nicht berufen, da es sich dort um einen anders gelagerten Sachverhalt gehandelt hat.
Die Revision war hiernach als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1966, 414 |
BFHE 1966, 188 |