Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Ernsthafte Gesellschaftsverträge zwischen Ehegatten sind auch steuerlich zu beachten. Maßstab für die Ernsthaftigkeit ist, ob ein Gesellschaftsvertrag gleichen Inhalts auch zwischen Fremden geschlossen werden könnte.
Zur Frage der einkommensteuerrechtlichen Bedeutung von Verträgen, die auch der Regelung güterrechtlicher Verhältnisse der Ehegatten dienen, nimmt der Senat nicht Stellung.
Erfüllt ein Gesellschaftsvertrag zwischen einem Architekten und seiner berufsfremden Ehefrau in einem Sonderfall die Voraussetzungen von Ziff. 1, so ist die Ehegatten-Gesellschaft gewerbesteuerpflichtig. Die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 84/55 U vom 14. Februar 1956 (BStBl III S. 103, Slg. Bd. 62 S. 277) gelten für Gesellschaften zwischen Ehegatten entsprechend.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Der Architekt H. und Frau B., die H. im Oktober 1952 heiratete, schlossen am 18. Juni 1952 einen notariellen Vertrag über eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (die Beschwerdeführerin - Bfin. -). Der Vertrag lief bis zum 31. Dezember 1957 und soll sich jeweils um ein Jahr verlängern, wenn er nicht rechtzeitig gekündigt wird. H. hatte sich nach der Währungsumstellung als selbständiger Architekt niedergelassen; Frau B. war kaufmännische Angestellte. Die Gesellschafter brachten je einen Teil des Betriebsvermögens ein. H. übernahm die technische, Frau B. die kaufmännische und verwaltungsmäßige Seite des Betriebs; die Geschäftsführung stand beiden Gesellschaftern gemeinsam zu; bei Meinungsverschiedenheiten sollte H. entscheiden; am Gewinn und Verlust des Betriebs waren beide Gesellschafter mit je 50 v. H. beteiligt. Die Ehefrau hat unstreitig im Betrieb voll mitgearbeitet. Der Ertrag des Betriebs hat sich wie folgt entwickelt:
II/1948 und 1949 --------------- Verlust rd. 2.000 DM ----------- 1950 --------------- Gewinn rd. 3.300 DM ----------- 1951 --------------- Gewinn rd. 6.700 DM ----------- 1952 --------------- Gewinn rd. 5.500 DM ----------- 1953 --------------- Gewinn rd. 14.600 DM ----------- 1954 --------------- Gewinn rd. 34.800 DM ----------- 1955 --------------- Gewinn rd. 43.600 DM ----------- 1956 --------------- Gewinn rd. 70.700 DM.Das Finanzamt erkannte in übereinstimmung mit dem Betriebsprüfer die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts für die Einkommensteuer an und veranlagte die Ehegatten für 1956 zur Einkommensteuer getrennt mit ihren Gewinnanteilen. Das Finanzamt bejahte auch die Gewerbesteuerpflicht der Gesellschaft, weil die Ehefrau, die nicht Architektin sei, im Architekturbüro ihres Ehemannes die Stellung einer Gesellschafterin habe. Es zog die Bfin. für 1956 zur Gewerbesteuer heran.
Das Finanzgericht wies die Sprungberufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei eine Personengesellschaft, an sich die Ausübung freiberuflicher Tätigkeit sei, ein Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), wenn berufsfremde Personen als Mitunternehmer beteiligt würden (Urteil des Bundesfinanzhofs I 84/55 U vom 14. Februar 1956, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 103, Slg. Bd. 62 S. 277). Auf Grund des Vertrags vom 18. Juni 1952 habe Frau H. die Stellung einer Mitunternehmerin. Die Tatsache, daß die beiden Gesellschafter Eheleute seien, spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Es sei entgegen der Behauptung der Bfin. nicht allgemein üblich, daß die Ehefrau eines freiberuflich Tätigen im Betrieb ihres Mannes voll mitarbeite. Entgegen der Auffassung der Bfin. sei die Ehefrau auch eine berufsfremde Person. Sie habe keine Vorbildung als Architektin und könne in den wenigen Jahren der Mitarbeit im Architekturbüro ihres Mannes auch keine vollwertigen Fachkenntnisse erworben haben. Die Eheleute hätten ein Gesellschaftsverhältnis wie zwischen Fremden begründet und vollzogen. Das ermögliche einerseits, für die Einkommensteuer eigene Einkünfte der Ehegatten mit ihren Gewinnanteilen anzunehmen, müßte aber auf der anderen Seite gewerbesteuerlich zur Annahme einer Mitunternehmerschaft führen. Wenn Eheleute wirtschaftlich ihre Verhältnisse wie zwischen Fremden regelten, müßten auch alle steuerlichen Folgerungen daraus gezogen werden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Gesellschaft führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das Finanzgericht geht davon aus, daß die zwischen den Ehegatten begründete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts auch steuerlich anerkannt werden müsse. Auf diese Frage kommt es für die Beurteilung des Streitfalles an. Denn wenn die Gesellschaft steuerlich nicht anerkannt wird und der Ehemann allein Träger des Betriebs ist, so sind seine Einkünfte freiberuflich (§ 18 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) und unterliegen nicht der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Die Frage, ob ein Gewerbebetrieb besteht, ist für die Gewerbesteuer selbständig zu prüfen. Die Tatsache, daß das Finanzgericht für die Einkommensteuer eine Ehegatten-Gesellschaft steuerlich anerkannt hat, ist für die Gewerbesteuer nicht bindend (Urteil des Senats I 139/54 S vom 22. November 1955, BStBl 1956 III S. 4, Slg. Bd. 62 S. 9).
