Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird ein unbebautes Grundstück zur Veräußerung im Rahmen eines gewerblichen Betriebs, insbesondere eines Grundstückshandelsunternehmens bereitgehalten, so vermag dieser Umstand allein nicht die Annahme zu rechtfertigen, daß das Grundstück für eigene oder fremde gewerbliche oder betriebliche Zwecke im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV genutzt werde. Ein derartiges Grundstück ist auch nicht als Vorratsgelände öffentlicher oder gewerblicher Betriebe anzusehen.
Normenkette
GrStG § 12; GrStDV § 33
Tatbestand
Streitig ist, ob ein der Beschwerdeführerin (Bfin.) gehöriges Grundstück als Vorratsgelände eines gewerblichen Betriebs im Sinne von § 33 Ziff. 1 der Grundsteuerdurchführungsverordnung (GrStDV) zu gelten hat oder nicht.
Die Bfin. ist eine GmbH, die die Verwaltung sowie den An- und Verkauf von Industrieanlagen und anderen Grundstücken und Gebäuden einschließlich der Ausführung aller damit zusammenhängenden Geschäfte zum Gegenstande hat. Sie war Eigentümerin eines unbebauten Grundstücks mit einer Flächengröße von 6.309 qm, von dem im Laufe des Jahres 1954 der größere Teil an eine Autoreparaturwerkstätte veräußert ist. Zum 1. Januar 1950 war der Einheitswert dieses Grundstücks im Wege der Nachfeststellung auf 50.400 DM festgestellt und danach der Steuermeßbetrag mit 10 v. T. auf 504 DM festgesetzt worden.
Mit Schreiben vom 17. Juni 1953 stellte die Bfin. unter Bezugnahme auf § 33 Ziff. 2 der GrStDV in der Fassung vom 29. Januar 1952 den Antrag, den Steuermeßbetrag unter Anwendung der Steuermeßzahl 5 v. T. herabzusetzen.
Der Antrag der Bfin. wurde vom Finanzamt abgelehnt. Auch ihr Einspruch hatte keinen Erfolg, weil das Finanzamt abweichend von der Auffassung der Bfin. die Ansicht vertrat, daß das Streitgrundstück betrieblichen Zwecken diene und deshalb jedenfalls als gewerbliches Vorratsgelände zu betrachten sei.
Ebenso wies das Verwaltungsgericht die im Anschluß an das Einspruchsverfahren eingelegte Berufung zurück, in der die Bfin. unter Hinweis auf den Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 30. Dezember 1939 - S 3231 Ostm - 40/III S 3231 Sud - 10 III - veröffentlicht im Reichssteuerblatt (RStBl) 1940 S. 17 und mit Bezugnahme auf die neueste Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil III 186 und 187/54 U vom 3. Dezember 1954, Slg. Bd. 60 S. 28, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 11) zum Ausdruck gebracht hatte, daß es sich im Streitfalle schon deshalb nicht um Vorratsgelände handeln könne, weil die GmbH zu keiner Zeit einen Fabrikbetrieb geführt habe, sondern als Grundstücksgesellschaft mit der ausschließlichen Aufgabe gegründet worden sei, Grundstücke zu verkaufen und sie zwischenzeitlich nach Möglichkeit durch Vermietung oder Verpachtung zu nutzen. Demgegenüber führte das Verwaltungsgericht aus, daß man zwar bei der Bfin. als einer Grundstücksgesellschaft, die den Handel mit Grundstücken betreibe, nicht davon sprechen könne, daß sie selbst eine Tätigkeit auf dem Streitgrundstück ausgeübt und es auf diese Weise genutzt habe. Denn auch beim Grundstückshändler liege die Nutzung wie bei jedem anderen Kaufmann lediglich im zweckentsprechenden Verkauf der Handelsobjekte. Ebenso wie aber bei einem Kaufmann die Waren zu seinem Vorratsvermögen zu rechnen seien, müßten bei einem Grundstückshändler die zur Weiterveräußerung bestimmten Grundstücke als "Vorratsgelände" im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV angesehen werden. Denn ihre Zweckbestimmung bestehe darin, für den gewerblichen Zweck der Veräußerung durch den Händler bereitgehalten und verwendet zu werden. Das Streitgrundstück stelle demnach Vorratsgelände dar. Auf die Verwaltungstätigkeit der Bfin. komme es nicht an. Das Verwaltungsgericht habe ihr keine entscheidende Bedeutung beigelegt. Wenn man jedoch diese Tätigkeit als wesentlich ansehen wollte, würde das rechtliche Ergebnis das gleiche sein, weil in der Verwaltung (z. B. Vermietung, Verpachtung) von Grundstücken eine Nutzung für eigene gewerbliche Zwecke zu erblicken sein würde.
Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Bfin. Diese wendet sich unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Vorbringens dagegen, daß die Vorinstanzen in der Tätigkeit der GmbH einen Grundstückshandel erblicke. Denn, wie die Bfin. weiterhin ausführt, betreibe die GmbH zwar den Verkauf von Grundstücken, nicht aber deren Ankauf. Vielmehr habe sie ihre, aus ehemaligen Heeres- und Marinebetrieben stammenden Grundstücke als Nachfolgegesellschaft übernommen mit der alleinigen Aufgabe ihrer bestmöglichen Verwertung. Den Ankauf fremder Grundstücke betreibe sie nicht. Im übrigen sei das Streitgrundstück im Feststellungszeitpunkt auch ungenutzt gewesen, denn allein in der Verwaltung des nicht vermieteten und nicht verpachteten Grundstücks könne eine eigengewerbliche Nutzung nicht erblickt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Vorinstanzen haben den Antrag auf Herabsetzung des Steuermeßbetrages unter Anwendung der Steuermeßzahl 5 v. T. abgelehnt, weil sie der Auffassung sind, die Steuermeßzahl für das Streitgrundstück sei aus § 33 Ziff. 1 GrStDV zu entnehmen, nicht aus § 33 Ziff. 2 GrStDV, wie es dem Antrag der Bfin. entsprechen würde.
Bei seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht zunächst offengelassen, ob das Grundstück der Bfin. im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV für eigene oder fremde gewerbliche Zwecke genutzt wird, und hat seine Entscheidung darauf abgestellt, ob das Grundstück als gewerbliches Vorratsgelände anzusprechen ist. Es hat dabei in den Vordergrund seiner überlegungen den Umstand gestellt, daß die Bfin. als eine Grundstücksgesellschaft, die den Handel mit Grundstücken betriebe, das Streitgrundstück wie eine Ware zum Zwecke der Veräußerung auf Vorrat gehalten habe. Ob dieser Umstand es rechtfertigen könnte, das Grundstück als "Vorratsgelände" im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV zu behandeln, wird allerdings noch zu erörtern sein.
Viel näher liegt jedoch die Frage, ob nicht die zweckbestimmte Verwendung eines Grundstücks im Rahmen eines Grundstückshandelsgeschäfts ohnehin eine unmittelbare Nutzung für die eigengewerblichen Zwecke des Grundstückshändlers darstellt. Auf dieses Problem deutet übrigens die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch selbst hin, indem sie ausführt, daß beim Grundstückshändler die Nutzung wie bei jedem anderen Kaufmann lediglich im zweckentsprechenden Verkauf der Handelsobjekte liege. Würde es sich bei dieser Art der Nutzung tatsächlich um eine Nutzung für eigene betriebliche Zwecke im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV handeln, so würde es einer Erörterung der Frage, ob das Streitgrundstück gegebenenfalls als Vorratsgelände anzusehen sei, überhaupt nicht mehr bedürfen. Der Senat ist jedoch der Meinung, daß dies nicht der Fall ist, daß vielmehr eine gewerbliche Nutzung des Grund und Bodens im Sinne dieser Vorschrift nur dann vorliegt, wenn sich auf dem Grund und Boden selbst unmittelbar gewerbliches Leben abspielt. Unter Nutzung in diesem Sinne ist also zu verstehen, daß unter Ausnutzung der Sachherrschaft, die der Besitz des Grundstücks verleiht, von diesem selbst für gewerbliche Zwecke Gebrauch gemacht wird. Die Veräußerung von Grundstücken zum Zwecke der Gewinnerzielung stellt demnach keine "gewerbliche Nutzung" dergestalt dar, wie sie in § 33 GrStDV vorausgesetzt wird.
