Leitsatz (amtlich)
Eine wegen Körperbehinderung des Steuerpflichtigen vorgenommene besondere Gestaltung der eigengenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus kann bei Schätzung des Nutzungswertes im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG insoweit Berücksichtigung finden, als sie objektiv auf die Nutzung der Wohnung und damit deren Nutzungswert von Einfluß ist.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist bei den Einkünften des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus Vermietung und Verpachtung die Höhe des für seine eigengenutzte Erdgeschoßwohnung im eigenen Zweifamilienhaus anzusetzenden Nutzungswertes.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) legte der Einkommensteuerveranlagung für 1967 gemäß § 21 Abs. 2 EStG einen geschätzten monatlichen Nutzungswert von 3,50 DM je qm Wohnfläche sowie von 20 DM für eine vom Kläger genutzte Doppelgarage zugrunde. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger Ansatz des Nutzungswertes mit schätzungsweise 2,50 DM, der Garage mit 15 DM erstrebte, hatten keinen Erfolg.
Das FG, das einen Nutzungswert von 3,67 DM je qm Wohnfläche ermittelte und für die Garage einen Nutzungswert von 50 DM als zutreffend ansah, wies die Klage als unbegründet ab. Das FG führte aus: Eine schätzungsweise Ermittlung des Nutzungswertes anhand vorhandener Mietverhältnisse am Ort und anderweitig entfalle unstreitig. Der Schätzung sei deshalb die sog. Kostenmiete der Wohnung zugrunde zu legen, deren Berechnung in Anlehnung an die Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (Zweite Berechnungsverordnung) vom 17. Oktober 1957 i. d. F. vom 1. August 1963 (BGBl I, 594) vorgenommen werden könne. Demgemäß errechnete das FG einen Kostenaufwand für die Wohnung von 6 746 DM jährlich, 562 DM monatlich und je qm Wohnfläche im Monat (562 DM : 153 =) 3,67 DM.
Die Frage, ob bei der Schätzung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Haus anhand der Kostenmiete auch eine Übergröße der Wohnung wegen Körperbehinderung des Steuerpflichtigen (Zwang zur Benutzung eines Krankenfahrstuhls) zu berücksichtigen sei, wie der doppelt beinamputierte Kläger in der Vorinstanz geltend gemacht hatte, ließ das FG unentschieden und unerörtert. In der Beantwortung dieser Frage sah der erkennende Senat - wie der Kläger - eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und ließ aus diesem Gesichtspunkt auf die entsprechende Beschwerde des Klägers die Revision gegen die Vorentscheidung zu.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Die Vorentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden, soweit die Vorinstanz nach den Verhältnissen des Streitfalls die gebotene schätzungsweise Bestimmung des Nutzungswertes der eigenen Wohnung des Klägers in Anlehnung an die Berechnungsweise der Kostenmiete nach der Zweiten Berechnungsverordnung vorgenommen hat, weil der Wohnung des Klägers vergleichbare Wohnobjekte, deren Mieten als Schätzungsgrundlage hätten dienen können, nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des FG nicht vorhanden waren. Unter diesen Umständen (Fehlen vergleichbarer Wohnungen) bietet die nach der Zweiten Berechnungsverordnung zu ermittelnde Kostenmiete der eigenen Wohnung einen brauchbaren Schätzungsanhalt für deren Nutzungswert (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. auch Entscheidungen vom 8. März 1968 VI R 175/66, BFHE 92, 8, BStBl II 1968, 435; vom 12. September 1969 VI R 336/67, BFHE 96, 527, BStBl II 1969, 727; vom 17. Oktober 1969 VI R 17/67, BFHE 97, 117, BStBl II 1970, 60).
Das FG ist jedoch einem Rechtsirrtum unterlegen, soweit es, wie geschehen, die Frage unentschieden und unerörtert gelassen hat, ob bei Schätzung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Haus anhand der Kostenmiete auch eine Übergröße der Wohnung wegen einer Körperbehinderung des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen ist. Es kommt bei der vorzunehmenden Schätzung nach § 217 AO des nach § 21 Abs. 2 EStG maßgeblichen Nutzungswertes der Wohnung auf alle für diesen Nutzungswert bedeutungsvollen Umstände an, und zwar ohne Rücksicht darauf, welche Ursachen sie haben. Eine etwa wegen der Körperbehinderung des Klägers vorgenommene besondere Gestaltung des Hauses und der Garage, wie sie der Kläger bereits im Klageverfahren geltend gemacht hat, kann deshalb bei Schätzung des Nutzungswertes im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG - auch soweit Anschaffungs- und Herstellungskosten in Anlehnung an die Zweite Berechnungsverordnung berücksichtigt werden - insoweit Berücksichtigung finden, als sie objektiv auf die Nutzung des Hauses und damit dessen Nutzungswert von Einfluß ist. Es läßt sich nicht ausschließen, daß das FG bei seiner Entscheidung diesen Rechtsgesichtspunkt nicht ausreichend beachtet hat, da es auf ihn trotz substantiierten Vorbringens des Klägers in dieser Richtung nicht eingegangen ist. Zugleich ist nicht von der Hand zu weisen, daß bei Beachtung der maßgeblichen Rechtslage das FG möglicherweise zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Die Vorentscheidung ist deshalb wegen Rechtsirrtums aufzuheben.
Die Sache geht mangels Entscheidungsreife an das FG zurück. Das FG wird zu beachten haben: Ist anzunehmen, daß die mit der Behinderung des Klägers zusammenhängenden Aufwendungen und Baumaßnahmen, die das FG noch festzustellen haben wird, auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt durch Dritte regelmäßig nicht bei Bemessung des Mietzinses berücksichtigt und vergütet werden, so scheiden sie auch bei Schätzung des Nutzungswertes nach der Kostenmiete aus. Mindern sie erfahrungsgemäß auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt die Miete, so ist das bei Schätzung des Wohnungsnutzungswertes ebenfalls durch angemessenen Abschlag zu berücksichtigen. Führen sie dagegen in der Regel zu einer Erhöhung, so sind sie wie andere normale Bauaufwendungen in der Kostenrechnung zu beachten. Es fehlt zur Berücksichtigung der genannten krankheitsbedingten Bauaufwendungen als Krankheitskosten aus der Sicht einer außergewöhnlichen Belastung (§ 33 EStG) an der erforderlichen eindeutigen Beziehung zur Einkommenssphäre, da die Aufwendungen nach Lage der Sache zur Entstehung eines entsprechenden Gegenwertes in der Vermögenssphäre geführt haben.
Fundstellen
Haufe-Index 72491 |
BStBl II 1977, 865 |
BFHE 1978, 148 |