Der Auffassung des Finanzgerichts, daß Gesellschaftsverhältnisse zwischen Ehegatten grundsätzlich für die Einkommensteuer zu beachten seien, ist zuzustimmen. An der früheren Rechtsprechung, die Gesellschaftsverhältnisse zwischen Ehegatten wegen der Einheit zusammen lebender Ehegatten und im Hinblick auf § 26 EStG a. F. in typisierender Betrachtung für die Einkommensteuer allgemein für unbeachtlich gehalten hat, wird nicht mehr festgehalten. Für die steuerliche Beurteilung von Gesellschaftsverhältnissen gelten sinngemäß die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 231/56 S vom 3. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 27, Slg. Bd. 66 S. 66) und I 105/57 U vom 10. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 70, Slg. Bd. 66 S. 178) betreffend Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten. Gesellschaftsverhältnisse zwischen Ehegatten sind steuerlich anzuerkennen, wenn sie ernsthaft vereinbart und durchgeführt worden sind; sie dürfen nicht nur für steuerliche Zwecke auf dem Papier stehen. Maßstab für die Ernsthaftigkeit ist, ob ein Gesellschaftsverhältnis gleichen Inhalts auch zwischen Fremden geschlossen werden könnte. Im Wirtschaftsleben werden Gesellschaften nur begründet, wenn alle Gesellschafter zur Erreichung des Gesellschaftszwecks beitragen können und tatsächlich beitragen. Der Beitrag der Gesellschafter kann in der Bereitstellung von Kapital, der überlassung wichtiger Wirtschaftsgüter, in Mitarbeit oder in mehreren Leistungen dieser Art gleichzeitig bestehen. Besteht der Beitrag nur in Mitarbeit, so muß die Arbeit für das Unternehmen von nicht untergeordneter Bedeutung sein. Personen, die im Unternehmen nur untergeordnete und mehr mechanische Arbeit leisten, pflegt man nicht als Gesellschafter aufzunehmen; sie werden auf Dienstvertrag angestellt. Die Gewinnteilung zwischen fremden Gesellschaftern geschieht in der Regel nicht nach Köpfen. Der Gewinnanteil jedes Gesellschafters wird üblicherweise nach seinen Leistungen für die Gesellschaft bemessen. Das muß auch für Ehegatten-Gesellschaften ebenso gelten, wie es in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 246/50 S vom 22. August 1951 (BStBl 1951 III S. 181, Slg. Bd. 55 S. 449) für Gesellschaftsverträge zwischen Eltern und Kindern ausgesprochen worden ist. Der Gewinn ist zwischen Ehegatten- Gesellschaftern also nicht immer im Verhältnis 50 : 50 zu teilen. Haben die Ehegatten eine solche Vereinbarung getroffen, so ist sie steuerlich nicht ohne weiteres maßgebend. Der Gewinn ist vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände im Wege der Schätzung so zu verteilen, wie er unter gleichen Verhältnissen im Wirtschaftsleben zwischen Fremden etwa geteilt würde.
Bei den nahen Familienbeziehungen zwischen Ehegatten und ihren meist gleichlaufenden Interessen gegenüber dem Steuerfiskus obliegt es den Beteiligten darzutun, daß eine Gesellschaft ernsthaft begründet und durchgeführt worden ist. Nicht jede Mitarbeit eines Ehegatten im Betrieb des anderen Ehegatten oder die überlassung von Wirtschaftsgütern für den Betrieb des anderen Ehegatten begründen ein steuerlich zu beachtendes Gesellschaftsverhältnis. Die Mitarbeit oder die überlassung der Wirtschaftsgüter können auch im Rahmen der Ehe geschehen. Behaupten die Ehegatten, daß zwischen ihnen ein Gesellschaftsvertrag bestehe, so haben sie das durch Anführung entsprechender Tatsachen darzulegen. Eine rückwirkende Vereinbarung eines Gesellschaftsverhältnisses ist steuerlich unbeachtlich.