In engstem Zusammenhang mit den vorstehenden Ausführungen steht auch die Beantwortung der vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen Frage, ob das streitige Grundstück etwa als gewerbliches Vorratsvermögen anzusprechen wäre. Das Verwaltungsgericht hat dies mit der Begründung bejaht, daß im Grundstückshandel die Nutzung der Grundstücke in ihrem zweckbestimmten Gebrauch als Handelsobjekte liege und daß deshalb bei einem Grundstückshändler die zum Verkauf bestimmten Grundstücke in der gleichen Weise zum "Vorratsgelände" zu rechnen seien, wie bei einem Kaufmann die zum Verkauf bestimmten Waren zum "Vorratsvermögen" gehören. Es mag dahingestellt bleiben, ob das Verwaltungsgericht mit dieser überlegung etwa an den Begriff des Vorratsvermögens im Sinne des Soforthilfegesetzes anknüpfen wollte. Denn wenn dies wirklich der Fall wäre, würde man den überlegungen des Verwaltungsgerichts insoweit schon deshalb nicht folgen können, weil eine übertragung von Rechtsbegriffen des Soforthilferechts auf das in seinem Wesen hiervon völlig verschiedene Grundsteuerrecht nicht möglich ist. Der Begriff des "Vorratsgeländes" insbesondere kann nur an Hand der grundsteuerlichen Rechtsnormen selbst entwickelt und unter Berücksichtigung der im Grundsteuerrecht herrschenden Rechtsprinzipien im Wege der Auslegung näher bestimmt werden.
Wie sich bereits aus dem Text des § 33 Ziff. 1 GrStDV ergibt, steht der Begriff des Vorratsgeländes im Sinne dieser Vorschrift im engsten sachlichen Zusammenhang mit der grundsteuerlichen Regelung für solche Grundstücke, die für eigene oder fremde gewerbliche oder betriebliche Zwecke genutzt werden. Er dient offenbar zur Ergänzung dieser Regelung in der Weise, daß das gleiche wie für die schon gewerblich oder betrieblich genutzten Grundstücke auch für solche unbebaute Grundstücke gelten soll, die zwar im Zeitpunkt der Feststellung noch nicht gewerblich oder betrieblich genutzt werden, bei denen eine solche Nutzung aber in Zukunft zu erwarten steht, die somit Vorratsgelände öffentlicher oder gewerblicher Betriebe darstellen. In diesem Sinne ist auch der von der Bfin. erwähnte Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 30. Dezember 1939 - S 3231 Ostm - 40/III S 3231 Sud - 10 III - zu verstehen, in dem im Hinblick auf einen Fabrikbetrieb unter anderem gesagt wird, daß Vorratsgelände solches Gelände ist, "das zur künftigen Verwendung für Zwecke des Fabrikbetriebes bestimmt ist". Wenn es an anderer Stelle dieses Erlasses heißt: "Kein Vorratsgelände ist die Hoffläche, das Gelände, das zwischen den Fabrikgebäuden liegt, das Gelände, das für Lagerzwecke verwendet wird, das Gelände, das mit Gleisen belegt ist usw.", so soll damit offenbar nur eine gewisse Abgrenzung des Vorratsgeländes gegenüber demjenigen Gelände geschaffen werden, das schon jetzt für die gewerblichen Zwecke des Fabrikbetriebs genutzt wird. Von gewerblichen Betrieben anderer Art als Fabrikbetrieben spricht der Erlaß allerdings nicht. Trotzdem ist es zutreffend, wenn die Verwaltungsbehörden in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen haben, daß Vorratsgelände nicht nur im Zusammenhang mit Fabrikbetrieben vorkommen könne. Vielmehr kann Vorratsgelände auch bei anderen gewerblichen Betrieben, gleich welcher Art, auftreten. Kauft beispielsweise ein Handwerker ein unbebautes Grundstück, um darauf späterhin eine Werkstatt zu errichten, so ist es Vorratsgelände; erwirbt ein Kaufmann Grund und Boden, um ihn künftig einmal als Lagerplatz verwenden zu können, so handelt es sich gleichfalls um Vorratsgelände. Auch in diesem Zusammenhang bleibt aber entscheidend, daß sich künftig auf dem Grund und Boden gewerbliches Leben abspielen wird, daß er in absehbarer Zeit für gewerbliche Zwecke genutzt werden wird. Allein die Tatsache, daß die Bfin. das Streitgrundstück zum Verkauf im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs bestimmt hatte, vermag somit auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, es handle sich dabei um Vorratsgelände, nicht zu rechtfertigen.
