Entscheidungsstichwort (Thema)
(Grundstücksaufwendungen als Herstellungskosten eines Gebäudes oder als Anschaffungskosten des Grund und Bodens: Kosten der Hangabtragung, Erdarbeiten - handelsrechtlicher Herstellungskostenbegriff maßgebend für Steuerrecht - nachträgliche Herstellungskosten des Grund und Bodens)
Leitsatz (amtlich)
Werden in Hanglage ein Betriebsgebäude und eine Außenanlage höhengleich mit bereits vorhandenem betrieblichen Gebäudebestand errichtet, können die Kosten der Hangabtragung zu den Herstellungskosten des Neubaus bzw. der Außenanlage gehören.
Orientierungssatz
1. Der Herstellungskosten-Begriff gem. § 255 Abs.2 HGB gilt auch für die Bestimmung der Herstellungskosten nach § 6 EStG, und zwar auch schon für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4.7.1990 GrS 1/89).
2. Die beim Bau eines Gebäudes regelmäßig anfallenden Erdarbeiten (Abtragung, Lagerung, Einplanierung bzw. Abtransport des Mutterbodens, der Aushub des Bodens für die Baugrube, seine Lagerung und ggf. sein Abtransport) gehören zu den Herstellungskosten des Gebäudes und der Außenanlage (Ausführungen mit Rechtsprechungshinweisen zur Zuordnung von Aufwendungen zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens oder zu den Gebäudeherstellungskosten aufgrund des Zusammenhangs zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Gebäudenutzung).
3. Aufwendungen, die unmittelbar der erstmaligen oder einer wesentlich verbesserten Nutzung des Wirtschaftsguts Grund und Boden dienen, sind unter der Voraussetzung, daß der Grund und Boden durch diese Maßnahme eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung erfährt, nachträgliche Herstellungskosten des Grund und Bodens, ansonsten sofort abziehbare Betriebsausgaben (vgl. BFH-Rechtsprechung und Literatur).
Normenkette
EStG 1983 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 4; HGB § 255 Abs. 2 S. 1; EStG 1983 § 7 Abs. 5, § 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH und Co. KG, errichtete in den Jahren 1982 bis 1984 auf einem 1971/1972 erworbenen ca. 19 000 qm großen Hanggrundstück im Anschluß an bereits vorhandene Betriebsgebäude eine Lagerhalle. Gleichzeitig wurde auf einem im Jahre 1982 erworbenen Grundstück (2 840 qm) eine Platzbefestigung als Anlieferungszone und Wendeplatz für die neue Halle erstellt. Bei beiden Vorhaben entstanden Kosten für die Abtragung und Begradigung der Hanglage (Abtragungskosten), die von der Klägerin mit 400 212 DM ermittelt und in den Streitjahren (1984 und 1985) anteilig der Halle und der Platzbefestigung als Herstellungskosten zugerechnet wurden.
Nach einer Betriebsprüfung folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) dieser Handhabung nicht. In den gemäß § 164 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Feststellungsbescheiden rechnete er die nunmehr mit 394 928 DM ermittelten Abtragungskosten als nachträgliche Anschaffungskosten dem Grund und Boden hinzu und erließ entsprechend geänderte Bescheide vom 27. März 1987. Der Einspruch dagegen hatte teilweise Erfolg. Das FA behandelte 99 822 DM für die Erstellung der Fundamente für den Hallenneubau und 31 081 DM für die Auskofferung des Grundstücks für die Platzbefestigung als Herstellungskosten, wies im übrigen jedoch den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Klage, mit der die Klägerin weiter geltend machte, die gesamten Abtragungskosten seien Herstellungskosten, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) teilte die Auffassung des FA, die streitigen Aufwendungen gehörten zu den nachträglichen Anschaffungskosten des Grund und Bodens (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1991, 181).
Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts und Verletzung von Verfahrensrecht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, auch die weiteren Abtragungskosten in Höhe von 264 025 DM den Herstellungskosten des Gebäudes bzw. der Außenanlage zuzuordnen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die strittigen Aufwendungen sind als Herstellungskosten des Gebäudes und der Platzbefestigung, nicht als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Grund und Bodens anzusehen.
1. Nach § 6 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, zu denen auch die von der Klägerin errichtete Lagerhalle sowie die Platzbefestigung (Außenanlage) gehören, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 EStG, ggf. mit dem niedrigeren Teilwert anzusetzen. Zu den Herstellungskosten gehören die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese Begriffsbestimmung, die sich aus § 255 Abs.2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) ergibt, gilt nach dem Beschluß des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 1/89 (BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, 833) auch für die Bestimmung der Herstellungskosten nach § 6 EStG, und zwar auch schon für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG) vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2355).