Eine sogenannte faktische Innengesellschaft zwischen Ehegatten, wie sie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung II ZR 44/52 vom 20. Dezember 1952 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 8 S. 249, "Der Betrieb" 1953 S. 104) angenommen hat, kann für das Steuerrecht nicht anerkannt werden, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat. Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsfigur der faktischen Innengesellschaft entwickelt, um nach der Scheidung einer Ehe eine gerechte Vermögensteilung zwischen den Ehegatten zu ermöglichen, sofern ein Ehegatte im Betrieb des anderen Ehegatten über die übliche Mitarbeit des § 1356 Abs. 2 BGB hinaus mitgearbeitet und zu der Entstehung des bei der Scheidung vorhandenen Vermögens beigetragen hat. Die faktische Innengesellschaft ist aber keine echte Gesellschaft, die auch schon während bestehender Ehe Rechtsfolgen haben könnte. Sie ist eine Rechtskonstruktion, durch die der Bundesgerichtshof in einer dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland entsprechenden Weise die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten regeln wollte; sie hat in etwa die inzwischen als gesetzlichen ehelichen Güterstand festgelegte Zugewinngemeinschaft vorweggenommen.
Gesellschaftsverträge zwischen Ehegatten können wirtschaftlich den Charakter von güterrechtlichen Vereinbarungen haben. Zur Frage der einkommensteuerlichen Auswirkung des ehelichen Güterrechts nimmt der Senat nicht Stellung. Es spricht aber manches dafür, einer güterrechtlichen Vereinbarung zwischen Ehegatten, die in erster Linie im Familienrecht wurzelt, wenigstens insoweit auch für die Einkommensteuer Bedeutung beizumessen, als die Vereinbarung wirtschaftlich den Zustand eines Gesellschaftsverhältnisses schafft, wie es auch zwischen Fremden begründet werden könnte.
Ob im Einzelfall nach den vorstehenden rechtlichen Gesichtspunkten ein Gesellschaftsvertrag zwischen Ehegatten ernsthaft begründet und durchgeführt wurde, ist im wesentlichen eine Frage der tatsächlichen Feststellung. Das Finanzgericht hat auf Grund des Vertrages vom 18. Juni 1952 die Mitunternehmerschaft beider Ehegatten bejaht. Wenn auch der Vertrag vor der Ehe geschlossen ist, so hat doch wahrscheinlich die beabsichtigte Ehe den Anlaß zu dem Vertrag gegeben. Bei freien Berufen, die eine abgeschlossene Vorbildung erfordern, wird im allgemeinen der Ehegatte, der die Berufsvoraussetzungen nicht erfüllt, nicht mit dem anderen Ehegatten ein ernsthaftes Gesellschaftsverhältnis eingehen können, wenn seine gesellschaftliche Leistung nur in der Mitarbeit bestehen soll. Denn derartige Freiberufler schließen auch mit fremden Mitarbeitern gewöhnlich keinen Gesellschaftsvertrag; vielfach ist es ihnen durch ihre Berufsordnung sogar untersagt. Bei freien Berufen, bei denen dagegen eine allgemein festgelegte Berufsvorbildung nicht verlangt wird, wie z. B. bei Architekten, können die Verhältnisse anders liegen. Hier sind Gesellschaftsverhältnisse mit anderen Personen eher möglich. Es ist aber doch im allgemeinen nicht üblich, daß ein Architekt mit einer Bürokraft eine Gesellschaft eingeht und sie mit 50 v. H. am Gewinn beteiligt. Es müssen, wenn ein Gesellschaftsverhältnis solchen Inhalts angenommen werden soll, besondere Umstände festgestellt werden. Das Betriebsvermögen und die Einlagen der Ehefrau waren im Streitfall nicht erheblich. Auf der anderen Seite sind die Gewinne nach Gründung der Gesellschaft stark gestiegen. Möglicherweise hat die Mitarbeit der Ehefrau daran entscheidenden Anteil gehabt. Worin ihre Mitarbeit im einzelnen bestanden hat, lassen die Akten nicht erkennen; vor allem nicht, inwieweit sie durch inzwischen erworbene Fachkenntnisse den Ehemann auch bei seinen Arbeiten als Architekt unterstützen konnte und unterstützt hat.
Die Vorentscheidung wird wegen mangelnder Sachaufklärung aufgehoben. Das Finanzgericht hat zu der Frage, ob nach den dargestellten rechtlichen Gesichtspunkten ein ernsthaftes Gesellschaftsverhältnis zwischen den Ehegatten steuerlich anerkannt werden kann, nochmals Stellung zu nehmen.
Bejaht das Finanzgericht diese Frage wiederum, so steht der Gewerbesteuerpflicht der beschwerdeführenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht entgegen, daß es sich um eine Ehegatten- Gesellschaft handelt. Die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 84/55 U vom 14. Februar 1956 (BStBl 1956 III S. 103, Slg. Bd. 62 S. 277) gelten grundsätzlich auch für Ehegatten- Gesellschaften. Der Auffassung des Finanzgerichts, daß Ehegatten, die für die einkommensteuerliche Anerkennung einer Gesellschaft kämpfen, auch die gewerbesteuerlichen Folgen tragen müssen, ist zuzustimmen.
Fundstellen
Haufe-Index 424172 |
BStBl III 1958, 445 |
BFHE 1959, 450 |
BFHE 67, 450 |