Leitsatz (amtlich)
Wird bei einer GmbH im Wege der Kapitalerhöhung ein neuer Gesellschafter aufgenommen und dient diese Kapitalerhöhung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nur dem Zweck, die Beteiligung der bisherigen Gesellschafter am Stammkapital der GmbH nominell auf 25 v. H. herabzusetzen, so liegt ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts vor, wenn nach Ablauf von fünf Jahren die Geschäftsanteile der bisherigen Gesellschafter an den neuen Gesellschafter veräußert werden und diese Veräußerung bereits bei der Kapitalerhöhung durch Begründung eines Optionsrechts und einer Erwerbspflicht eingeleitet wurde. Der Gewinn aus der Veräußerung unterliegt deshalb nach § 17 EStG der Einkommensteuer.
Normenkette
EStG § 17; StAnpG § 6
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 1968, ob der Gewinn aus der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH gemäß § 17 EStG eventuell i. V. m. § 6 StAnpG, einkommensteuerpflichtig ist.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für 1968 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Der Kläger war Gesellschafter der X-GmbH (im folgenden GmbH).
Das Stammkapital der GmbH betrug bis zum 31. Dezember 1960 20 000 DM; daran waren der Kläger mit einer Stammeinlage von 8 000 DM (= 40 v. H.) und der Gesellschafter S mit einer Stammeinlage von 12 000 DM (= 60 v. H.) beteiligt.
Am 13. Dezember 1961 erhöhte die GmbH aus Gesellschaftsmitteln ihr Stammkapital auf 170 000 DM. Danach betrugen die Stammeinlagen des Klägers 68 000 DM (= 40 v. H.) und des Gesellschafters S 102 000 DM (= 60 v. H.).
Am 16. Dezember 1961 erhöhte die GmbH ihr Stammkapital auf 250 000 DM. Von den neuen Stammeinlagen übernahmen gegen entsprechende Barzahlung der Kläger 57 000 DM und der Gesellschafter S 23 000 DM, so daß der Kläger und S nunmehr je mit nominell 125 000 DM (= 50 v. H.) am Stammkapital der GmbH beteiligt waren.
Im Jahre 1961 vereinbarten der Kläger und S einerseits und die Firma F-GmbH (im folgenden F) andererseits, daß die GmbH mit Wirkung vom 1. Januar 1962 ihr Stammkapital um 250 000 DM auf 500 000 DM erhöht und daß F die neue Stammeinlage von 250 000 DM gegen Einbringung einer gegen die GmbH bestehenden Darlehnsforderung in dieser Höhe übernimmt. Infolge eines Todesfalls bei F und anderer widriger Umstände wurde diese Kapitalerhöhung erst am 13. Dezember 1962 notariell beurkundet und anschließend in das Handelsregister eingetragen. Danach waren nunmehr am Stammkapital der GmbH der Kläger und S mit je nominell 125 000 DM (= 25 v. H.) und F mit nominell 250 000 DM (= 50 v. H.) beteiligt.
Unter dem Datum vom 13. Dezember 1962 wurden zwischen dem Kläger und S einerseits und F andererseits weiter ein notariell beurkundeter Vertrag über die "Einräumung eines Optionsrechtes", ein schriftlicher "Zusatzvertrag" zu diesem Vertrag und ein Vertrag über die "Bereitstellung von Fertigungskapazitäten" abgeschlossen.
Der Vertrag über die Einräumung eines Optionsrechtes vom 13. Dezember 1962 sah u. a. vor, daß der Kläger und S ihre Geschäftsanteile der F unwiderruflich zum Kauf anbieten (Abschn. II 1), daß der Kläger und S bis zum 31. Dezember 1970 mindestens die Hälfte ihrer Geschäftsanteile und bis zum 31. Dezember 1980 die restlichen Geschäftsanteile an F abtreten (Abschn. II Nr. 2 und 3), daß F verpflichtet ist, die angebotenen Anteile zu übernehmen (Abschn. II Nr. 4) und daß der Erwerbspreis für die Geschäftsanteile sich nach dem inneren Wert dieser Anteile richtet (Abschn. III).
