Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung von Ansprüchen auf Kürzung der Umsatzsteuer durch einen Rechtsnachfolger
Leitsatz (NV)
1. Ansprüche auf Kürzung der Umsatzsteuer können nicht rechtsgeschäftlich abgetreten werden.
2. Die Entscheidung über Kürzungsansprüche nach VwV zu § 26 Abs. 4 UStG 1967/1973 kann nur nach §§ 130, 131 AO 1977 geändert werden.
3. Eine Gesamtrechtsnachfolge findet nicht statt, wenn das zunächst von einer Erbengemeinschaft betriebene Unternehmen als KG fortgeführt wird.
Normenkette
UStG 1967/1973 § 2 Abs. 1; UStG 1967/1973 § 26 Abs. 4; AO 1977 §§ 130-131; FGO § 40 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die im Rubrum als Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezeichnete GmbH & Co. KG setzt das von dem am 8. Juni 1978 verstorbenen Einzelunternehmer . . . (Erblasser - E -) unter der Fa. . . . betriebene Unternehmen fort. E hatte in den Streitjahren (1975 bis 1978) Schwer- und Spezialtransporte durch das Gebiet der damaligen DDR ausgeführt. Soweit dabei Güter befördert wurden, welche die zulässigen Maße und Gewichte überschritten, bedurfte E (für jeden einzelnen Transport) einer vom Ministerrat der DDR erteilten gebührenpflichtigen Erlaubnis. Die entsprechenden Anträge wurden von der . . . , mit Sitz in Berlin (Ost) - im folgenden X -, bearbeitet. E ließ die jeweilige Erlaubnis in Berlin (Ost) durch einen Angestellten abholen und die von X berechneten Gebühren für die Erlaubniserteilung, für Nebenleistungen und für die Vermittlung der Erlaubniserteilung bar in DM-West entrichten.
In den Umsatzsteuererklärungen für 1975 bis 1977 beantragte E die Berücksichtigung von Kürzungsbeträgen von 5,5 v. H. (für 1975 und 1977) und 5 v. H. (für 1976) von einer nicht näher erläuterten Bemessungsgrundlage gemäß ,,BdF-Erlaß vom 5. 1. 1968, BStBl I 1968 S. 185". In der Steuererklärung für 1978 ist ein vergleichbares Kürzungsbegehren nicht kenntlich gemacht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die Kürzungen in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheiden für 1975 bis 1977 zu. Nach einer Betriebsprüfung änderte das FA die Umsatzsteuerbescheide 1975 bis 1977 durch Änderungsbescheide gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) vom 18. Februar 1981 und versagte die gewährten Kürzungsansprüche. Maßgebend dafür war die Ansicht, daß es sich um Gebühren handele, denen kein Kürzungstatbestand zugrunde liege, und daß E keine Kürzung wegen von X bezogener Beförderungsleistungen oder wegen einer Besorgung der Beförderung beanspruchen könne. Den Umsatzsteuerbescheid für 1978 änderte das FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 und verminderte die Steuer um einen Betrag, den die Rechtsnachfolger des E (offenbar zusammen mit den Vorsteuern) als Kürzungsanspruch abgesetzt hatten. Die Umsatzsteueränderungsbescheide 1975 bis 1978 sind an ,,die Erben" des E adressiert.
Die gegen die geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen (für die ,,Fa. . . . Spedition") eingelegten Einsprüche wies das FA (gegenüber der ,,Fa. . . . Spedition") zurück. Im Einspruchsverfahren (erstmals) geltend gemachte Kürzungsansprüche in Höhe von 11 v. H. des Entgelts gemäß Tz. 13 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VwV) über die umsatzsteuerliche Behandlung des innerdeutschen Waren- und Dienstleistungsverkehrs zwischen den Währungsgebieten der Deutschen Mark und der Mark der DDR (VwV zu § 26 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1967) vom 16. Mai 1973 (BStBl I 1973, 532) verweigerte das FA mit der Begründung, Aufwendungen für von X an E ausgeführte Dienstleistungen seien nicht begünstigt, weil die Bezahlung der durch X erbrachten Leistungen nicht entsprechend den Bestimmungen des Berliner Abkommens (unbar) erfolgt sei.