Nun haben allerdings die Vorinstanzen ergänzend darauf hingewiesen, daß das Streitgrundstück im Bebauungsplan als Industrieland ausgewiesen sei, und das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung noch besonders hervorgehoben, daß inzwischen das Streitgrundstück zum größten Teile durch Veräußerung an eine Autoreparaturwerkstatt gewerblicher Nutzung zugeführt worden sei. Selbst wenn man daraus mit dem Verwaltungsgericht den Schluß ziehen wollte, daß das Streitgrundstück schon am Stichtag für eine Verwendung zu fremden gewerblichen und betrieblichen Zwecken bereitgehalten worden sei, vermag dies die Vorentscheidung nicht zu stützen. Denn wie der Senat in der Entscheidung III 204/54 U vom 3. Juni 1955 (Slg. Bd. 61 S. 88, BStBl 1955 III S. 231) bereits ausgeführt hat, reicht die Feststellung, daß die zukünftige Verwendung eines Grundstücks für fremde gewerbliche Zwecke nach den Verhältnissen am Stichtag glaubhaft erscheine, nicht aus, um das fragliche Grundstück als Vorratsgelände eines gewerblichen Betriebs einzuordnen. Vielmehr ist Vorratsgelände nach der derzeit geltenden Fassung der GrStDV nur dann anzuerkennen, wenn unbebaute Grundstücke für eine künftige gewerbliche Nutzung des eigenen Betriebes bereitgehalten werden. Daran fehlt es im Streitfall.
Da die Vorentscheidung dies verkannt und den Begriff "Vorratsgelände" rechtsirrtümlich ausgelegt hat, unterliegt sie der Aufhebung, ohne daß es noch einer Prüfung bedarf, ob die Bfin. Grundstückshandel im eigentlichen Sinne betreibt oder nicht.
Die Sache ist aber deshalb noch nicht entscheidungsreif, weil die Vorinstanzen es unterlassen haben, genaue Feststellungen darüber zu treffen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise das Streitgrundstück am Stichtag tatsächlich genutzt worden ist. Das Verwaltungsgericht führt zwar am Ende seiner Entscheidung aus, das Ergebnis der Entscheidung würde das gleiche sein, auch wenn man der Verwaltungstätigkeit der Bfin. - zum Unterschied von ihrer Verkaufstätigkeit - wesentliches Gewicht beimessen wollte. Denn in diesem Falle würde in der Verwaltung (z. B. Vermietung, Verpachtung) der Grundstücke eine Nutzung für eigene gewerbliche Zwecke zu erblicken sein. Diese Ausführungen sind jedoch bestritten. Insbesondere hat die Bfin. in Abrede gestellt, daß sie das Streitgrundstück am Stichtag durch Vermietung oder Verpachtung an fremde gewerbliche Betriebe genutzt habe. Hieraus würde es jedoch entscheidend ankommen, da entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine bloße Verwaltungstätigkeit der Bfin., die sich in der Erhaltung des bisherigen Grundstückszustandes, in der Abwendung von dem Grundstück drohenden Gefahren, in der Erfüllung der öffentlichen Lasten und ähnlichem erschöpfen würde, nicht als eigengewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 33 Ziff. 1 GrStDV angesehen werden könnte. Da die Vorinstanzen keine genügenden Feststellungen darüber getroffen haben, ob das Streitgrundstück am Stichtag durch Vermietung oder Verpachtung für die Zwecke fremder Gewerbebetriebe genutzt worden ist, geht die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das Verwaltungsgericht zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 408399 |
BStBl III 1956, 177 |
BFHE 1956, 477 |
BFHE 62, 477 |