Leitsatz (amtlich)
1. Die Erfindervergütung, die einem Alleinaktionär und Vorstandsvorsitzenden einer AG von der AG gewährt wird, kann zu seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören.
2. Den Erben eines Arbeitnehmer-Erfinders steht die Vergünstigung der Verordnung über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmer-Erfindungen vom 6. Juni 1951 grundsätzlich nicht zu.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 3, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 2, § 34 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) und die vom FG zum Verfahren Beigeladene und Revisionsklägerin sind Eheleute. Der Steuerpflichtige ist Miterbe des verstorbenen F., der Alleinaktionär und Vorstandsvorsitzender der Firma X-AG gewesen ist.
F. hat im Jahre 1952 eine für die Fertigung wesentliche Erfindung gemacht. Er hat die Erfindung in den Räumen der AG entwickelt und ausprobiert. Nach den Feststellungen des FG sind die unbedeutenden Entwicklungs- und Versuchskosten im Aufwand der AG enthalten. Die Erfindung wurde von der AG 1952 zum Patent angemeldet; im Jahre 1957 wurde dann auch der AG das Patent erteilt. Aber schon zwischenzeitlich hat die AG die Erfindung wirtschaftlich ständig genutzt. F. hat die Erfindung gegen Entgelt auf die AG übertragen wollen. Zu einer Vereinbarung über die Höhe des Entgelts ist es aber wegen seines Todes nicht mehr gekommen. Im Jahre 1957 hat die AG an die Miterben den von einem Patentanwalt geschätzten Betrag von 300 000 DM für die Erfindung ausgezahlt; der Anteil des Steuerpflichtigen hieran beträgt rd. 30 000 DM.
Die AG hat bei der Auszahlung der 300 000 DM an die Miterben Lohnsteuern einbehalten. Unter Anwendung der Verordnung über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmer-Erfindungen vom 6. Juni 1951 (künftig: Verordnung - BStBl I 1951, 184) hat die AG auch den Anteil des Steuerpflichtigen nur mit der Hälfte des normalen Tarifs der Lohnsteuer unterworfen. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung hielt das FA jedoch nur den normalen Steuersatz für anwendbar. Der Einspruch, mit dem der Steuerpflichtige die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 EStG erstrebte, blieb erfolglos.
Das FG wies die Klage ab. Es führte in dem in EFG 1967, 509 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Nicht die Miterben, sondern der Erblasser habe das Recht auf das Patent auf die AG übertragen. Der Anspruch auf die dafür zu gewährende Vergütung sei auf die Erben übergegangen. Die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 1 EStG könne auf den Anteil des Steuerpflichtigen an der Vergütung nur angewandt werden, wenn der Erblasser freiberufliches Betriebsvermögen auf die AG übertragen hätte (§ 18 Abs. 3 EStG in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, § 24 Nr. 2 EStG). Das sei aber nicht der Fall. Der Erblasser sei zwar arbeitsrechtlich nicht Arbeitnehmer der AG gewesen. Deshalb sei auch das Gesetz über Arbeitnehmer-Erfindungen vom 25. Juli 1957 (BGBl I 1957, 756) für ihn nicht unmittelbar anwendbar. Steuerrechtlich sei er aber Arbeitnehmer der AG gewesen und habe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Es komme für die steuerrechtliche Beurteilung der Einkunftsart darauf an, ob die Erfindertätigkeit innerhalb des Dienstverhältnisses als Vorstandsmitglied ausgeübt und die Erfindung im Rahmen dieses Dienstverhältnisses der Gesellschaft überlassen werde oder ob der Erfinder unabhängig vom Dienstverhältnis tätig geworden sei. Bei der gegebenen Sachgestaltung bestehe kein Zweifel daran, daß die Erfindung unmittelbar aus der Tätigkeit des Erblassers als Vorstands-Vorsitzer der AG erwachsen und ein Bestandteil dieser Tätigkeit gewesen sei. In einem Fall wie hier ergebe sich, auch ohne daß es ausdrücklich im Anstellungsvertrag vereinbart sei, aus den Vorschriften über den Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) die Pflicht des Vorstandsmitglieds, die Erfindung seiner Gesellschaft gegen angemessene Vergütung zu übertragen. Selbst wenn man eine Anbietungspflicht verneinen wolle, stehe doch fest, daß der Erblasser die Erfindung der AG unverzüglich überlassen habe. Das sei im Rahmen des Dienstverhältnisses geschehen. Da eine Vergütung für die Erfindung deshalb zu den Einkünften des Erblassers aus nichtselbständiger Arbeit gehöre, rechne das Entgelt, welches die Erben erhalten haben, bei diesen zu nachträglichen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§§ 19, 24 Nr. 2 EStG). Die Tarifvergünstigung der §§ 2, 4 der Verordnung vom 6. Juni 1951 komme für die Erben nicht in Betracht.
