Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung des Inventars eines Pachtbetriebes als (Teil-)Betriebsveräußerung (-aufgabe); Änderung eines Steuerbescheids wegen falscher Aufteilung des Wirtschaftsjahres
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Veräußerung des Inventars eines Pachtbetriebs an den neuen Pächter kann es sich um die Veräußerung oder Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebs oder Teilbetriebs handeln.
2. Zur Änderung nach § 174 Abs.4 AO 1977, wenn ein laufender Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft zunächst in vollem Umfang in dem Veranlagungszeitraum erfaßt wurde, in dem das Wirtschaftsjahr begonnen hat, und der Steuerbescheid auf den Einspruch des Steuerpflichtigen geändert wird.
Orientierungssatz
1. § 174 Abs. 4 AO 1977 verlangt nur, daß aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen ein bereits ergangener Steuerbescheid aufgehoben oder geändert wird und daß dabei eine irrige Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts richtiggestellt wird. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 bleibt auch dann anwendbar, wenn der Saldo zwischen den Auswirkungen der Änderung zugunsten und der Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen zu einer Steuermehrbelastung führt (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 9.8.1979 V 85/77; Literatur).
2. Ein landwirtschaftlicher Teilbetrieb ist ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil eines Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist. Lebensfähig ist ein Teil des Gesamtunternehmens, wenn von ihm aus seiner Natur nach eine eigenständige betriebliche Tätigkeit ausgeübt werden kann; für die Beurteilung, ob dies der Fall ist, kommt es entscheidend auf die Verhältnisse beim Betriebsinhaber vor der Betriebsaufgabe an (vgl. BFH-Rechtsprechung). Im Streitfall war die Aufgabe eines Pachtbetriebes als Teilbetriebsaufgabe zu behandeln, weil für den Pachtbetrieb eigene Ländereien und eine eigene Hofstelle, von der aus der Betrieb bewirtschaftet wurde, vorhanden war, der Betrieb von einem eigenständig wirtschaftenden Verwalter geleitet wurde und auch die weiteren erforderlichen und nur im Pachtbetrieb tätigen Arbeitnehmer zur Verfügung standen, das für die Bewirtschaftung erforderliche lebende und tote Inventar vorhanden war, eigene Konten bei der Molkerei und der Zuckerfabrik geführt wurden und auch sonst weitgehend ein eigener Kundenkreis vorhanden war. Bei dieser Sachlage war dem Umstand, daß Getreide über den dem Kläger gehörenden Hof verkauft wurde und keine eigene Buchführung und Gewinnermittlung vorhanden war, keine entscheidende Bedeutung beizumessen.
3. In Pachtfällen, in denen der (landwirtschaftliche) Pachtbetrieb ein Teilbetrieb im Rahmen des Gesamtbetriebs ist, liegt eine Teilbetriebsveräußerung vor, wenn der Pächter dem Nachfolger im Betrieb das gesamte wesentliche Inventar veräußert und gleichzeitig der Nachfolger in den Pachtvertrag eintritt.