Im sog. Zusatzvertrag zum Optionsvertrag war ergänzend bestimmt, auf welche Weise der innere Wert der Geschäftsanteile bei der Anteilsabtretung im einzelnen bestimmt wird. Der Zusatzvertrag sah insoweit u. a. vor, daß der Anteilswert gleich sei der Summe aus dem Bilanzwert und aus Zuschlägen für stille Reserven und dem Geschäftswert. Der Bilanzwert sollte die eingezahlten Stammeinlagen des Klägers und des Gesellschafters S "zuzüglich aller in der Bilanz ausgewiesenen offenen Rücklagen" umfassen. Die am 1. Januar 1962 im gesamten Gesellschaftsvermögen vorhandenen stillen Reserven wurden betragsmäßig festgelegt. Diese Festlegung sollte auch für alle Abtretungsstichtage maßgebend sein, sofern sich nicht bis dahin die Werte um mehr als 10 v. H. erhöhten; für diesen Fall war eine neue Wertbestimmung vorgesehen. Diese Bewertungsgrundsätze für die Anteilsabtretung sollten sinngemäß Anwendung finden, falls die Gesellschaft vor einer vollständigen Anteilsabtretung liquidiert werden sollte (Abschn. IX des Zusatzvertrags).
Die am 13. Dezember 1962 neugefaßte Gesellschaftssatzung der GmbH sah u. a. vor, daß die Verwendung des Reingewinns zwar der Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung unterliegt, daß aber die jährlichen Gewinnausschüttungen auf 3 v. H. über dem Diskontsatz, bezogen auf das eingezahlte Stammkapital, begrenzt werden (§ 22 der Gesellschaftssatzung). Beschlüsse der Gesellschafterversammlung sollten mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt werden (§ 19 der Gesellschaftssatzung); jede 1 000 DM eines Geschäftsanteils sollten eine Stimme gewähren (§ 17 der Gesellschaftssatzung). Die bisherigen Geschäftsführer, der Kläger und der Gesellschafter S, wurden in dieser Eigenschaft mit der Maßgabe bestätigt, daß jeder für sich allein zur Vertretung berechtigt sein sollte; ihre Bestellung sollte nur aus wichtigem Grund oder mit 3/4 Mehrheit des Stammkapitals widerrufen werden können (§ 11 der Gesellschaftssatzung).
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27. Juni 1968 übertrugen der Kläger und S ihre sämtlichen Geschäftsanteile an der GmbH mit Wirkung vom 1. Januar 1968 auf F gegen einen Kaufpreis von 3 750 000 DM, der wie folgt errechnet wurde:
Von der Geschäftsleitung der F limitierter
Erwerbspreis für die GmbH 4 000 000 DM
abzüglich der 1962 geleisteten Einzahlung 250 000 DM
3 750 000 DM
Dieser Betrag wurde zwischen dem Kläger und S nach Maßgabe der bis zum 13. Dezember 1961 bestehenden Beteiligungsverhältnisse 40 : 60 aufgeteilt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1968 wiesen die Kläger keinen nach § 17 EStG steuerpflichtigen Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft aus. Demgemäß veranlagte das FA mit Bescheid vom 27. Januar 1971 die Kläger endgültig zur Einkommensteuer für 1968, ohne dabei einen derartigen Gewinn anzusetzen. Die festgesetzte Einkommensteuer betrug ... DM.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung bei der GmbH vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Auffassung, der Kläger und S seien trotz der durch die Kapitalerhöhung am 13. Dezember 1962 formal herbeigeführten Reduzierung ihrer Beteiligung auf je 25 v. H. wirtschaftlich betrachtet bis zur Anteilsabtretung am 27. Juni 1968 wesentlich beteiligt gewesen (§ 17 EStG). Denn die durch die Kapitalerhöhung geschaffenen Geschäftsanteile der F seien im Vergleich zu den ursprünglichen Geschäftsanteilen des Klägers und des S, d. h. der bis zur Kapitalerhöhung vom 13. Dezember 1961 vorhandenen Geschäftsanteile, nicht vollwertig gewesen, wie sich daraus ergebe, daß allein die Geschäftsanteile des Klägers und des S voll gewinnberechtigt gewesen seien und die Geschäftsanteile der F im Hinblick auf die Konditionen des Optionsvertrags und des Zusatzvertrags keinen Anteil an den ab 1962 entstandenen offenen und stillen Reserven der GmbH gewährten.
Auf dieser Grundlage erließ das FA am 7. November 1972 gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO einen berichtigten Einkommensteuerbescheid für 1968. Darin setzte das FA einen gemäß § 17 EStG steuerpflichtigen Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung des Klägers in Höhe von 1 398 958 DM an, den es gemäß § 34 Abs. 2 EStG einem ermäßigten Steuersatz unterwarf.
