Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsverpachtung bei Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen; Betriebsvermögen nach Betriebseinstellung
Leitsatz (NV)
1. Eine Betriebsverpachtung im ganzen setzt voraus, daß alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet werden.
2. Zum Übergang eines Grundstücks in das Privatvermögen bei Betriebseinstellung.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb die von ihrer Mutter im Jahre 1976 durch Erbfall erworbene Buchdruckerei X bis zum 31. März 1979. Durch Vertrag vom 3. April 1979 übertrug die Klägerin das Geschäft mit Wirkung vom 1. April 1979 auf eine GmbH, die die Firma ,,Druckerei X GmbH" (GmbH) führte. Gegenstand der Geschäftsübertragung waren der gesamte Maschinenpark, die übrige technische Geschäftsausstattung, die Einrichtungsgegenstände und das gesamte Warenlager. Die Übernahme der Verbindlichkeiten, Forderungen und des zu 2/3 betrieblich genutzten und insoweit aktivierten Grundstücks war ausgeschlossen. In einem gleichzeitig mit dem Übergabevertrag abgeschlossenen Mietvertrag mietete die GmbH von der Klägerin die Räume, in denen die Druckerei ausgeübt worden war, auf die Dauer von mindestens 10 Jahren.
Die Klägerin ging in der Erklärung zur gesonderten Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr 1979 davon aus, daß die Gewinne aus der Veräußerung aufgrund des Geschäftsübertragungsvertrages vom 3. April 1979 dem laufenden Gewinn hinzuzurechnen seien und daß die Vermietung der betrieblich genutzten Grundstücksteile einen ruhenden Gewerbebetrieb bilde. Davon abweichend behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Geschäftsübertragung und die Vermietung des Grundstücks insgesamt als Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und ermittelte dementsprechend in dem gesonderten Feststellungsbescheid einen laufenden Verlust für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis 31. März 1979 in Höhe von 6 483 DM und einen Betriebsaufgabegewinn in Höhe von 189 036 DM.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Zustimmung des FA Sprungklage. Sie machte den vom FA geänderten Feststellungsbescheid, in dem der Betriebsaufgabegewinn in Höhe von 188 066 DM angesetzt worden war, zum Gegenstand des Verfahrens.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur insoweit statt, als es im Einverständnis mit dem FA der Besteuerung einen Betriebsaufgabegewinn in Höhe von nur 186 199 DM zugrunde legte. Im übrigen bestätigte das FG die Auffassung des FA, daß im Streitfall eine Betriebsaufgabe und keine Betriebsverpachtung vorliege, der betrieblich genutzte Grundstücksteil Privatvermögen geworden sei und deshalb die in ihm enthaltenen stillen Reserven in den Aufgabegewinn einzubeziehen seien.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den gesonderten Feststellungsbescheid dahin abzuändern, daß ein nicht begünstigter laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 33 964 DM festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der betrieblich genutzte Grundstücksteil unter steuerpflichtiger Auflösung der stillen Reserven aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden ist, weil im Streitfall die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung im ganzen nicht gegeben sind.
Eine Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG mit der Folge der Versteuerung aller stillen Reserven liegt dann nicht vor, wenn der Betrieb im ganzen verpachtet wird und der Verpächter keine Betriebsaufgabe erklärt (Urteil des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124). Eine Betriebsverpachtung in diesem Sinne setzt zwar nicht voraus, daß der Betrieb als geschlossener Organismus verpachtet wird, wohl aber, daß alle wesentlichen Grundlagen des ganzen Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs verpachtet werden (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81, BFHE 140, 526, BStBl II 1984, 474, 479 m.w.N.). Dieses Erfordernis ist in der Regel nicht erfüllt, wenn nur das Betriebsgrundstück verpachtet wird, es sei denn, das Grundstück ist die alleinige wesentliche Betriebsgrundlage.
Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen rechnen bei einem Fabrikationsbetrieb die Betriebsvorrichtungen und Maschinen mit dem notwendigen Zubehör (BFHE 140, 526, BStBl II 1984, 474, 479). Dies gilt auch für die Maschinen und die technische Geschäftsausstattung einer Druckerei, weil sie für die Betriebsfortführung funktional von erheblicher Bedeutung sind. Diese Gegenstände sind damit im Streitfall jedenfalls auch als wesentliche Betriebsgrundlage der Druckerei anzusehen; dem steht nicht entgegen, daß die Maschinen - wie die Klägerin geltend macht - nach Ablauf der Pachtzeit veraltet und technisch überholt sind. Diese Beurteilung hat auch das FG der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt, ohne daß die Klägerin widersprochen hat.
Da somit im Streitfall die Klägerin nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Dritten verpachtet hat, liegt eine Betriebsverpachtung in dem genannten Sinne nicht vor. Es kommt deshalb für die Entscheidung dieser Frage nicht mehr darauf an, ob auch der betrieblich genutzte Grundstücksteil eine wesentliche Betriebsgrundlage der Druckerei der Klägerin war. Die Klägerin kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Annahme des FG, der betrieblich genutzte Teil des Grundstücks sei keine wesentliche Betriebsgrundlage gewesen, unzutreffend sei und der Rechtsprechung des BFH widerspreche. Ferner ist für die Entscheidung, ob im Streitfall eine Betriebsverpachtung anzunehmen ist, der Sachvortrag der Klägerin nicht erheblich, daß sie wegen der Übernahme des Firmennamens durch die GmbH nach Ablauf der Pachtzeit die Druckerei mit dem alten Kundenstamm hätte fortführen können und daß die für die Druckerei genutzten Gebäudeteile wegen ihres Zuschnitts ohne beträchtliche und unwirtschaftliche Umgestaltungen nicht für andere Zwecke hätten verwendet werden können.
2. Das FG ist in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, daß im Streitfall, in dem der betrieblich genutzte Grundstücksteil an die GmbH vermietet (verpachtet) und das übrige Vermögen an die GmbH veräußert worden ist, eine Betriebsaufgabe i. S. des § 16 Abs. 3 EStG und keine Betriebsveräußerung i. S. des § 16 Abs. 1 EStG gegeben ist. Die Entscheidung dieser Frage kann hier dahingestellt bleiben, da die Rechtsfolgen (Versteuerung der stillen Reserven des betrieblich genutzten Grundstücksteils) in beiden Fällen die gleichen sind.
3. Der Entscheidung des FG, daß der betriebliche Grundstücksteil mit der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit durch die Klägerin und der gleichzeitigen Vermietung dieses Grundstücksteils aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden und Privatvermögen geworden ist, ist zuzustimmen. Mit der Vermietung oder Verpachtung eines bisher betrieblich genutzten Grundstücks wird dieses in das Privatvermögen übernommen, wenn das übrige Betriebsvermögen veräußert und damit der Betrieb eingestellt wird (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1986 I R 96/83, BFHE 148, 32, BStBl II 1987, 113). Nach diesen Grundsätzen ist der betriebliche Grundstücksteil im Zeitpunkt der Vermietung aus dem Betriebsvermögen der Klägerin ausgeschieden. Dies löst die Versteuerung der in dem betrieblichen Grundstücksteil enthaltenen stillen Reserven aus, und zwar bei Annahme einer Betriebsaufgabe gemäß den Regeln des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG und bei Annahme einer Betriebsveräußerung gemäß analoger Anwendung dieser Vorschrift.
Die Klägerin konnte den betrieblich genutzten Grundstücksteil auch nicht als Betriebsvermögen ohne Betrieb fortführen. Der Fortbestand von Betriebsvermögen auch nach Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe ist z. B. anzunehmen, wenn die Wirtschaftsgüter nur betrieblich genutzt werden können. Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Betriebsgrundstück bei Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe wie im Streitfall auf eine Zeit von zehn Jahren vermietet wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 148, 32, BStBl II 1987, 113); denn durch die Vermietung hat die Klägerin wegen der gleichzeitig erfolgten Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe eine Änderung der Nutzung des Grundstücks zu außerbetrieblichen Zwecken vorgenommen.
4. An die Feststellungen der Höhe der (analog) gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG ermittelten stillen Reserven des betrieblichen Grundstücksteils durch das FG ist der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden; die Klägerin hat insoweit keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 61682 |
BFH/NV 1987, 578 |