Leitsatz (amtlich)
Der Steuerpflichtige ist durch eine die Steuerfestsetzung nicht beeinflussende Aktivierung eines eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteils in der Prüferbilanz auch dann nicht beschwert, wenn für die Beschwer darauf abgestellt wird, ob der Steuerpflichtige den Bilanzansatz in späteren Jahren noch angreifen kann oder nicht.
Normenkette
EStG §§ 4-5; AO § 231; FGO §§ 40-41
Tatbestand
Streitig ist, ob ein eigengewerblich genutzter Grundstücksanteil im Betriebsvermögen zu aktivieren ist.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt auf dem 1963 von ihm und seiner Ehefrau zu je 1/2 erworbenen Grundstück A eine Metzgerei. Er ermittelt seinen gewerblichen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich; weder das Grundstück noch ein Teil davon wurden in der Bilanz aktiviert.
Nach einer Betriebsprüfung hielt der Betriebsprüfer des Beklagten und Revisionsklägers (FA) für festgestellt, daß das vorbezeichnete Grundstück zu 16,7 v. H. den Betrieblichen Zwecken des Klägers diene. Der Prüfer kam danach in seinem Bericht zu der Auffassung, daß zu Beginn des Jahres 1964 von den Anschaffungskosten 8,35 v. H. von 263 496 DM (= 22 002 DM) für das Gebäude und 8,35 v. H. von 80 000 DM (= 6 680 DM) für den Grund und Boden zu aktivieren seien. Dementsprechend nahm er einen Ansatz in der Prüferbilanz vor.
Gegen die wegen anderer Prüfungsfeststellungen erlassenen berichtigten bzw. endgültigen Einkommensteuerbescheide für 1964 bis 1966 wandte der Kläger nach teilweise erfolglosem Einspruch u. a. ein, der eigenbetrieblich genutzte Grundstücksanteil dürfe nicht aktiviert werden, weil dieser weniger als 1/5 des Grundstückswertes betrage.
Das FG wies die Klage wegen anderer Streitpunkte ab und tenorierte: "Die Klage wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, daß ein eigenbetrieblicher Anteil am Grundstück A nicht zu bilanzieren ist." Dazu führte das FG u. a. aus:
Mit dem Antrag auf Rückgängigmachen des Bilanzansatzes für den eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteil könne der Kläger zwar keine Minderung der Einkommensteuer in den Streitjahren erreichen, weil die bei der Ermittlung des Betriebsgewinns wegfallenden Absetzungen für Abnutzung für das Gebäude wiederum als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzt werden müßten. Gleichwohl sei der Kläger durch den Ansatz in der Prüferbilanz - mit der Folge eines Rechtsschutzbedürfnisses für den Klageantrag - beschwert. Der erkennende Senat des FG habe in seinem rechtskräftigen Urteil vom 15. September 1971 IX 315/70 E (EFG 1972, 70) unter Hinweis auf die Anfechtbarkeit nichtiger Verwaltungsakte ausgesprochen, daß eine für das Rechtsschutzinteresse erforderliche Beschwer nicht erst dann vorliege, wenn später mit Sicherheit Rechtsnachteile eintreten würden, sondern schon dann, wenn der Steuerpflichtige andernfalls im Hinblick auf schwierige Auslegungsfragen eine unzumutbare Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtslage hinnehmen müßte. So liege es auch hier, wo der Kläger sich gegen den Bilanzansatz wende, weil er sicherstellen wolle, daß er nicht bei einer späteren Veräußerung oder Entnahme stille Reserven zu versteuern habe.
Der eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteil brauche nicht bilanziert zu werden, well er nur von untergeordneter Bedeutung sei. Bei Anwendung der für die Beantwortung der Frage, ob ein Grundstückstell von untergeordneter Bedeutung ist, in Abschn. 14 Abs. 2 EStR 1963 aufgestellten Grundsätze ergebe sich - wie im einzelnen ausgeführt wird -, daß entgegen der Annahme des FA der eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteil von untergeordneter Bedeutung sei.
Mit der Revision rügt das FA unzureichende Sachaufklärung durch das FG, Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs und unrichtige Anwendung der §§ 4, 5 EStG. Dazu wird vorgebracht:
Die Revision, die sich allein gegen die Entscheidung, daß der Grundstücksteil nicht zu bilanzieren sei, richte, werde für zulässig gehalten.
Zu Unrecht habe das FG dem Grundstücksteil eine untergeordnete Bedeutung beigemessen.
Beantragt wird, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage in vollem Umfange als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig.