4. Gewinne aus der Aufgabe eines Teilbetriebs sind in gleicher Weise begünstigt wie solche aus der Veräußerung eines Teilbetriebs. Eine Teilbetriebsaufgabe liegt vor, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Teilbetriebs in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang (hier in einem Zeitraum von neun Monaten) entweder insgesamt entnommen oder an verschiedene Erwerber veräußert oder insgesamt teils entnommen und teils veräußert werden (vgl. BFH-Rechtsprechung). Eine begünstigte Teilbetriebsaufgabe liegt dagegen nicht vor, wenn Wirtschaftsgüter, die zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, nicht veräußert oder entnommen, sondern zu Buchwerten in einen anderen Betrieb oder Teilbetrieb des Steuerpflichtigen überführt werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG §§ 4 a, 14, 34 Abs. 1-2; AO 1977 § 174 Abs. 4; AO § 146a Abs. 3; EStG § 16
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bewirtschaftete bis Ende September 1973 neben dem ihm gehörenden Betrieb in A noch einen gepachteten Betrieb im 11 km entfernten O mit einer Nutzfläche von etwa 77 ha. In O wurde Milchvieh gehalten und wurden Getreide und Rüben angebaut. Beschäftigt wurden ein selbständig wirtschaftender Verwalter, ein Melkermeister und mehrere Arbeiter, die in O wohnten und ausschließlich im dortigen Pachtbetrieb tätig waren. Für den Pachtbetrieb wurden bei der Molkerei und der Zuckerfabrik eigene Konten geführt. Der Kläger hatte für die Erzeugnisse des Pachtbetriebs auch weitgehend einen eigenen Kundenkreis. Die vorhandenen Maschinen und sonstiges totes Inventar reichten für die Bewirtschaftung des Pachtbetriebs aus. Zum 30.September 1973 gab der Kläger den Pachtbetrieb auf. Maschinen und Vorräte wurden an den neuen Pächter (W) veräußert. Das lebende Inventar, das vom Pächter wegen Übergangs zur viehlosen Bewirtschaftung nicht übernommen wurde, wurde nach A überführt und von dort aus nach und nach zum Schlachten verkauft; am 30.Juni 1974 war der Viehbestand aus O restlos veräußert. Die in O bewirtschafteten Ackerflächen erntete 1973 noch der Kläger ab. Den Gewinn daraus erfaßte der Kläger beim laufenden Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1973/74; die Aufgabe des Pachtbetriebs behandelte er im übrigen als Betriebsaufgabe. Dieser ordnete er den mit insgesamt 148 793 DM errechneten Gewinn aus der Veräußerung der Maschinen und Vorräte an W und des Viehs an den Schlachthof zu.
Dem folgte zunächst auch der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--). In dem gemäß § 100 Abs.2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufig ergangenen Einkommensteuerbescheid 1973 wurde vom erklärten Veräußerungsgewinn ein Freibetrag in Höhe von 60 000 DM abgezogen; der verbleibende Gewinn wurde dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterworfen.
Nach einer Betriebsprüfung behandelte das FA die Aufgabe des Pachtbetriebs zunächst als Aufgabe eines Teilbetriebs. Der mit 105 093 DM ermittelte Aufgabegewinn wurde in dem entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 1973 erfaßt und der Besteuerung nach § 34 EStG unterworfen. Der mit 131 363 DM ermittelte Gewinn aus der Ernte in O wurde voll als laufender Gewinn des Kalenderjahres 1973 erfaßt. Der Einspruch, mit dem die Einbeziehung des aus der Ernte in O erzielten Gewinns in den begünstigten Veräußerungsgewinns angestrebt wurde, hatte keinen Erfolg. Nach entsprechendem Hinweis erfaßte das FA in der Einspruchsentscheidung vom 30.Juni 1982 den gesamten Gewinn aus der Aufgabe des Pachtbetriebs O als laufenden Gewinn des Wirtschaftsjahres 1973/74; auch der Gewinn aus der Getreideernte O des Jahres 1973 wurde als laufender Gewinn nur noch zur Hälfte bei der Veranlagung 1973 erfaßt. Mit Bescheid vom 20.Juli 1982 erließ das FA ferner einen auf § 174 Abs.4 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Einkommensteueränderungsbescheid 1974, in welchem der Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1973/74 einschließlich des Gewinns aus der Veräußerung des toten und lebenden Inventars der Pachtung O und des Erntegewinns 1973 zur Hälfte als Gewinn des Streitjahrs 1974 erfaßt wurde. Der Einspruch dagegen, mit dem geltend gemacht wurde, die Vorschrift des § 174 Abs.4 AO 1977 sei im Streitfall nicht anwendbar und nach der im Streitfall maßgebenden Vorschrift des § 92 Abs.1 AO sei eine Änderung nicht mehr möglich gewesen, blieb ohne Erfolg.
