Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt einer Grundstücksschenkung; Gegenstand der Schenkung bei anschließendem Weiterverkauf
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Grundstücksschenkung ist ausgeführt, wenn Schenker und Beschenkter in gehöriger Form über den Eigentumsübergang einig sind und der Schenker die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat. Es ist ―was der BFH bisher offengelassen hat― nicht erforderlich, daß der Beschenkte den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung beim Grundbuchamt gestellt hat.
2. Der Annahme einer Grundstücksschenkung steht es grundsätzlich nicht entgegen, daß der Beschenkte das Grundstück unmittelbar nach der Schenkung veräußert. War der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker rechtlich verpflichtet, das Grundstück an einen bestimmten Dritten zu veräußern oder konnte er sich der Veräußerung infolge einer tatsächlichen Zwangssituation nicht entziehen, so kann dies die Würdigung der Schenkungsabrede dahingehend rechtfertigen, daß nicht das Grundstück, sondern der durch den Verkauf erzielte Erlös geschenkt sein sollte.
Orientierungssatz
Für eine ordnungsgemäße Rüge mangelnder Sachaufklärung genügt es nicht auszuführen, daß das FG Feststellungen in einer bestimmten Richtung nicht getroffen habe, ohne die Beweise und Beweismittel anzugeben, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich aber dem FG hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschluß vom 24.5.1977 IV R 45/76).
Normenkette
ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Abs. 2; BGB § 516 Abs. 1, §§ 525, 873 Abs. 1, § 925 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 42 S. 1; GBO § 17; FGO § 76; GBO § 19; FGO § 120 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 30.06.1988; Aktenzeichen III 2447/86 Erb) |
Tatbestand
I. Durch notariell beurkundeten "Übertragungsvertrag" vom 10.September 1981 wurde dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) von seinem Vater das Eigentum an einem näher bezeichneten Grundstück "im Wege der Schenkung" frei von Lasten übertragen. Das Grundstück wurde unter Übergang aller Nutzungen und Lasten auf den Kläger am selben Tag übergeben. In § 4 des Vertrages wurde das Grundstück dem Kläger aufgelassen und dessen Eintragung in das Grundbuch bewilligt.
Mit weiterem notariell beurkundeten Vertrag vom 14.September 1981 verkaufte der Kläger das Grundstück an die Stadt A; als Kaufpreis waren … DM vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt war die Umschreibung des Eigentums auf den Kläger im Grundbuch noch nicht erfolgt. Die Verkaufsverhandlungen mit der Stadt hatte noch vor Abschluß des Übertragungsvertrages der Vater des Klägers geführt. Nach dem Bebauungsplan sollte das Grundstück für Freizeitanlagen genutzt werden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) nahm an, daß durch die Verträge vom 10. und 14.September 1981 eine mittelbare Geldschenkung beabsichtigt gewesen sei und legte dem Schenkungsteuerbescheid vom 30.Oktober 1985 als steuerpflichtigen Erwerb die Kaufpreisforderung in Höhe von … DM zugrunde.
Auf die Klage beurteilte das Finanzgericht (FG) die Schenkung als Grundstücksschenkung und setzte die Schenkungsteuer entsprechend der Bewertung nach § 12 Abs.2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 von 43 992 DM auf 13 566 DM herab; die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 26 veröffentlicht.
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet. Zu Recht hat das FG entschieden, daß dem Kläger das Grundstück und nicht der Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks unentgeltlich zugewendet worden ist.
1. Seit dem Urteil vom 14.März 1979 II R 67/76 (BFHE 127, 437, BStBl II 1979, 642) hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß ein Schenkungsversprechen über ein Grundstück ausgeführt sei, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte auf Grund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken (Urteile vom 14.Juli 1982 II R 16/81, BFHE 136, 501, BStBl II 1983, 19 zu 1. der Gründe; vom 18.Mai 1988 II R 163/85, BFHE 153, 231, BStBl II 1988, 741 zu 3. der Gründe, und vom 6.März 1990 II R 63/87, BFHE 159, 555, BStBl II 1990, 504 zu 2. d der Gründe). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. In § 4 des notariell beurkundeten Übertragungsvertrages ist von den Vertragsparteien die Auflassung erklärt und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch von dem Berechtigten, nämlich dem Schenker, bewilligt worden.