Den Einspruch wies das FA zurück.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte in dem Urteil vom 20. Februar 1976 III 186/75 (EFG 1976, 294) aus, daß der Kläger zwar ab 1962 an der GmbH nicht mehr wesentlich beteiligt gewesen sei, daß aber die Veräußerung im Jahre 1968 mit dem Vertragswerk vom 13. Dezember 1962 eine wirtschaftliche Einheit bilde und die gesamte Gestaltung einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts darstelle; deshalb sei die Veräußerung im Jahre 1968 gemäß § 17 EStG einkommensteuerpflichtig.
Mit der Revision beantragen die Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer der Kläger für 1968 unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheids und der Einspruchsentscheidung auf .... DM herabzusetzen. Die Kläger rügen rechtsirrige Anwendung des § 6 StAnpG und fehlende Sachaufklärung.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß der Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Anteile des Klägers gemäß § 17 EStG i. V. m. § 6 StAnpG einkommensteuerpflichtig ist.
Gemäß § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich, d. h. zu mehr als einem Viertel beteiligt war.
Gemäß § 6 Abs. 1 StAnpG kann die Steuerpflicht durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so sind die Steuern so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären (§ 6 Abs. 2 StAnpG).
1. Der Senat läßt dahingestellt, nach welchen Kriterien das Maß der Beteiligung i. S. des § 17 EStG allgemein zu bestimmen ist, insbesondere, wann ein Gesellschafter einer GmbH am "Kapital der Gesellschaft" zu mehr als einem Viertel beteiligt ist. Es kann zweifelhaft sein, ob eine solche wesentliche Beteiligung stets dann zu verneinen ist, wenn die Stammeinlage (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) nicht mehr als ein Viertel des Stammkapitals (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG) ausmacht, unabhängig davon, ob sich die Geschäftsanteile und damit die Gesellschafterrechte (Mitverwaltungsrechte und Vermögensrechte), wie im Gesetz vorgesehen, nach dem Betrage der Stammeinlage bestimmen (§ 14 GmbHG) oder ob insoweit im Gesellschaftsvertrag allgemein für die Gesellschaftsanteile oder doch für einzelne Gesellschafterrechte (z. B. das Stimmrecht, § 47 Abs. 2 GmbHG, das Recht nach einem Anteil am Reingewinn, § 29 Abs. 2 GmbHG, das Recht auf einen Anteil am Liquidationserlös, § 72 GmbHG) etwas Abweichendes bestimmt ist.
Der Vorentscheidung liegt offensichtlich die Auffassung zugrunde, daß sich das Maß der Beteiligung i. S. des § 17 EStG jedenfalls dann nach der Stammeinlage und ihrem Verhältnis zum Stammkapital bestimmt, wenn sich auch die Stimmrechte der Gesellschafter entsprechend der dispositiven gesetzlichen Regeln (§ 47 Abs. 2 i. V. m. § 14 GmbHG) nach dem Verhältnis der Stammeinlagen richten. Es erscheint aber bereits zweifelhaft, ob die vom FG für maßgeblich erachtete "Teilhabe an den unternehmerischen Entscheidungsprozessen" auch dann nur nach dem von der Höhe der Stammeinlage abhängigen Stimmrecht zu bemessen ist, wenn, wie im Streitfall, nur drei Gesellschafter vorhanden sind und zweien davon im Gesellschaftsvertrag ein nur aus wichtigem Grunde oder mit qualifizierter Mehrheit entziehbares Recht auf Einzelvertretung der Gesellschaft und damit auch auf eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis eingeräumt ist. Auch ließe sich die Ansicht vertreten, daß ein Gesellschafter einer GmbH am Kapital der GmbH bereits zu mehr als einem Viertel beteiligt ist, wenn entweder seine Stimmrechte oder seine Vermögensrechte, insbesondere also seine Rechte auf einen Anteil am Reingewinn und am Liquidationserlös im Verhältnis zu den gleichartigen Rechten anderer Gesellschafter mehr als ein Viertel ausmachen.
Die Frage kann jedoch im Streitfall offenbleiben.
Desgleichen kann unentschieden bleiben, ob die Fünfjahresfrist des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vom Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Geschäftsanteilen, also vom Zeitpunkt der Gewinnrealisierung an, oder von dem vorangegangenen Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen Kaufvertrags an zurückzurechnen ist (vgl. dazu Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 17. Aufl., EStG, § 17 Rdnr. 11 - 12 mit Nachweisen), und ob im Streitfall das Vertragswerk vom 13. Dezember 1962 bereits als obligatorischer Kaufvertrag beurteilt werden könnte.