Mit der Revision macht der Steuerpflichtige geltend: Es dürften nicht sämtliche Einkünfte eines Vorstandsmitglieds automatisch zu den Lohneinkünften gerechnet werden. Es sei jeweils zu prüfen, ob auf das Vorstandsmitglied der arbeitsrechtliche oder der steuerrechtliche Arbeitnehmerbegriff anzuwenden sei. Auch für Erfindervergütungen sei nur die Behandlung bei Arbeitnehmern im arbeitsrechtlichen Sinn geregelt. Wenn die Verordnung vom 6. Juni 1951 von der Finanzverwaltung auch auf Vorstandsmitglieder angewendet werde, so sei das eine Kannvorschrift, mit deren Hilfe eine steuerliche Begünstigung trotz abweichender gesetzlicher Terminologie auch auf einen im Gesetz nicht genannten Personenkreis angewendet werden solle. Eine Billigkeitsregelung, wie sie hier gegeben sei, sei aber nur dann anzuwenden, wenn sie zu einer steuerlichen Besserstellung des Steuerzahlers führe. Da in seinem Fall die Vergünstigung für Arbeitnehmer nicht zum Zuge komme, werde die Billigkeitsregelung in ihr Gegenteil verkehrt, weil nur bei Versteuerung der Vergütung als Einkünfte aus selbständiger Arbeit die Tarifbegünstigung des § 34 EStG für Veräußerungsgewinne zum Tragen kommen könne. Bei Erzielung des Veräußerungsgewinns sei es völlig unerheblich, ob das Patent oder vor dessen Erteilung das Recht auf Erteilung des Patents veräußert werde.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Die an den Steuerpflichtigen ausgezahlte Vergütung rechnet zu den nachträglichen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 24 Nr. 2 EStG). Sie ist nicht nach § 34 EStG begünstigt.
1. Es ist zwar zutreffend, daß es für den Begriff des Arbeitnehmers in den verschiedenen Rechtsgebieten keine übereinstimmende gesetzliche Umschreibung gibt. Das Fehlen eines einheitlichen Arbeitnehmerbegriffs hat zur Folge, daß der Begriff des Arbeitnehmers in den verschiedenen Rechtsgebieten einen unterschiedlichen Inhalt hat. Darauf hat der Senat im Urteil VI R 155/67 vom 19. Dezember 1969 (BFH 98, 34, BStBl II 1970, 243) gerade neuerdings, wenn auch in anderem Zusammenhang, hingewiesen. So gelten gesetzliche Vertreter und Gesellschafter-Geschäftsführer juristischer Personen arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer, weil sie nicht abhängige Angestellte, sondern selbst Leiter und in ihren Funktionen nicht Arbeitnehmer, sondern Arbeitgeber sind (vgl. z. B. Pakebusch, BB 1963, 230). Einkommensteuerrechtlich werden jedoch die Bezüge, die ein Vorstandsmitglied einer AG als solches erhält, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gerechnet (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z. B. das Urteil des Senats VI R 175/66 vom 8. März 1968, BFH 92, 8, BStBl II 1968, 435; siehe auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 19 EStG Anm. 17, Stichwort: Leitende Angestellte). Deshalb gehören nach dem vorstehenden Urteil auch "andere Bezüge und Vorteile" aus dem Dienstverhältnis zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Im Streitfall liegen solche anderen Bezüge vor.
2. Die tatsächliche Würdigung des FG, daß hier die Erfindervergütung aus dem Dienstverhältnis des Erblassers hervorgehe, ist nicht zu beanstanden. Der Zweck der Entwicklung für die AG, der Ort der Entwicklung und Erprobung in den Räumen der AG, der Umstand, daß die - wenn auch geringen - Entwicklungskosten zu Lasten der AG gebucht wurden und vor allem die Tatsache, daß die AG selbst die Erfindung noch im Jahre 1952 zum Patent anmeldete und von diesem Zeitpunkt an auch wirtschaftlich ausnutzte, sprechen dafür, daß der Erblasser die Erfindung als im Dienst der AG Stehender für die AG entwickelt und der AG sofort überlassen hat.