a) Der Annahme, daß hiernach die Schenkung als Grundstücksschenkung vollzogen ist, stünde ―das FG hat insoweit keine Feststellungen getroffen― nicht entgegen, wenn der Kläger als Beschenkter vor der Veräußerung des Grundstücks an die Stadt beim Grundbuchamt (noch) keinen Antrag auf Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch gestellt hätte; einer Zurückverweisung an das FG bedarf es daher nicht. Allerdings hat es der Senat in den Entscheidungen in BFHE 136, 501, BStBl II 1983, 19, BFHE 153, 231, BStBl II 1988, 741, und BFHE 159, 555, BStBl II 1990, 504 jeweils offengelassen, ob die Auflassung erst dann als Ausführung der Schenkung anzusehen sei, wenn durch Stellung des Grundbuchantrages seitens des Beschenkten die schützenden Wirkungen des § 17 der Grundbuchordnung (GBO) eingetreten sind. Dieses Erfordernis braucht jedoch zur Auflassung und Eintragungsbewilligung nicht hinzuzutreten, damit eine Schenkung als Grundstücksschenkung i.S. des § 9 Abs.1 Nr.2 ErbStG 1974 ausgeführt ist.
Der Gegenstand einer Schenkung richtet sich danach, was nach der Schenkungsabrede geschenkt sein sollte und worüber der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker tatsächlich und rechtlich verfügen kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 28.November 1984 II R 133/83, BFHE 142, 511, BStBl II 1985, 159 zu 2. der Gründe; vom 13.September 1989 II R 67/86, BFHE 157, 572, BStBl II 1989, 1034, und vom 6.März 1985 II R 19/84, BFHE 143, 291, BStBl II 1985, 382). Das ist bei dem im Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalt das Grundstück, denn die für den Vollzug des Schenkungsversprechens erforderliche Vermögensverschiebung ist mit Abschluß des notariell beurkundeten Vertrages vom 10.September 1981 eingetreten. Mit der Auflassung an den Beschenkten (§ 925 Abs.1 Satz 1, § 873 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―) und deren Eintragungsbewilligung in das Grundbuch (§ 19 GBO) hat der Schenker alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan. Der Beschenkte kann seinerseits jederzeit die Eintragung im Grundbuch als Eigentümer beantragen und damit den Eintritt der ―dinglichen― Rechtsänderung herbeiführen. Darüber hinaus kann er bereits vorher über die durch die Rechtsgeschäfte für ihn begründeten Rechte verfügen, insbesondere kann er an einen Dritten weiter auflassen, denn in der Auflassung liegt regelmäßig die Einwilligung des Veräußerers (Schenkers) zur Weiterverfügung durch den Erwerber (RGZ 135, 378, 382 f.; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 6.August 1987 - BReg.2 Z 124/86, Deutsche Notar-Zeitschrift ―DNotZ― 1988, 117, 118; Stürner/Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 12.Aufl. 1989, § 925 Rz.29).
b) Schenkungsteuerrechtlich ohne Belang ist es, ob die so erlangte Rechtsposition deshalb nicht von sicherem Bestand ist, weil es dem Schenker möglich wäre, den Eigentumsübergang auf den Beschenkten dadurch zu vereiteln, daß er das Grundstück anderweit veräußert, da durch die Auflassung keine Verfügungsbeschränkung des Auflassenden eintritt. Wie der Senat im Urteil in BFHE 157, 572, BStBl II 1989, 1034 unter Einschränkung der Rechtsausführungen in BFHE 142, 511, BStBl II 1985, 159 entschieden hat, steht der Umstand, daß sich der Schenker den jederzeitigen Widerruf vorbehalten hat, der Schenkungsteuerpflicht nicht entgegen. Um so weniger steht es der Entstehung von Schenkungsteuer nach § 7 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 9 Abs.1 Nr.2 ErbStG 1974 entgegen, wenn dem Schenker ―abgesehen von den Fällen der §§ 528, 530 BGB― ein solches Widerrufsrecht nicht eingeräumt ist und die Rechtsposition des Beschenkten durch den Schenker lediglich auf Grund abredewidriger Verfügungen beeinträchtigt werden könnte.