Das FA hat ein Rechtsschutzinteresse an ihrer Durchführung. Zwar wurde durch das mit der Revision angegriffene FG-Urteil die Höhe der vom FA in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Steuern nicht verändert. Der Tenor der Entscheidung enthält jedoch bei der gewinnunabhängigen Festlegung von Bilanzansätzen einen Ausspruch, durch den das FA beschwert wird, weil er der von diesem geäußerten Rechtsauffassung über die Notwendigkeit der Bilanzansätze widerspricht. Dem steht nicht entgegen, daß - wie noch darzulegen ist - der Ausspruch des FG nicht ergehen durfte und deshalb keine Bindungswirkung hat. Denn auch ein ohne Bindungswirkung mit der Autorität eines gerichtlichen Urteils versehener richterlicher Ausspruch ist geeignet, die Interessen der am Verfahren Beteiligten zu berühren (vgl. Urteil des BFH vom 27. Januar 1972 IV R 157/71, BFHE 105, 1, BStBl II 1972, 465).
2. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.
a) Die Vorentscheidung ist insoweit einem Rechtsirrtum unterlegen, als sie den Kläger wegen der Äußerung des FA über die Notwendigkeit der Aktivierung des eigenbetrieblich genutzten Grundstücksanteils für beschwert und damit ein Rechtsschutzbedürfnis für gegeben gehalten hat. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 12. Dezember 1972 VIII R 39/67 (BFHE 108, 278, BStBl II 1973, 323) unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH ausgeführt hat, ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen einen Steuerbescheid, daß der Steuerpflichtige durch die Höhe der Steuerfestsetzung - durch eine zu hohe oder unter Umständen durch eine zu niedrige Steuer - beschwert ist. Eine Beschwer wird grundsätzlich verneint, wenn sowohl die vom FA angenommenen als auch die vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Besteuerungsgrundlagen zu demselben steuerlichen Ergebnis führen. An einer in diesem Sinne verstandenen Beschwer fehlt es im Streitfall hinsichtlich der umstrittenen Bilanzansätze. Wie das FG richtig erkannt hat, wird die Höhe der Steuerfestsetzungen in den Streitjahren durch den Ansatz eines Teils der Anschaffungskosten für das Grundstück in den Prüferbilanzen nicht beeinflußt.
Selbst wenn man für eine Beschwer - unabhängig von der Auswirkung auf die Steuerfestsetzung - darauf abstellen wollte, ob der Steuerpflichtige einen Bilanzansatz in einem späteren Jahr noch angreifen kann oder nicht, müßte die Beschwer hier verneint werden. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß der Kläger gehindert wäre, gegen die von ihm für falsch gehaltenen Bilanzansätze erst im Jahre einer steuerlichen Auswirkung vorzugehen. Insbesondere könnte einem späteren Angriff des Klägers nicht mit dem Hinweis auf den Bilanzenzusammenhang begegnet werden. Legt der Kläger später dar, daß ihm die Bilanzansätze vom FA aufgezwungen wurden und daß der Grundstücksteil zu keinem Zeitpunkt notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen war, dann ist eine Ausbuchung - ohne Gewinnverwirklichung - der nur scheinbar zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 1972 I R 189/69, BFHE 106, 422, BStBl II 1972, 874). Hiervon abgesehen ist es dem Kläger auch nicht verwehrt, die vom FA für erforderlich gehaltenen Bilanzansätze nicht in seine Handels- und Steuerbilanzen zu übernehmen. Denn ein Steuerpflichtiger ist unter keinem Gesichtspunkt gezwungen, eine von ihm für unrichtig erachtete Rechtsauffassung des FA in seine Bilanzen zu übernehmen.
Ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Rechtsbehelfsverfahrens in dem Streitpunkt läßt sich auch nicht daraus herleiten, daß der Betriebsprüfungsbericht eine vom Kläger nicht geteilte Meinungsäußerung enthält. Wie der IV. Senat des BFH in dem Urteil IV R 157/71 ausgeführt hat, kann eine von einem FA in einem Steuerbescheid mitgeteilte oder in einem Betriebsprüfungsbericht niedergelegte Meinungsäußerung, die sich weder auf die Veranlagung des laufenden Jahres auswirkt noch in sonstiger Weise bindend ist, weder durch Anfechtungs- noch durch Feststellungsklage angefochten werden, weil eine rechtsunerhebliche Meinungsäußerung nicht als Verwaltungsakt beurteilt werden kann. Im Streitfall stellt sich die vom Kläger beanstandete Erläuterung über die Notwendigkeit der Aktivierung des eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteils als eine solche Meinungsäußerung dar. Auf die Höhe der Steuerfestsetzungen in den Streitjahren hat sie sich nicht ausgewirkt. Ebensowenig konnte sie eine Bindungswirkung für spätere Jahre entfalten. Das gilt insbesondere hinsichtlich der steuerlichen Behandlung eines späteren Ausscheidens des Grundstücksteils aus dem Betrieblichen Bereich. Denn die Frage, ob ein solches Ausscheiden vorliegt und zu einer Gewinnrealisierung führt, ist erst in dem Veranlagungszeitraum zu entscheiden, in dem der Vorgang stattfindet.
b) Die Vorentscheidung, die insoweit von anderen Rechtsüberlegungen ausgegangen ist, war danach aufzuheben. Der Senat kann selbst entscheiden und erkennt auf Klageabweisung.
Fundstellen
Haufe-Index 71228 |
BStBl II 1975, 206 |
BFHE 1975, 226 |