Die den Streitfall betreffende, während des finanzgerichtlichen Verfahrens von der Oberfinanzdirektion - OFD - (gegenüber den ,,Erben nach" E) erlassene Beschwerdeentscheidung vom 21. August 1985 hat die Klägerin zum Gegenstand ihres Klageverfahrens gemacht. Ihre Klage blieb erfolglos, mit der sie Minderung der Umsatzsteuer für 1975 bis 1978 durch Berücksichtigung von Kürzungsansprüchen in Höhe von 11 v. H. des an X für die Vermittlung der Schwertransportgenehmigungen gezahlten Entgelts begehrte.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung der (gegen die Fa. . . . KG gerichteten) Klageabweisung aus, Kürzungsansprüche aufgrund der VwV zu § 26 Abs. 4 UStG 1967 setzten nach dem Berliner Abkommen vom 19. Januar 1979 voraus, daß die Zahlungen zwischen den Währungsgebieten ausschließlich im Verrechnungswege abgewickelt würden. Dies sei hier nicht der Fall.
Mit der (vom FG zugelassenen) Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG, so führt sie aus, habe §§ 130, 131 AO 1977 verletzt, weil es nicht geprüft habe, ob die Voraussetzungen der bezeichneten Vorschriften für die Rückgängigmachung der gewährten Kürzungsansprüche erfüllt seien. Dazu habe das FG keine Tatsachen festgestellt und mithin es verfahrensfehlerhaft unterlassen, den Sachverhalt aufzuklären.
Das FG habe ferner verkannt, daß die begehrten Kürzungsansprüche für die vor Inkrafttreten des vom FG herangezogenen Berliner Abkommens von 1979 nicht von einer unbaren Zahlung gemäß den Vorschriften des Berliner Abkommens abhängig seien. Schließlich sei die Kürzung der Umsatzsteuer gemäß § 163 AO 1977 und aufgrund des i. S. v. § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geschaffenen Vertrauens zu gewähren, weil das Entgelt nur habe bar entrichtet werden können.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das angefochtene Urteil ermöglicht dem Senat nicht die Entscheidung, ob die Klägerin klagebefugt war (§ 40 Abs. 2 FGO).
1. Nach § 40 Abs. 2 FGO ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung eines Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt worden zu sein. Ob gerade die Klägerin geltend machen konnte, durch die Ablehnung der Anträge auf Kürzung der Umsatzsteuer nach Maßgabe der VwV zu § 26 Abs. 4 UStG 1967 in ihren Rechten auf gesetzmäßige Besteuerung verletzt worden zu sein, hat das FG nicht näher geprüft. Es hat keine Feststellungen getroffen, die dem Revisionsgericht eine Beurteilung der Klagebefugnis der Klägerin ermöglichen.
Inhaber etwaiger Ansprüche auf Kürzung der Umsatzsteuer nach Maßgabe der VwV zu § 26 Abs. 4 UStG 1967 war ursprünglich E. Nach seinem Tode standen diese vermutlich seinen in Erbengemeinschaft verbundenen Erben zu. Dem entspricht es, daß die Ablehnungsentscheidungen in den Umsatzsteueränderungsbescheiden 1975 bis 1978 vom 18. Februar 1981 (für 1975 bis 1977) und vom 4. März 1981 (für 1978) sowie die entsprechende Beschwerdeentscheidung der OFD vom 21. August 1985 ,,an die Erben" gerichtet worden sind.
Die Klage ist dagegen von der Klägerin - einer KG, später GmbH & Co. KG - erhoben worden. Hierin könnte eine unschädliche bloße Fehlbezeichnung der eigentlichen Klägerin (Erbengemeinschaft) liegen, wenn nämlich in der Erbengemeinschaft nach E sowie in der KG dieselben Personen verbunden wären und wenn der Geschäftsführer der KG bevollmächtigt war, die Miterben als solche zu vertreten.
