Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Werbungskostenabzug von Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; Anforderungen an Gegenrüge wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an einer Vorschrift
Leitsatz (NV)
1. Schuldzinsen sind nur dann gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.1 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, wenn die Darlehensvaluta zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgenommen und tatsächlich verwendet worden ist. Der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung läßt sich weder allein durch eine einheitliche Vertragsgrundlage der Schuldaufnahme noch durch eine Willensentscheidung des Steuerpflichtigen herstellen (Anschluß an den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
2. Bezweifelt der Revisionsbeklagte und Kläger die Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbeschränkung nach § 10 Abs. 3 EStG, so entspricht seine Gegenrüge nur dann den Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 FGO, wenn sie erkennen läßt, in welchen Grundrechten sich der Kläger verletzt fühlt; die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift reicht hierzu ebensowenig aus wie der Hinweis auf eine noch ausstehende Entscheidung des BVerfG zum Abzug privater Schuldzinsen (Ergänzung zu BFH-Beschluß vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 10 Abs. 3; FGO § 120 Abs. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Sie errichteten ein Zweifamilienhaus, das im Juni 1979 fertiggestellt wurde. Zur Finanzierung des Hausbaues nahmen sie u.a. ein Hypothekendarlehen in Höhe von 150000 DM auf, ließen sich aber zunächst nur einen Teilbetrag von 90000 DM auszahlen. Die nach dem Einzug der Kläger in das neue Haus noch angefallenen Handwerkerrechnungen aus der Zeit vom 21. Juni 1979 bis 10. Juni 1980 in Höhe von 122133 DM beglichen die Kläger aus den laufenden Praxiseinnahmen des Klägers. Am 19. Juni 1980 wurde der restliche Teilbetrag des Hypothekendarlehens in Höhe von 60000 DM ausgezahlt. Am 23. Juni 1980 leisteten die Kläger Einkommensteuernachzahlungen in Höhe von 54786,18 DM.
Die Kläger machten die in den Streitjahren geleisteten Darlehenszinsen in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) verneinte in Höhe der Einkommensteuernachzahlung einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Darlehensbetrag und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Hiergegen erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch mit Erfolg Klage. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Kläger hätten auch den zweiten Teilbetrag zweckentsprechend verwendet. Die Tatsache, daß sie zunächst den Hausbau mit Eigenmitteln teilfinanziert hätten und sich die restliche Darlehensvaluta erst nach Bezahlung der letzten Handwerkerrechnungen hätten auszahlen lassen, habe den Zusammenhang zwischen der Darlehensaufnahme und der Darlehensverwendung nicht aufzuheben vermocht. Der Einsatz der Eigenmittel stelle lediglich eine steuerlich unschädliche Zwischenfinanzierung dar.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) stützt.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 11.Dezember 1992 vorläufige Änderungsbescheide erlassen, die die Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr.1 FGO).
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG zu Unrecht Schuldzinsen in vollem Umfang als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.1 EStG berücksichtigt hat, obwohl Darlehensmittel für private Aufwendungen eingesetzt wurden.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.1 EStG i.d.F. der Streitjahre sind Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Das Vorliegen eines solchen wirtschaftlichen Zusammenhangs ist danach zu beurteilen, ob die Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkunftserzielung veranlaßt ist. Maßgeblich hierfür ist, ob die Darlehensvaluta zur Erzielung von Einkünften - hier aus Vermietung und Verpachtung - aufgenommen und tatsächlich verwendet worden ist (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
Ein bloßer rechtlicher Zusammenhang - etwa infolge einer Belastung des Grundstücks mit einer Hypothek - reicht nicht aus (BFH-Urteil vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510; Senatsentscheidungen vom 26. November 1985 IX R 64/82, BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161, und vom 21. November 1989 IX R 10/84, BFHE 159, 68, BStBl II 1990, 213; Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817; BFH-Urteile vom 19. Februar 1991 VIII R 422/83, BFHE 164, 374, BStBl II 1991, 765; vom 21. Februar 1991 IV R 46/86, BFHE 163, 551, BStBl II 1991, 514, jeweils m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen sind die Darlehenszinsen nur insoweit als Werbungskosten abziehbar, als die Kläger mit den Darlehensmitteln tatsächlich die Handwerkerrechnungen beglichen haben. Dazu haben sie nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die das Revisionsgericht mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, nur einen Teilbetrag von 90000 DM verwendet. Demgegenüber fehlt ein wirtschaftlicher Zusammenhang des am 19. Juni 1980 überwiesenen Teilbetrags von 60000 DM mit den Herstellungskosten des neu errichteten Hauses. Schon am 10. Juni 1980 hatten die Kläger die letzten Handwerkerrechnungen aus Eigenmitteln bezahlt. Sie können sich entgegen der Auffassung des FG auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie hätten die Finanzierungsart lediglich des Zinsvorteils wegen gewählt, wirtschaftlich aber den gesamten Darlehensbetrag von 150000 DM für den Hausbau verwendet; denn ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung läßt sich weder allein durch eine einheitliche Vertragsgrundlage der Schuldaufnahme noch durch eine Willensentscheidung des Steuerpflichtigen herstellen (Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 290, 308, BStBl II 1990, 817). Entscheidend ist vielmehr, daß der Betrag von 60000 DM tatsächlich nicht für den Hausbau verwendet worden ist. Es kann mithin dahinstehen, ob und inwieweit die Inanspruchnahme der restlichen Darlehensmittel durch die am 23. Juni 1980 gezahlte Einkommensteuerschuld veranlaßt war (§ 12 Nr.3 EStG).
3. Soweit die Kläger die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des Grundfreibetrages und des allgemeinen Tariffreibetrages rügen, wird auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91 (DStR 1992, 1539) verwiesen, an den der BFH nach § 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes (BVerfGG) gebunden ist. Danach bleiben die für verfassungswidrig erkannten Regelungen bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar.
Soweit die Kläger die Höhe der Kinderfreibeträge in den Streitjahren beanstanden, ist ihr Vortrag schon deshalb unschlüssig, weil das BVerfG in seinem Beschluß vom 23. November 1976 1 BvR 150/75 (BVerfGE 43, 108, BStBl II 1977, 135) das in den Streitjahren maßgebende System des Familien- und Kinderlastenausgleichs für verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen hat. Aus den Beschlüssen des BVerfG vom 29. Mai 1990 1 BvL 20, 26/84 und 4/86 (BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653 ff.) und vom 12. Juni 1990 1 BvL 72/86 (BVerfGE 82, 198, BStBl II 1990, 664 ff.) folgt nichts anderes; denn sie betreffen nur das ab dem Veranlagungszeitraum 1983 geltende, durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982 - HBeglG 1983 - (BGBl I, 1857, BStBl I, 972) wieder eingeführte sog. duale System des Kinderlastenausgleichs.
Soweit die Kläger überdies die steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen in ,,ausreichend realitätsgerechter Höhe" beanspruchen und damit wohl die Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbeschränkungen nach § 10 Abs. 3 EStG geltend machen, genügt diese Gegenrüge ebensowenig wie der Hinweis auf eine noch ausstehende Entscheidung des BVerfG zum Abzug privater Schuldzinsen den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Anm.42, m.w.N.); denn sie läßt nicht erkennen, in welchen Grundrechten sich die Kläger verletzt fühlen. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift reicht nicht aus (vgl. auch BFH-Beschluß vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842, m.w.N.).
4. Da das FG bei seiner Entscheidung von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen war, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 418992 |
BFH/NV 1993, 603 |