2. Beim Bau eines Gebäudes fallen regelmäßig auch Aufwendungen für Erdarbeiten an. Zu den Erdarbeiten gehören vornehmlich die Abtragung, Lagerung, Einplanierung bzw. der Abtransport des Mutterbodens, der Aushub des Bodens für die Baugrube, seine Lagerung und ggf. sein Abtransport. Die Aufwendungen dafür gehören nicht zu den Anschaffungskosten für den Grund und Boden, sondern zu den Herstellungskosten des Gebäudes und der Außenanlage. Denn die Erdarbeiten sind eindeutig nicht durch den Erwerb des (wirtschaftlichen) Eigentums am Grund und Boden, sondern durch die Errichtung des Gebäudes und der Außenanlage veranlaßt.
3. Nach Auffassung des Senats gehören auch die im Streitfall angefallenen Abtragungskosten zu den Herstellungskosten des Gebäudes. Ein Hanggrundstück kann regelmäßig in der Weise bebaut werden, daß zunächst ein Teil des Erdreichs im Hang abgeräumt und abtransportiert wird. Das anschließend errichtete Gebäude steht dann auf einer ebenen Grundfläche. Ein Hanggrundstück kann regelmäßig aber auch in der Weise bebaut werden, daß der Hang als solcher erhalten bleibt und das Gebäude gleichsam auf den Hang aufgesetzt wird. Das Gebäude steht dann nicht auf einem ebenen Grundstück. Den Besonderheiten der Hanglage muß dann durch entsprechende Gestaltung des tragenden Mauerwerks, durch Stützpfeiler oder in ähnlicher Weise Rechnung getragen werden. Die Entscheidung, ob der eine oder der andere Weg beschritten wird, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von der Zweckbestimmung des Bauwerks, den Bodengegebenheiten sowie ggf. auch von bau- und umweltrechtlichen Vorgaben ab. In beiden Fällen ist der Bau regelmäßig teurer als der Bau auf einem von Natur aus (mehr oder weniger) ebenen Grundstück. Es ist deshalb gerechtfertigt, in beiden Fällen Herstellungskosten des Gebäudes anzunehmen; vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. September 1965 I R 93/63 U (BFHE 83, 488, BStBl III 1965, 674) und vom 3. Juni 1975 VIII R 156/71 (BFHE 116, 32, BStBl II 1975, 696) zur Behandlung der Kosten der Errichtung bzw. Erneuerung einer Hangstützmauer als Herstellungskosten bzw. Erhaltungsaufwand für das Gebäude. Dadurch werden auch Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden, die bei anderer Beurteilung der Abtragungskosten entstehen. Denn auch in diesem Falle müßten die "üblichen" Erdarbeiten den Herstellungskosten des Gebäudes zugeordnet werden, wie es auch im Streitfall geschehen ist.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs.2 FGO), war für die gewählte Bauweise im Streitfall wesentlich bestimmend die Absicht der Klägerin, eine höhengleiche Bebauung im Anschluß an das bereits vorhandene Betriebsgrundstück zu ermöglichen. Demzufolge ist im Streitfall davon auszugehen, daß die Abtragungsarbeiten erforderlich waren, weil eine ganz bestimmte Art der Bebauung, nämlich die höhengleiche Bebauung mit dem bisherigen Betriebsgrundstück, vorgesehen war. Die Kosten sind somit angefallen, weil die Klägerin eine bestimmte Art der Bebauung und eine entsprechende betriebliche Nutzung realisieren wollte. Der Zusammenhang zwischen Abtragungsarbeiten und Neubau war demnach nicht nur zeitlicher, sondern sachlicher Art. Dies rechtfertigt im Streitfall die Zuordnung der Kosten zu den Herstellungskosten des Gebäudes. Dies mag anders sein, wenn ein konkreter Zusammenhang zwischen der Errichtung eines Betriebsgebäudes und entsprechenden Abtragungskosten fehlt (vgl. z.B. Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 3.Aufl., § 253 HGB Rdnr.21 zur Zuordnung zu den Anschaffungskosten). Der enge Zusammenhang zwischen Aufwendungen und einer bestimmten Gebäudenutzung ist auch in anderem Zusammenhang für die Zuordnung von Aufwendungen nicht zum Grund und Boden, sondern zu den Gebäudeherstellungskosten bestimmend, nämlich bei bestimmten öffentlich-rechtlichen Abgaben, die durch eine besondere Art der Grundstücksnutzung ausgelöst wurden (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1982 VIII R 175/79, BFHE 137, 314, BStBl II 1983, 212, m.w.N.). Dem Grund und Boden können die Aufwendungen dann entgegen der Auffassung des FG auch nicht deshalb zugeordnet werden, weil der Aufwand bei einer späteren erneuten Bebauung nicht mehr anfällt und der Aufwand sich so über die Nutzungsdauer des zunächst errichteten Gebäudes hinaus als nützlich erweisen kann (BFHE 137, 314, BStBl II 1983, 212, 213). Aus den genannten Gründen kann das FG sich für seine abweichende Auffassung auch nicht auf das Senatsurteil vom 17. August 1961 IV 318/58 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1962, 129) berufen. Dieses Urteil ist zu einem mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt ergangen, nämlich zur provisorischen Herrichtung einer Straßenanbindung durch den Eigentümer eines Anliegergrundstücks, welches noch nicht an das öffentliche Straßennetz angeschlossen war. Dabei tritt der erschließungsähnliche Charakter der Maßnahme in den Vordergrund und rechtfertigt es, die Aufwendungen für die eigene Erschließungsmaßnahme dem grundstücksbezogenen Erschließungsbeitrag, der zu den nachträglichen Anschaffungskosten des Grund und Bodens gerechnet wird (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1989 IV R 27/87, BFHE 157, 554, BStBl II 1990, 126), gleichzustellen.
4. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die Abtragungskosten den Herstellungskosten des Gebäudes und der Außenanlage zuzuordnen sind. Damit, nämlich mit der Zuordnung zu diesen Wirtschaftsgütern, entfällt gleichzeitig die Möglichkeit, den Aufwand dem Grund und Boden zuzuordnen, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt nachträglicher Anschaffungskosten. Es bedarf daher im Streitfall nicht der Prüfung, unter welchen Voraussetzungen im einzelnen bei Grund und Boden nachträgliche Anschaffungskosten angenommen werden können.
5. Bei Grundstücken können allerdings auch Aufwendungen anfallen, die als nachträgliche Herstellungskosten des Grund und Bodens anzusehen sind. Dies ist z.B. angenommen worden, wenn Grundstücke, z.B. Unland oder ehemaliges Straßengelände, erstmals für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung urbar gemacht werden (Urteil des Reichsfinanzhofs vom 11. Oktober 1939 IV 420/39, RStBl 1940, 28) sowie bei hohen anschaffungsnahen erstmaligen Bearbeitungskosten einer in Südamerika gelegenen Naturschafweide, die für eine intensivere landwirtschaftliche Nutzung erforderlich waren (BFH-Urteil vom 8. November 1979 IV R 42/78, BFHE 129, 138, BStBl II 1980, 147). Kennzeichnend für diese Fälle ist, daß die Aufwendungen unmittelbar der erstmaligen oder einer wesentlich verbesserten Nutzung des Wirtschaftsguts Grund und Boden dienen. Die Aufwendungen werden nicht durch die Errichtung eines Bauwerks auf dem Grund und Boden, sondern durch die Nutzung des Grund und Bodens verursacht. Sie können deshalb nur diesem zugeordnet werden und sind unter der Voraussetzung, daß der Grund und Boden durch die Maßnahme eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung erfährt, nachträgliche Herstellungskosten (vgl. § 255 Abs.2 Satz 1 HGB), ansonsten sofort abziehbare Betriebsausgaben (Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2.Aufl. 1991, Rz.1120). Im Streitfall sind die Aufwendungen indes, wie dargelegt, unmittelbar durch die Herstellung des Gebäudes und der Außenanlage verursacht und deshalb deren Herstellungskosten zuzuordnen.
6. Als Teil der Herstellungskosten des Gebäudes bzw. der Außenanlage unterliegen die Abtragungskosten der AfA nach § 7 EStG. Der Gewinn wird entsprechend gemindert. Das FG hat die Abtragungskosten aufgrund seiner abweichenden Rechtsauffassung zu den nicht der AfA unterliegenden Anschaffungskosten für den Grund und Boden gerechnet. Das FG-Urteil mußte demzufolge aufgehoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 65139 |
BFH/NV 1994, 54 |
BStBl II 1994, 512 |
BFHE 174, 136 |
BFHE 1995, 136 |
BB 1994, 1181 |
BB 1994, 1181-1183 (LT) |
DB 1994, 1329-1330 (LT) |
DStR 1994, 935-936 (KT) |
DStZ 1994, 500 (LT) |
HFR 1994, 521-522 (LT) |
StE 1994, 350 (K) |