Die Klage hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Aufgabe des Pachtbetriebs als Teilbetriebsaufgabe an und erfaßte den hieraus entstandenen Gewinn bei der Veranlagung 1973. Dies führte antragsgemäß zu einer Erhöhung des Gewinns 1973 um 52 546 DM und zur Annahme eines begünstigten Veräußerungsgewinns von 105 093 DM. Den in O 1973 erzielten Erntegewinn betrachtete das FG als Teil des laufenden Gewinns des Wirtschaftsjahrs 1973/74, der zur Hälfte im Streitjahr 1974 zu erfassen sei. Der Einkommensteuerbescheid 1974 habe entsprechend gemäß § 174 Abs.4 AO 1977 geändert werden können. Die Berechnung der Einkommensteuer 1973 und 1974 übertrug das FG gemäß Art.3 Nr.4 des Gesetzes zur Entlastung der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) dem FA.
Dagegen richten sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revisionen des Klägers und des FA.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen und die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, den Einkommensteueränderungsbescheid 1974 vom 20.Juli 1982 sowie insoweit die Einspruchsentscheidung des FA und das FG-Urteil aufzuheben und die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des FA ist unbegründet und muß deshalb zurückgewiesen werden (§ 126 Abs.2 FGO).
1. Nach § 14 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auch der Gewinn, der bei der Veräußerung eines Teilbetriebs erzielt wird. In diesem Falle gilt u.a. § 16 Abs.4 EStG entsprechend (§ 14 Satz 2 EStG); der Veräußerungsgewinn wird, soweit er hiernach nicht steuerfrei bleibt, mit den ermäßigten Sätzen des § 34 Abs.1 EStG besteuert (§ 34 Abs.2 Nr.1 EStG). Der Pachtbetrieb O war, wenn er kein selbständiger Betrieb war, so doch jedenfalls ein Teilbetrieb im Rahmen des Gesamtbetriebs des Klägers und ist vom Kläger im Wirtschaftsjahr 1973/74 aufgegeben worden. Ob der Pachtbetrieb ein selbständiger Betrieb war und ggf. auch ein Freibetrag hätte gewährt werden müssen, kann dahinstehen, da dem Kläger vom FG die mit der Annahme eines Teilbetriebs verbundenen Steuervergünstigungen entsprechend dem Klagebegehren zuerkannt worden sind und insoweit nur über die Revision des FA dagegen zu befinden ist.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein landwirtschaftlicher Teilbetrieb ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil eines Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist (Senatsurteile vom 19.Februar 1976 IV R 179/72, BFHE 118, 323, BStBl II 1976, 415; vom 5.November 1981 IV R 180/77, BFHE 134, 426, BStBl II 1982, 158). Lebensfähig ist ein Teil des Gesamtunternehmens, wenn von ihm aus seiner Natur nach eine eigenständige betriebliche Tätigkeit ausgeübt werden kann; für die Beurteilung, ob dies der Fall ist, kommt es entscheidend auf die Verhältnisse beim Betriebsinhaber vor der Betriebsaufgabe an. Es muß hiernach eine Untereinheit des Gesamtbetriebs als selbständiger Zweitbetrieb im Rahmen des Gesamtbetriebs vorliegen (Urteil in BFHE 134, 426, BStBl II 1982, 158, m.w.N.).