Auch die rechtlichen Erwägungen des FG, daß unter den vorstehenden Umständen der Erblasser verpflichtet war, der AG die Erfindung anzubieten, ist nicht zu beanstanden. Das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen vom 25. Juli 1957 findet auf den Streitfall zwar schon deshalb keine Anwendung, weil es erst am 1. Oktober 1957 in Kraft getreten ist (§ 49 des Gesetzes) und die Erfindung bereits 1952 erfolgte. Auch die zuvor geltende Verordnung über die Behandlung von Erfindungen von Gefolgschaftsmitgliedern vom 12. Juli 1942 (RGBl I 1942, 466) war auf gesetzliche Vertreter juristischer Personen wohl nicht anwendbar (vgl. Reimer-Schade-Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindungen, Kommentar, 4. Aufl. S. 69 und 466 f.). Gleichwohl dürfen auch gesetzliche Vertreter juristischer Personen nicht völlig frei über ihre Erfindungen verfügen (vgl. Reimer-Schade-Schippel, a. a. O., S. 70, 103). So hat auch das Reichsgericht vor 1942 die damals geltenden Grundsätze für Diensterfindungen von Arbeitnehmern ohne Bedenken auf die Erfindung des im Betrieb einer GmbH tätigen Gesellschafters angewendet und als Diensterfindung behandelt (Urteil des Reichsgerichts vom 11. Juni 1932, RGZ 136, 415). Der RFH ist im Urteil I A 135/36 vom 11. Mai 1937 (RStBl 1937, 927) sogar noch weitergegangen, wenn er ausführt, daß ein im Betrieb einer AG tätiges, am Aktienkapital zur Hälfte beteiligtes Vorstandsmitglied in erster Linie berufen sei, Entwicklungen zu machen, und ausdrücklich feststellt: "Erfindungen, die er innerhalb des Gesellschaftszwecks macht, gehören der AG." Demgegenüber hat allerdings der BGH angenommen, daß der Gesellschaft das Recht an der Erfindung nicht unmittelbar (originär) zuwachse, daß jedoch im Gesellschaftsvertrag eine Vorausverfügung oder Verpflichtung zur Übertragung ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart sein könne, was auch durch die Sonderregelung für Arbeitnehmererfindungen nicht ausgeschlossen werde (vgl. das Urteil des BGH vom 16. November 1954, NJW 1955, 541; ähnlich Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Bd. 3. Teil, 11. Aufl., § 611 Anm. 117). Im Streitfall war zwar eine entsprechende Vereinbarung zwischen der AG und dem Erblasser nicht aufzufinden. Aus dem Umstand aber, daß der Erblasser seine Erfindung sofort der AG zur Verfügung stellte und auch allgemein aus der gesetzlichen Vertretern juristischer Personen obliegenden besonderen Treuepflicht, ihre Erfindungen nicht anders als im Interesse des von ihnen vertretenen Unternehmens zu verwenden (vgl. Heine-Rebitzki, Arbeitnehmererfindungen, Kommentar, 3. Aufl. § 1 Anm. 4; Herrmann-Heuer, a. a. O., § 19 EStG Anm. 185, E 1054 46), ergibt sich, daß der Erblasser von einer Verpflichtung, der AG die Erfindung anzubieten, ausgegangen ist. Es kann deshalb in Übereinstimmung mit dem vorstehenden Urteil des BGH vom 16. November 1954 zumindest eine stillschweigende Vereinbarung zwischen dem Erblasser und der AG angenommen werden, Erfindungen auf die AG zu übertragen. Wenn das FG danach die Erfindung steuerrechtlich als im Rahmen eines Dienstverhältnisses entwickelt angesehen hat, ist das nicht zu beanstanden. Damit scheidet für den Streitfall eine, was das FG nicht verkannt hat, auch für einen gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person an sich mögliche freie Erfindung aus, so daß die §§ 18 Abs. 3, 34 EStG nicht anwendbar sind. Daß im übrigen auch die AG von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausgegangen ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß sie von den ausgezahlten Erfindervergütungen von insgesamt 300 000 DM Lohnsteuern einbehielt.