Sollte dies nicht der Fall sein, könnte die klagende KG nur dann schlüssig geltend machen (§ 40 Abs. 2 FGO), die Ablehnungsentscheidungen verletzten ihre Rechte auf Berücksichtigung der Kürzungsansprüche, wenn sie Inhaberin dieser Ansprüche geworden wäre. Eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Kürzungsansprüche scheidet hierfür aus, weil diese Ansprüche rechtlich als nicht selbständig abtretbare Besteuerungsgrundlagen zu beurteilen sind (vgl. zur Rechtsnatur der Kürzungsansprüche Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juni 1988 X R 59/82, BFH/NV 1989, 184; vom 19. Juli 1984 V R 84/80, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1984, 284) und weil über die entsprechende steuerrechtliche Rechtsstellung nicht verfügt werden darf (vgl. BFH-Urteil vom 9. April 1986 I R 62/81, BFHE 146, 344, BStBl II 1986, 562 unter IV 2, mit weiteren Nachweisen zum Steuerfestsetzungsverfahren; BFH-Urteil vom 11. April 1991 V R 86/85, BFHE 164, 219, BStBl II 1991, 729), insbesondere nicht in der Weise, daß sie privatrechtlich übertragen werden dürften, so daß der Abtretungsempfänger Rechte im eigenen Namen geltend machen könnte (vgl. zur Unzulässigkeit der gewillkürten Prozeßstandschaft BFH-Beschluß vom 31. März 1981 VIII B 53/80, BFHE 133, 331, BStBl II 1981, 696 unter 4 b).
Sollte keine unschädliche Fehlbezeichnung vorliegen (siehe oben), sondern die Klägerin als KG den Prozeß führen, kann sie Ansprüche auf Festsetzung der streitbefangenen Kürzungsansprüche nicht als Gesamtrechtsnachfolgerin der Erbengemeinschaft und damit letztlich des Erblassers geltend machen. Gesamtrechtsnachfolge tritt in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen ein. Dies ist bei Fortführung eines Handelsgewerbes eines Einzelkaufmanns durch die Gemeinschaft seiner Erben (§§ 1922, 2032 BGB, § 27 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -) der Fall (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 8. Oktober 1984 II ZR 223/83, BGHZ 92, 259, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 136). Ob die ,,Umwandlung" einer Erbengemeinschaft in eine Handelsgesellschaft mit Gesamtrechtsnachfolge möglich ist, ist zweifelhaft (vgl. Karsten Schmidt, NJW 1985, 2785, 2786, m. w. N.). Anders als z. B. im Fall des Übergangs des Vermögens der untergehenden Handelsgesellschaft auf den übernehmenden Alleingesellschafter (vgl. dazu BFH-Urteil vom 17. Juli 1986 V R 37/77, BFH/NV 1987, 111), bleibt die Erbengemeinschaft grundsätzlich bestehen, wenn sie das Handelsgewerbe auf eine KG überträgt. Die KG ist bei rechtsgeschäftlichem Erwerb der mit dem Handelsgewerbe verbundenen Vermögensgegenstände nicht gegen Entscheidungen klagebefugt, die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis oder selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlagen betreffen. Das Revisionsgericht darf diese die Sachurteilsvoraussetzungen beeinflussenden Vorgänge von Amts wegen aufgreifen. Der erkennende Senat hält es allerdings für angemessen, dem FG die Aufklärung der zur Beurteilung erforderlichen Tatsachen zu überlassen.
2. Bei der erneuten Entscheidung wird das FG u. U. auch zu prüfen haben, ob die durch die angefochtene Entscheidung betroffenen Personen trotz der fehlenden namentlichen Bezeichnung der Erben hinreichend genau bestimmt worden sind (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 17. November 1987 V B 111/87, BFH/NV 1988, 682, 683) sowie ob die Finanzbehörden über die Ablehnung der begehrten Kürzungsansprüche von 11 v. H. nach Tz. 13 der VwV zu § 26 Abs. 4 UStG 1967 und von 5 v. H. nach Tz. 16 der VwV zu § 26 Abs. 4 UStG 1967 hinaus auch eine Entscheidung über die Rücknahme oder den Widerruf der bereits gewährten Kürzungsansprüche (§§ 130, 131 AO 1977) getroffen haben und ob eine Beschwerdeentscheidung insoweit noch aussteht.
Fundstellen