Im Streitfall hat das FG insbesondere festgestellt, daß für den Pachtbetrieb in O eigene Ländereien und --anders als im Falle des Senatsurteils vom 13.Oktober 1988 IV R 136/85 (BFHE 154, 442, BStBl II 1989, 7)-- eine eigene Hofstelle, von der aus der Betrieb bewirtschaftet wurde, vorhanden waren, daß der Betrieb von einem eigenständig wirtschaftenden Verwalter geleitet wurde und auch die weiteren erforderlichen und nur in O tätigen Arbeitnehmer zur Verfügung standen, daß das für die Bewirtschaftung erforderliche lebende und tote Inventar vorhanden war, daß eigene Konten bei der Molkerei und der Zuckerfabrik geführt wurden, und auch sonst weitgehend ein eigener Kundenkreis vorhanden war. Schon im Urteil vom 27.Oktober 1983 IV R 217/81 (BFHE 139, 530, BStBl II 1984, 364) hat der Senat die Bedeutung des Umstands, daß die Landwirtschaft von zwei getrennten (10 km) Hofstellen aus betrieben wurde, für die Annahme selbständiger Betriebe betont. Mit dem FG ist der Senat der Auffassung, daß bei dieser Sachlage dem Umstand, daß Getreide über den Hof in A verkauft wurde und keine eigene Buchführung und Gewinnermittlung vorhanden waren, keine entscheidende Bedeutung beizumessen ist. Eine getrennte Gewinnermittlung auf Grund eigener Buchführung für die Betriebsteile ist, wovon auch Abschn.139 Abs.3 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) ausgeht, nicht unabdingbare Voraussetzung für die Annahme eines Teilbetriebs. In der Rechtsprechung des BFH ist stets betont worden, daß nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden ist, ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche gewisse Selbständigkeit besitzt und daß dabei den einzelnen Abgrenzungsmerkmalen je nach der Art des Betriebs unterschiedliches Gewicht zukommt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12.September 1979 I R 146/76, BFHE 129, 62, BStBl II 1980, 51; vom 13.Februar 1980 I R 14/77, BFHE 130, 384, BStBl II 1980, 498; vom 15.März 1984 IV R 189/81, BFHE 140, 563, BStBl II 1984, 486). So hat der Senat für einen Schaustellerbetrieb mit mehreren Fahrgeschäften im Urteil vom 24.Januar 1978 IV R 178-180/74 (nicht veröffentlicht --NV--) ausgesprochen, es sei nicht zu fordern, daß der Teilbetrieb bereits beim Veräußerer durch eine völlig selbständige Organisation mit eigener Buchführung hervortritt. In dem überschaubaren Betrieb des Klägers kann jedenfalls eine getrennte Buchführung für die beiden Betriebsteile in O und A nicht als unabdingbare Voraussetzung für die Annahme von Teilbetrieben angesehen werden. Die zum Betrieb O gehörenden Wirtschaftsgüter des lebenden und toten Inventars ließen sich, wie auch die Handhabung bei der Veräußerung an den neuen Pächter beweist, eindeutig von denen des Hofs in A abgrenzen. Fest stand auch, welche Arbeitnehmer in O und welche in A beschäftigt waren, so daß die Lohnkosten leicht abzugrenzen waren. Die in O erzielten Erlöse aus Milch- und Rübenverkauf ließen sich anhand der für O geführten Konten bei der Molkerei bzw. der Zuckerfabrik ermitteln, jene aus Getreide- und Saatgutverkauf anhand der jeweils bewirtschafteten Flächen.
b) Nach dem Urteil in BFHE 118, 323, BStBl II 1976, 415 liegt eine Teilbetriebsveräußerung oder Teilbetriebsaufgabe nicht vor, wenn unter Zurückbehaltung der Hofstelle und der bewirtschafteten Flächen lediglich das (gesamte) lebende und tote Inventar veräußert wird. Im Streitfall ist jedoch von Bedeutung, daß der Betrieb in O gepachtet und der Kläger lediglich Eigentümer des Inventars war. Das wesentliche Betriebsvermögen des Pächters besteht in diesem Falle aus dem Inventar, verbunden mit der kraft des Pachtvertrags bestehenden rechtlich gesicherten Möglichkeit, den Betrieb zu bewirtschaften. In Pachtfällen, in denen der Pachtbetrieb ein Teilbetrieb im Rahmen des Gesamtbetriebs ist, liegt deshalb eine Teilbetriebsveräußerung vor, wenn der Pächter dem Nachfolger im Betrieb das gesamte wesentliche Inventar veräußert und gleichzeitig der Nachfolger in den Pachtvertrag eintritt.