Auch wenn man unterstellt, daß die Fünfjahresfrist vom Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Geschäftsanteilen zurückzurechnen ist - wovon die Vorentscheidung stillschweigend ohne Erörterung der Rechtsfrage ausgeht -, und wenn man mit der Vorentscheidung annimmt, daß der Kläger im Zeitpunkt der Veräußerung seiner Geschäftsanteile und in den vorangegangenen fünf Jahren formal nicht zu mehr als einem Viertel am Kapital der GmbH beteiligt war, kann die Revision keinen Erfolg haben, weil in diesem Falle die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 StAnpG erfüllt sind und gemäß § 6 Abs. 2 StAnpG die Besteuerung so durchzuführen ist, als ob der Kläger im Zeitpunkt der Veräußerung seiner Geschäftsanteile zu mehr als einem Viertel am Kapital der GmbH beteiligt gewesen wäre.
2. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt ein Rechtsmißbrauch i. S. des § 6 Abs. 1 StAnpG vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist und wenn hierdurch ein steuerlicher Erfolg angestrebt wird, der bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz mißbilligt wird (z. B. bereits Urteil vom 20. Oktober 1965 II 119/62 U, BFHE 83, 545, BStBl III 1965, 697; Urteile vom 21. Januar 1976 I R 234/73, BFHE 118, 553 [556], BStBl II 1976, 513; vom 16. Januar 1976 III R 92/74, BFHE 118, 277, BStBl II 1976, 401). Dabei ist die gewählte Gestaltung insbesondere dann unangemessen, wenn für sie beachtliche außersteuerrechtliche Gründe fehlen und sie entweder im wirtschaftlichen Ergebnis auf das gleiche hinausläuft wie der unmittelbar der Besteuerung unterworfene Sachverhalt oder sich zumindest in der allgemeinen Umgebung des Komplexes bewegt, auf den sich die Besteuerung bezieht (BFH-Urteil vom 5. Mai 1970 II R 98/69, BFHE 99, 550, 552, BStBl II 1970, 757). Demgemäß hat der BFH einen Gestaltungsmißbrauch z. B. dann bejaht, wenn für die Errichtung von Basisgesellschaften im Ausland wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und diese keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten (BFH-Urteile I R 234/73; III R 92/74; vom 29. Januar 1975 I R 135/70, BFHE 115, 107, BStBl II 1975, 553), wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft bei wesentlicher Beteiligung zunächst verschenkt und unmittelbar darauf von dem Beschenkten gegen Entgelt veräußert werden, sofern vernünftige wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe - abgesehen von der Absicht der Steuerersparnis - für eine derartige Gestaltung vorhanden sind (BFH-Urteil vom 28. Januar 1972 VIII R 4/66, BFHE 104, 300 [303], BStBl II 1972, 322), wenn zum Zwecke der Inanspruchnahme der Grunderwerbsteuervergünstigung nach § 5 GrEStG ein Grundstück in der Weise auf eine Personengesellschaft übertragen wird, daß der Veräußerer in die Gesellschaft eintritt, das Grundstück einbringt und sofort wieder aus der Gesellschaft gegen eine Abfindung ausscheidet, sofern keine beachtlichen, außersteuerrechtlichen Gründe für eine derartige Gestaltung vorliegen (BFH-Urteil vom 5. September 1972 II R 152/71, BFHE 107, 240, BStBl II 1973, 33).
a) Für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des Streitfalls ist somit in erster Linie entscheidend, ob für die gewählte Vertragsgestaltung, insbesondere die Erhöhung des Stammkapitals von 250 000 DM auf 500 000 DM durch Schaffung neuer Geschäftsanteile, die in vermögensrechtlicher Hinsicht den Geschäftsanteilen der Altgesellschafter nicht gleichwertig waren, und die gleichzeitige Begründung eines Erwerbsrechts und einer Erwerbspflicht der F für die Geschäftsanteile der Altgesellschafter und die um fünf Jahre hinausgeschobene Übertragung der Geschäftsanteile der Altgesellschafter an F beachtliche außersteuerrechtliche Gründe vorliegen.