2. An diesem Ergebnis und der daraus folgenden Bewertung des Erwerbs des Klägers gemäß § 12 Abs.2 ErbStG 1974 auf der Grundlage des Einheitswertes ändert im Streitfall nichts, daß der Kläger bereits vier Tage nach Abschluß des Übertragungsvertrages das Grundstück an die Stadt A verkauft und die Auflassung erklärt hat.
a) Insbesondere ist die dem Streitfall zugrunde liegende Rechtsgestaltung nicht deshalb als Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 Satz 1 der Abgabenordnung ―AO 1977―) zu beurteilen, weil zwischen der Bewertung nach § 12 Abs.2 ErbStG 1974 und der nach § 12 Abs.1 ErbStG 1974 eine erhebliche Diskrepanz besteht; der Senat bleibt bei der im Urteil vom 17.April 1974 II R 4/67 (BFHE 112, 414, BStBl II 1974, 521) vertretenen Rechtsauffassung (vgl. auch BFH-Urteil vom 3.August 1988 II R 39/86, BFHE 154, 383, BStBl II 1988, 1025 zu 2. der Gründe).
b) Der vom FG festgestellte Sachverhalt ergibt auch, entgegen dem Revisionsvorbringen des FA, keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger hinsichtlich der ihm durch den Übertragungsvertrag vom 10.September 1981 eingeräumten Rechte derart gebunden gewesen sei, daß er den Abschluß des Grundstückskaufvertrages mit der Stadt A zu den dort niedergelegten Bedingungen nicht hätte vermeiden können. Eine derartige Sachverhaltsgestaltung könnte allerdings die Würdigung der Schenkungsabrede dahingehend rechtfertigen, daß nicht das Grundstück, sondern der durch den Verkauf zu erzielende Erlös geschenkt sein sollte. Zu Recht hat das FG jedoch ausgeführt, daß es hierfür nicht schon genügt, wenn der Kläger im Hinblick auf die familiären Beziehungen zwischen ihm und dem Schenker und den von diesem geführten Verkaufsverhandlungen hinsichtlich seiner Verfügungsbefugnis einem gewissen Druck unterworfen gewesen sei. Hieraus ergibt sich weder eine rechtliche Verfügungsbeschränkung des Klägers noch steht die Schenkung unter einer Auflage (§ 525 BGB; vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 5.Februar 1986 II R 188/83, BFHE 146, 164, BStBl II 1986, 460), noch kann dem entnommen werden, daß sich der Kläger in einer tatsächlichen Zwangssituation befunden habe, die im Verhältnis zum Schenker eine ―rechtlich mögliche― Verfügung über die ihm eingeräumten Rechte ausgeschlossen hätte. Die hierauf gerichtete Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) des FA kann nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht den Anforderungen an die Rüge eines Verfahrensverstoßes entspricht (§ 120 Abs.2 FGO); insbesondere genügt es nicht auszuführen, daß das FG Feststellungen in einer bestimmten Richtung nicht getroffen habe, ohne die Beweise und Beweismittel anzugeben, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich aber dem FG hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluß vom 24.Mai 1977 IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694).
c) Entgegen der vom FA unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 6.März 1985 II R 114/82 (BFHE 143, 287, BStBl II 1985, 380) vertretenen Ansicht sind die Verträge vom 10. und 14.September 1981 nicht derart miteinander verknüpft, daß sie sich als einheitliches Vertragswerk erwiesen, mit welchem der Vater des Klägers diesem die Kaufpreisforderung gegen die Stadt A hätte zuwenden wollen. Anders als nach dem dem genannten Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt ist im Streitfall der Wille des Schenkers, dem Beschenkten (dem Kläger) das Grundstück zu schenken, wie unter 1. dargelegt, ausgeführt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 63344 |
BFH/NV 1991, 26 |
BStBl II 1991, 320 |
BFHE 163, 215 |
BFHE 1991, 214 |
BB 1991, 751 |
BB 1991, 751-753 (LT1-2) |
DB 1991, 789-790 (LT1-2) |
DStR 1991, 382 (KT) |
HFR 1991, 353 (LT) |
StE 1991, 105 (K) |