Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten einer erstmaligen Ausbildung als Erwerbsaufwendungen
Leitsatz (NV)
Aufwendungen eines Medizinstudenten, der nebenberuflich im Pflegedienst tätig ist, für eine Ausbildung zum Krankengymnasten sind vorab entstandene Werbungskosten oder Betriebsausgaben, wenn die Ausbildung dazu dient, später Erwerbseinnahmen zu erzielen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der 1953 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) studierte in X Medizin, wo er auch wohnte. Außerdem übernahm er ―ohne als Krankenpfleger ausgebildet zu sein― in einem Seniorenheim und bei einer DRK-Schwesternschaft Nachtwachen, wofür er in den verbliebenen Streitjahren Bruttolöhne in Höhe von 31 049 DM (1994) bzw. 32 021 DM (1995) erzielte. Die damit zusammenhängenden Aufwendungen (1994: 3 014 DM und 1995: 1 426 DM) ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) zum Abzug zu. Des Weiteren besuchte der Kläger ab Dezember 1993 die Berufsfachschule für Krankengymnastik in Y, wofür er 1994 Aufwendungen in Höhe von 16 753 DM (8 220 DM Schulgeld und 8 533 DM Fahrtkosten) und 1995 in Höhe von 15 363 DM (7 535 DM Schulgeld und 7 828 DM Fahrtkosten) als Werbungskosten berücksichtigt wissen wollte. Das FA ließ stattdessen in beiden Jahren gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Sonderausgaben in Höhe von 1 200 DM zum Abzug zu. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG und begründet dies im Einzelnen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuer im Bescheid 1994 auf 8 487 DM (4 339,33 €) und im Bescheid 1995 auf 3 970 DM (2 029,83 €) herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Dem Begehren des Klägers könne auch nach der Änderung der Rechtsprechung durch die Urteile des BFH vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01 (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403) und vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407) nicht entsprochen werden, weil sie nicht anwendbar seien, wenn der Steuerpflichtige ―wie hier― bisher über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt hinsichtlich der Jahre 1994 und 1995 zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG). Zum Jahr 1993 ist das Urteil rechtskräftig geworden, weil es insofern mit der Revision nicht angefochten worden ist.
1. Aufwendungen für eine Ausbildung können zu Erwerbsaufwendungen (vorab entstandene Werbungskosten oder Betriebsausgaben; vgl. zu Letzteren BFH-Urteil vom 13. Februar 2003 IV R 44/01, BFH/NV 2003, 982) führen, wenn sie beruflich veranlasst sind. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Urteile in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403 und in BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407 verwiesen, die ―wie ihre Veröffentlichung im BStBl zeigt― zwischenzeitlich auch von der Finanzverwaltung akzeptiert werden. Nichts anderes gilt für eine beruflich veranlasste Erstausbildung (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFHE 202, 314), da es nicht darauf ankommt, ob mit den erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten ein neuer, ein anderer oder ein erstmaliger Beruf ausgeübt werden soll, sondern darauf, ob die Aufwendungen dazu dienen, überhaupt Erwerbseinnahmen zu erzielen. Letzteres ist hier der Fall. Denn es liegt auf der Hand, dass der Kläger die Ausbildung zum Krankengymnasten nicht aus privaten Gründen auf sich genommen hat, sondern deswegen, um mittels der gewonnenen Kenntnisse und Fähigkeiten seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Wie das FA nachträglich mitgeteilt hat, sei der Kläger nach Abschluss der Ausbildung zum Krankengymnasten ab 1996 in diesem Beruf tätig gewesen und übe ihn seit 1999 im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis selbständig aus. Das FG wird die dem Grunde nach berücksichtigungsfähigen Erwerbsaufwendungen entsprechend schlüssigem Vortrag des Klägers dem Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug zuzuordnen haben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG ―aus seiner Sicht zu Recht― keine Feststellungen zur Höhe der Abzugsbeträge getroffen hat. Diese wird es nunmehr unter Berücksichtigung der im BFH-Urteil vom 29. April 2003 VI R 86/99 (BFH/NV 2003, 997) niedergelegten Grundsätze nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1053832 |
BFH/NV 2004, 22 |