Zu Recht hat die Vorentscheidung aus dem Gesamtbild, das das Vertragswerk von 1962 und die Übertragung von 1968 bieten, geschlossen, daß die Aufstockung des Stammkapitals im Jahre 1962 und ebenso bereits die Kapitalerhöhung vom 16. Dezember 1961 zur Gleichstellung der nominellen Beteiligungsverhältnisse des Klägers und des Snur dem Zweck dienten, die Besteuerungsgrenze des § 17 EStG formal zu unterschreiten, also beachtliche außersteuerrechtliche Gründe hierfür fehlten, und daß der Kläger und S im Jahr 1968 trotz der Kapitalaufstockung wirtschaftlich das gesamte Unternehmen der GmbH nach dem Vermögensstand zu diesem Zeitpunkt und nach den bis zum 16. Dezember 1961 bestehenden Beteiligungsverhältnissen von 40:60 an F gegen Entgelt übertragen wollten.
Zwar bemerkt die Revision zu Recht, daß es nicht in jedem Falle rechtsmißbräuchlich ist, wenn ein Steuerpflichtiger, der an einer Kapitalgesellschaft wesentlich beteiligt ist, im Wege der Kapitalerhöhung einen weiteren Gesellschafter aufnimmt, um auf diese Weise seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft auf 25 v. H. zu begrenzen, und wenn er dann nach Ablauf von fünf Jahren die ihm verbliebene Beteiligung von 25 v. H. veräußert. Im Streitfall liegt jedoch eine Vertragsgestaltung vor, die bestimmte Besonderheiten aufweist und die wegen dieser Besonderheiten als rechtsmißbräuchlich zu werten ist. Diese Besonderheiten bestehen einmal darin, daß durch die Kapitalerhöhung Geschäftsanteile minderen Rechts geschaffen wurden, d. h. Geschäftsanteile, die zwar einen Nennwert von 50 v. H. des Stammkapitals hatten, mit denen aber keine entsprechenden 50prozentigen Vermögensrechte verbunden waren, und daß demgemäß der neu eingetretene Gesellschafter auch im Zuge der Kapitalerhöhung weder an die GmbH noch an die Altgesellschafter Kapitalleistungen zu erbringen hatte, die nach dem inneren Wert der bisher vorhandenen Geschäftsanteile bemessen sind. Zum anderen sind Besonderheiten des Streitfalls darin zu sehen, daß gleichzeitig mit der erwähnten Kapitalerhöhung nicht nur ein Erwerbsrecht, sondern auch eine Erwerbspflicht des neu eingetretenen Gesellschafters hinsichtlich der den Altgesellschaftern verbliebenen Geschäftsanteile begründet wurde.
Die Revision meint allerdings, ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund für die gewählte Rechtsgestaltung sei darin zu sehen, daß F der GmbH mit der im Hinblick auf die bevorstehende Kapitalerhöhung geleisteten Zahlung 250 000 DM an neuen Mitteln zugeführt habe. Dieser Rechtsansicht kann der Senat nicht folgen. Um der GmbH zusätzlich 250 000 DM zu verschaffen, hätte es keiner Kapitalerhöhung in der Form bedurft, daß das Stammkapital zwar um nominell 250 000 DM erhöht wird, die neuen Geschäftsanteile aber gleichwohl nicht mit Vermögensrechten ausgestattet werden, die dem Verhältnis ihres Nennwerts zum Stammkapital entsprechen. Es hätte eine nominell wesentlich geringere Kapitalerhöhung mit einem dem Wert des Gesellschaftsvermögens entsprechenden Aufgeld genügt.
Ebensowenig läßt sich die gewählte Gestaltung als wirtschaftlich vernünftig mit der von der Revision geltend gemachten Absicht von F erklären, sich Zugang zum Know-how und zu den Fertigungskapazitäten der GmbH zu verschaffen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es dazu gerade einer Kapitalaufstockung bedurfte, die nominell das Stammkapital um 50 v. H. erhöht, obwohl der neu eintretende Gesellschafter keine Kapitalleistung erbringt, die der von den Altgesellschaftern erbrachten Kapitalleistung in der Form des vorhandenen Unternehmens gleichwertig ist.
