Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Viermonatsfrist für die Zuerkennung der Kinderermäßigung muß bei dem einzelnen Kind erfüllt sein; die Zusammenrechnung der Lebensdauer mehrerer Kinder ist nicht angängig.
Aufwendungen für den Unterhalt von Kindern, die im Veranlagungszeitraum weniger als vier Monate gelebt haben, können auf Antrag nach § 33 EStG 1953 als außergewöhnliche Belastung angemessen berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Ziff. 2, § 33
Tatbestand
Der Bf. hatte zu Beginn des Jahres 1954 drei Kinder, Robert, geboren 1947, Rudolf, geboren 1949, und Ingrid, geboren 1951. Am 13. März 1954 starb der Sohn Robert. Am 25. Oktober 1954 wurde eine Tochter, Elisabeth, geboren. Der Bf. beantragte bei der Einkommensteuerveranlagung 1954 Kinderermäßigung für drei Kinder. Er habe im Jahre 1954 die wirtschaftliche Belastung für ein drittes Kind, wenn auch nicht das gleiche, über vier Monate tragen müssen. Die Belastung sei höher gewesen, als wenn ein Kind vier Monate gelebt hätte. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und stufte den Bf. in die Steuerklasse III/2 ein. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953 müßten bei dem einzelnen Kinde vorliegen. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, zur Erreichung der Viermonatsfrist des § 32 Abs. 4 Ziff. 2 EStG könnten nicht verschiedene Kinder als ein Kind behandelt werden. Zu einer abweichenden Auslegung nach § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) sei um so weniger Veranlassung, als die Tarifvergünstigung des § 32 Abs. 4 Ziff. 2 EStG bei Kindern bis zu 18 Jahren nicht an den Tatbestand einer wirtschaftlichen Belastung (Haushaltszugehörigkeit oder Unterhaltsgewährung), sondern lediglich daran anknüpfe, daß das Kind im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate gelebt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 Ziff. 2 EStG 1953 steht einem Steuerpflichtigen Kinderermäßigung für Kinder zu, die im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Wie der Bundesfinanzhof im Urteil IV 136/51 U vom 2. Mai 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 127, Slg. Bd. 55 S. 332) dargelegt hat, steht einem Steuerpflichtigen die Kinderermäßigung nur für Kinder zu, die im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate gelebt haben, und zwar auch im Falle der Geburt oder des Todes eines Kindes. Es ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung, daß die Voraussetzungen bei jedem einzelnen Kinde für sich bestehen müssen, da sich die geforderte Lebensdauer von mindestens vier Monaten logisch nur auf einen Menschen beziehen kann. Die Satzbildung in § 32 Abs. 4 EStG "für Kinder" ist als verkürzte Ausdrucksform in der Mehrzahl an Stelle "für jedes einzelne Kind" anzusehen. Abschn. 144 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1953 enthält ebenfalls keinen Hinweis für die vom Bf. vertretene Auslegung, die Lebensdauer mehrerer Kinder zur Ausfüllung der Viermonatsfrist des § 32 Abs. 4 EStG zusammenzurechnen. Im Gegenteil weisen die dortigen Beispiele jeweils eindeutig auf ein einzelnes Kind hin und vermeiden die Ausdrucksform "für Kinder".
Die Ausführungen des Bf., die darauf abzielen, unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 2 StAnpG die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Zusammenrechnung der Lebensdauer mehrerer Kinder darzutun, können aus den vom Finanzgericht angegebenen Gründen nicht berücksichtigt werden. Das Begehren des Bf. auf Zuerkennung der Steuerklasse III/3 ist somit unbegründet.
Es kann jedoch für Kinder, die im Veranlagungszeitraum weniger als vier Monate gelebt haben, auf Antrag eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG in angemessener Höhe gewährt werden. Es bleibt dem Bf. vorbehalten, nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Finanzamt unverzüglich einen solchen Antrag wegen Unterhalts der beiden Kinder zu stellen. Davon unabhängig sind die durch den Tod des einen und durch die Geburt des anderen Kindes entstandenen besonderen Aufwendungen bereits vom Finanzamt nach § 33 EStG berücksichtigt worden.
Da der Bf. auf Grund des nichtigen § 26 EStG 1953 mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt worden ist, müssen die Vorentscheidungen aufgehoben werden. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das nunmehr gemäß §§ 26 ff. des Gesetzes zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (Bundesgesetzblatt 1957 I S. 848) unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen die Veranlagung durchzuführen hat (vgl. Urteil des Senats VI 33/56 U vom 31. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 433, Slg. Bd. 65 S. 520).
Fundstellen
Haufe-Index 409193 |
BStBl III 1958, 466 |
BFHE 1959, 503 |
BFHE 67, 503 |