3. Was die Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder vom 30. Mai 1951 (BGBl I 1951, 387, BStBl I 1951, 181) anbetrifft, so verkennt der Steuerpflichtige, daß sie auf Erben des Erfinders - von durch die Finanzverwaltung anerkannten, hier nicht zu behandelnden Ausnahmefällen abgesehen - nicht anwendbar ist, weil sie nur Vergünstigungen persönlicher, nicht aber sachlicher Art bringen will (vgl. das Urteil des BFH IV 179/57 U vom 20. Februar 1958, BFH 66, 544, BStBl III 1958, 209). Die Erfindervergünstigung soll einen Anreiz bieten zur Entfaltung erfinderischer Tätigkeit und folglich gerade die Tätigkeit als solche steuerlich "belohnen". Das hat der BFH im Urteil IV 253/62 U vom 25. Februar 1965 (BFH 82, 126, BStBl III 1965, 292) bestätigt, in dem er betonte, daß die Begünstigung der Verordnung vom 30. Mai 1951 nur für die Erfinder tätigkeit gewährt werde. Das gleiche hat für die Verordnung vom 6. Juni 1951 über die steuerliche Behandlung der Arbeitnehmer-Erfindungen zu gelten (vgl. Herrmann-Heuer, a. a. O., § 19 EStG Anm. 189-190; Lohmeyer, Steuer und Wirtschaft 1966 Sp. 707, 718; Hartz-Over-Meeßen, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Diensterfindungen unter 2 e). Denn auch mit dieser Verordnung soll nur die Tätigkeit als Arbeitnehmer-Erfinder belohnt und ein neuer Anreiz gegeben werden.
Kommt die Verordnung vom 6. Juni 1951 aus den vorstehenden Gründen hier nicht in Betracht, so bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob auch sie als solche - wie die Verordnung vom 30. Mai 1951 (vgl. den Beschluß des BVerfG 2 BvL 15/66 vom 30. Januar 1968, BStBl II 1968, 296) - nichtig ist und ob ihr gegebenenfalls durch Art. 3 § 1 Abs. 1 des Steueränderungsgesetzes 1968 vom 20. Februar 1969 (BGBl I 1969, 141, BStBl I 1969, 116) rückwirkend Gesetzeskraft verliehen werden konnte (vgl. dazu das Urteil des BFH IV 304/65 vom 11. September 1969, BFH 98, 141, BStBl II 1970, 306). Aus den gleichen Gründen ist es nicht entscheidungserheblich, ob die Verordnung vom 6. Juni 1951 allgemein auch auf an gesetzliche Vertreter juristischer Personen ausgezahlte Erfindervergütungen anzuwenden ist (so die Verfügung der OFD Düsseldorf vom 24. April 1961, BB 1961, 595; Herrmann-Heuer, a. a. O., § 19 EStG Anm. 185 E 1054 46; Reimer-Schade-Schippel, a. a. O., S. 466 f.; Lohmeyer, a. a. O., Sp. 722).
Danach kann der Einwand des Steuerpflichtigen, die Erfindervergünstigung sei bei gesetzlichen Vertretern nur im Billigkeitsweg und deshalb lediglich zugunsten der Steuerpflichtigen anwendbar, nicht durchgreifen. Die zunächst zu entscheidende Vorfrage, ob die Erfindertätigkeit aus einem - einkommensteuerrechtlich gesehen - Dienstverhältnis entspringt oder nicht, ist keine Frage der Billigkeit, sondern der Sach- und Rechtswürdigung. Kommt man - wie hier - zu dem Ergebnis, daß die Erfindertätigkeit dem Dienstverhältnis entspringt, so könnte man die Erfinderverordnung allenfalls zugunsten des gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person - wann die Anwendung der Verordnung einmal nachteilig sein sollte, ist im übrigen nicht ersichtlich - anwenden. Hier kommt aber die Begünstigung der Verordnung aus den vorstehenden Gründen nicht zum Zuge. Dann kann daraus auch nicht gefolgert werden, die Erfindung beruhe auf einer selbständigen oder freien Tätigkeit.
Fundstellen
Haufe-Index 69155 |
BStBl II 1970, 824 |
BFHE 1971, 25 |