c) Für seine abweichende Rechtsauffassung hat das FA sich im Revisionsverfahren auf das BFH-Urteil vom 3.Oktober 1984 I R 119/81 (BFHE 142, 433, BStBl II 1985, 245) berufen. Nach diesem Urteil ist Voraussetzung einer Teilbetriebsveräußerung bzw. -aufgabe, daß der Gewerbetreibende eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit aufgibt. Eine Teilbetriebsveräußerung wurde deshalb verneint, weil der Steuerpflichtige in wirtschaftlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung einer Offset-Druckerei in unmittelbarer Nähe einen Kupfertiefdruckbetrieb errichtete, in dem die gleichen Druckerzeugnisse wie bisher für dieselben Kunden hergestellt wurden. Es wurden also lediglich im Rahmen eines fortbestehenden Betriebs die Produktionsmittel ausgewechselt. Davon kann im Streitfall keine Rede sein. Es wurden nicht lediglich Produktionsmittel in einem (als solchem) fortbestehenden und weiter vom Steuerpflichtigen betriebenen Betrieb bzw. selbständigen Betriebsteil (Teilbetrieb) ausgewechselt. Vielmehr hat der Kläger seine betriebliche Tätigkeit in einem Teilbetrieb endgültig aufgegeben. Daran knüpfen sich nach dem Gesetz auch (im Streitfall i.V.m. § 14 EStG), wenn in einem anderen Teilbetrieb die bisherige betriebliche Tätigkeit fortgeführt wird. Durch das Urteil in BFHE 142, 433, BStBl II 1985, 245 wird somit auch die bisherige steuerrechtliche Behandlung der Veräußerung von freiberuflichen Teilbetrieben mit gesondertem örtlichen Wirkungsbereich nicht berührt (BFH-Urteil vom 12.April 1989 I R 105/85, BFHE 157, 93, BStBl II 1989, 653, unter II 4 a).
d) Im Streitfall hat der Kläger an den neuen Pächter allerdings nur das tote, nicht auch das lebende Inventar veräußert. Auch dieses gehörte beim Kläger zu den wesentlichen Grundlagen des Pachtbetriebs, so daß in der Veräußerung lediglich des toten Inventars entgegen der Auffassung des FG keine Teilbetriebsveräußerung zu sehen ist. Der Anwendung des § 14 EStG i.V.m. § 34 Abs.1 und 2 EStG steht das im Ergebnis jedoch nicht entgegen. Der Kläger hat den Teilbetrieb O nämlich aufgegeben; Gewinne aus der Aufgabe eines Teilbetriebs sind nach der Rechtsprechung des BFH in gleicher Weise begünstigt wie solche aus der Veräußerung eines Teilbetriebs (BFH-Urteile vom 20.August 1964 IV 40/62 U, BFHE 80, 83, BStBl III 1964, 504; vom 24.Juni 1982 IV R 151/79, BFHE 136, 375, 378, BStBl II 1982, 751, 753). Eine Teilbetriebsaufgabe liegt vor, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Teilbetriebs in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang entweder insgesamt entnommen oder an verschiedene Erwerber veräußert oder insgesamt teils entnommen und teils veräußert werden (BFH-Urteil vom 16.September 1966 VI 118/65 und IV 119/65, BFHE 87, 134, BStBl III 1967, 70, 71). Im Streitfall ergibt sich der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Veräußerung des toten Inventars an den neuen Pächter und der Veräußerung des in O gehaltenen Milchviehbestands an den Schlachthof daraus, daß der neue Pächter zur viehlosen Bewirtschaftung übergehen wollte. Danach und im Hinblick darauf, daß der Kläger die Milchwirtschaft in A auch noch über das Wirtschaftsjahr 1973/74 hinaus fortgeführt hat, ist davon auszugehen, daß die Veräußerung des in O gehaltenen Viehbestands durch die Aufgabe der Pachtung veranlaßt war. Auch der erforderliche zeitliche Zusammenhang ist gegeben. In der Rechtsprechung ist stets anerkannt worden, daß eine Betriebsaufgabe einer gewissen Zeit bedarf, daß der anzuerkennende Zeitraum nicht zu eng bemessen werden darf und daß maßgeblicher Gesichtspunkt ist, ob man die Aufgabehandlung wirtschaftlich noch als einen einheitlichen Vorgang beurteilen kann (Urteil in BFHE 87, 134, BStBl III 1967, 70, 71). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die für den Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen bindend sind (§ 118 Abs.2 FGO), ist der Milchviehbestand O noch vor dem Ende des Wirtschaftsjahres 1973/74 (30.Juni 1974) veräußert worden. Da der Kläger noch bis zum 30.September 1973 in O selbst gewirtschaftet hat, hat der Zeitraum der Veräußerung aller wesentlichen Grundlagen des Pachtbetriebs somit jedenfalls nicht mehr als neun Monate umfaßt. Der enge zeitliche Zusammenhang ist im BFH-Urteil vom 25.Juni 1970 IV 350/64 (BFHE 99, 479, BStBl II 1979, 719) bei Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen binnen sechs Monaten, im Urteil in BFHE 87, 134, BStBl III 1967, 70 bei Veräußerung binnen 14 Monaten, anerkannt worden. Der Senat hat deshalb keine Bedenken, auch im Streitfall einen wirtschaftlich einheitlichen Vorgang anzunehmen.