Schließlich vermag der Senat der Revision auch darin nicht zu folgen, daß die gewählte Vertragsgestaltung insofern von außersteuerrechtlichen vernünftigen Überlegungen getragen gewesen sei, als sie einem stufenweisen Übergang des Unternehmens auf F diente und insbesondere dem Kläger und S für eine Übergangszeit die Möglichkeit zu einer tätigen Mitarbeit erhielt. Der angemessene Weg zur Erreichung dieses Zieles hätte darin bestanden, daß der Kläger und S zunächst einen Teil ihrer Geschäftsanteile und später dann die restlichen Geschäftsanteile an F veräußerten.
b) Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 StAnpG sind auch insofern erfüllt, als die gewählte Rechtsgestaltung im wirtschaftlichen Ergebnis auf das gleiche hinausläuft wie ein unmittelbar, also nicht erst über § 6 StAnpG von § 17 EStG erfaßter Sachverhalt oder sich zumindest in der Umgebung des Komplexes bewegt, auf den sich § 17 EStG bezieht. Von einer unmittelbar durch § 17 EStG erfaßten Veräußerung von Geschäftsanteilen des Klägers im Nennwert von 40 vH. des Stammkapitals im Jahre 1968 unterscheidet sich die gewählte Gestaltung lediglich insofern, als der Kläger und der Gesellschafter S während eines Zeitraums von etwas mehr als fünf Jahren vor der Übertragung der Geschäftsanteile eine Beschränkung ihrer bisherigen alleinigen Verwaltungsrechte zugunsten des späteren Erwerbers der Geschäftsanteile (bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der vollen und alleinigen vermögensmäßigen Beteiligung) in Kauf nahmen. Dieser Unterschied reicht aber schon deshalb nicht aus, um die gewählte Vertragsgestaltung als außerhalb des Anwendungsbereichs des § 17 EStG gelegen und damit als nicht rechtsmißbräuchlich zu qualifizieren, weil die Beteiligten sich nicht mit einer einstweiligen Beschränkung der Verwaltungsrechte des Klägers und des S zugunsten von F begnügten, sondern von Anfang an sowohl ein Erwerbsrecht als auch eine Erwerbspflicht der F bezüglich sämtlicher Geschäftsanteile des Klägers und des S begründeten und damit den abschließenden Willen des Klägers und des S zur Übertragung ihrer Geschäftsanteile zum Ausdruck brachten, der, wenn er sofort verwirklicht worden wäre, im Jahr 1962 zur Anwendung des § 17 EStG geführt hätte.
Den wirtschaftlichen Gegebenheiten und den wahren Absichten der Beteiligten allein angemessen wäre es somit gewesen, wenn der Kläger und S ihre Geschäftsanteile entweder im Jahr 1962 oder im Jahr 1968 an F veräußert hätten, ohne vorher ihre nominelle Beteiligung am Stammkapital der GmbH auf 25 v. H. zu reduzieren. Da die Geschäftsanteile tatsächlich erst im Jahre 1968 übertragen wurden, ist gemäß § 6 Abs. 2 StAnpG der Besteuerung diese Übertragung mit der Maßgabe zugrunde zu legen, daß die vorangegangene nominelle Reduzierung der Beteiligung auf 25 v. H. außer Betracht bleibt.
3. Der Senat kann der Revision auch darin nicht folgen, daß § 17 EStG verfassungsrechtlich bedenklich sei, weil die Vorschrift zu einer Dreifachbesteuerung der von einer Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Gewinne (Kapitalgesellschaft, Veräußerung, Ausschüttung) führe, und daß deshalb § 17 EStG nicht extensiv ausgelegt werden dürfe. Das BVerfG hat mit Beschluß vom 7. Oktober 1969 2 BvL 3/66 und 2 BvR 701/64 (BVerfGE 27, 111, HFR 1970, 37) entschieden, daß § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG mit dem Grundgesetz vereinbar sind. An diese Entscheidung ist der Senat gebunden (§ 31 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht). Hiervon abgesehen trifft es nicht zu, daß § 17 EStG zu einer Dreifachbesteuerung führt. Im Streitfall hatte die Erwerberin der Geschäftsanteile die Möglichkeit, für Gewinnausschüttungen der GmbH § 9 des KStG in Anspruch zu nehmen und überdies nach der Rechtsprechung des BFH auf die Anschaffungskosten der Geschäftsanteile nach Maßgabe der Ausschüttungen Teilwertabschreibungen vorzunehmen.
Auch ist die Anwendung des § 17 EStG im Streitfall nicht das Ergebnis einer extensiven Auslegung dieser Vorschrift.
Fundstellen
Haufe-Index 72440 |
BStBl II 1977, 754 |
BFHE 1978, 445 |