Eine andere rechtliche Beurteilung, die zur Versagung der Steuervergünstigungen nach den §§ 14, 16, 34 EStG führen müßte, wäre allerdings dann geboten gewesen, wenn der Kläger den Milchviehbestand aus O zu Buchwerten in seinen Betrieb in A überführt und aus diesem heraus im Rahmen des laufenden Betriebs A veräußert hätte. Eine begünstigte Teilbetriebsaufgabe liegt nämlich nicht vor, wenn Wirtschaftsgüter, die zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, nicht veräußert oder entnommen, sondern zu Buchwerten in einen anderen Betrieb oder Teilbetrieb des Steuerpflichtigen überführt werden (vgl. BFH-Urteile vom 19.Januar 1983 I R 57/79, BFHE 137, 487, BStBl II 1983, 312; vom 9.Dezember 1986 VIII R 26/80, BFHE 148, 524, 527, BStBl II 1987, 342, 344). Von einer solchen Gestaltung kann jedoch nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausgegangen werden. Zwischen den Beteiligten ist nämlich unstreitig, daß der Viehbestand aus O nicht in den Betrieb in A, sondern in eigens zu diesem Zweck für sieben Monate von einem anderen Landwirt gemietete leerstehende Stallungen verbracht und von dort aus unmittelbar an den Schlachthof veräußert wurde.
e) Der Gewinn aus der Veräußerung des Viehbestandes ist von den Beteiligten nach Aktenlage allerdings dem laufenden Gewinn zugerechnet und deshalb (§ 2 Abs.6 Nr.1 Satz 1 EStG) auch zur Hälfte bei der Einkommensteuerveranlagung für 1974 erfaßt worden. Die Erfassung des verbleibenden, nämlich des aus der Veräußerung des toten Inventars erzielten Aufgabegewinns als tarifbegünstigter Gewinn nur im Streitjahr 1973 (vgl. § 2 Abs.6 Nr.1 Satz 2 EStG), wird dadurch jedoch nicht berührt. Das hat zur Folge, daß die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen werden muß.
II. Auch die Revision des Klägers muß als unbegründet zurückgewiesen werden.
1. Der Gewinn aus der Ernte in O gehörte nicht zum begünstigten Aufgabegewinn, sondern zum laufenden Gewinn und war deshalb zur Hälfte bei der Einkommensteuerveranlagung 1974 zu erfassen (§ 2 Abs.6 Nr.1 EStG). Zur Abgrenzung des begünstigten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns vom laufenden Gewinn hat der Senat im Urteil vom 1.Dezember 1988 IV R 140/86 (BFHE 155, 341, BStBl II 1989, 368) Stellung genommen; darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Nach diesen Grundsätzen gehört auch der Gewinn aus der Ernte 1973 in O zum laufenden Gewinn.
2. Der Einkommensteuerbescheid 1974 durfte gemäß § 174 Abs.4 AO 1977 geändert werden. Der Einkommensteuerbescheid 1973 war aufgrund des Einspruchs des Klägers u.a. in der Weise geändert worden, daß der Erntegewinn aus dem Pachtbetrieb in O nur noch zur Hälfte bei den Einkünften 1973 erfaßt wurde. Insoweit ist der Einkommensteuerbescheid 1973 zugunsten des Klägers geändert worden. Dieser Schlußfolgerung steht nicht entgegen, daß das Einspruchsbegehren des Klägers dahin ging, den Erntegewinn als Teil des tarifbegünstigten Aufgabegewinns bei der Einkommensteuerveranlagung zu erfassen. § 174 Abs.4 AO 1977 verlangt nur, daß aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen ein bereits ergangener Steuerbescheid aufgehoben oder geändert wird und daß dabei eine irrige Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts richtiggestellt wird. Das FA hatte im Einspruchsverfahren in der gehörigen Form auf seine Absicht, den angefochtenen Bescheid 1973 zu verbösern, hingewiesen. Das FA war deshalb verfahrensrechtlich nicht gehindert (vgl. § 367 Abs.2 AO 1977), nunmehr einerseits den Gewinn aus der Aufgabe der Pachtung O vollen Umfangs als laufenden Gewinn zu behandeln, andererseits aber auch den bisher aufgrund irriger Beurteilung ganz in 1973 erfaßten Erntegewinn nunmehr als Teil des laufenden Gewinns nur mehr zur Hälfte in 1973 zu erfassen und insoweit den Steuerbescheid 1973 zugunsten des Steuerpflichtigen zu ändern. Diese Änderung hatte nach § 174 Abs.4 AO 1977 zur Folge, daß auch der Steuerbescheid 1974 zwecks Erfassung des nicht mehr in 1973 besteuerten Teils des Erntegewinns zu ändern war. Unerheblich ist dafür, daß es wegen der vom FA vorgesehenen Besteuerung des Gewinns aus der Aufgabe der Pachtung O als laufender Gewinn im Einspruchsverfahren nicht zu einer Minderung der Einkommensteuer 1973 gekommen ist. Denn § 174 Abs.4 Satz 1 AO 1977 bleibt auch dann anwendbar, wenn der Saldo zwischen den Auswirkungen der Änderung zugunsten und der Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen zu einer Steuermehrbelastung führt (vgl. Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4.Aufl., § 174 Anm.9; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15.Aufl., § 174 AO 1977 Anm.5; FG Hamburg, Urteil vom 9.August 1979 V 85/77, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1980, 54; offengelassen im BFH-Urteil vom 7.Mai 1986 II R 137/79, BFHE 147, 70, BStBl II 1986, 615).
3. Die Einwendungen des Klägers dagegen erweisen sich als unbegründet.
Die Anwendbarkeit des § 174 Abs.4 AO 1977 ergibt sich aus Art.1 § 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977). Danach sind die Vorschriften der AO 1977 über die Änderung oder Aufhebung von Verwaltungsakten erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31.Dezember 1976 ein Verwaltungsakt aufgehoben oder geändert wird. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift auch dann, wenn der zu ändernde Verwaltungsakt, hier der Einkommensteuerbescheid 1974, vor dem 1.Januar 1977 erlassen worden ist. Im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 20.Juli 1982 war die Einkommensteuer 1974 auch noch nicht verjährt. Die Einkommensteuer 1974 ist vor dem 1.Januar 1977 entstanden, so daß die Verjährungsvorschriften der AO anzuwenden sind (Art.1 § 10 EGAO 1977). Nach § 146a Abs.3 AO verjähren Ansprüche, auf die sich eine Betriebsprüfung erstreckt, nicht, bevor die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder dem Steuerpflichtigen die Mitteilung zugegangen ist, daß eine Festsetzung unterbleibt. Im Streitfall erfaßte die Betriebsprüfung auch die Einkommensteuer 1974, so daß auch für diese Steuer die in § 146a Abs.3 AO angeordnete Ablaufhemmung wirkte.
Fundstellen
Haufe-Index 62562 |
BFH/NV 1990, 20 |
BStBl II 1990, 373 |
BFHE 159, 37 |
BFHE 1990, 37 |
BB 1990, 761 |
BB 1990, 761-762 (LT) |
DB 1990, 610 (T) |
DStR 1990, 176 (KT) |
HFR 1990, 301 (LT) |
StE 1990, 78 (K) |