Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs bei der Gesellschaftsteuer
Leitsatz (NV)
1. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 knüpft an den zivilrechtlichen Leistungsbegriff an.
2. Der zivilrechtliche Leistungsbegriff setzt nicht voraus, daß das Gesellschaftsvermögen tatsächlich erhöht wird oder daß eine tatsächliche Erhöhung des Gesellschaftsvermögens auch bilanziell in Erscheinung tritt.
3. Leistungen mit Geldeswert sind grundsätzlich geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
4. Steht der Leistung eines Gesellschafters eine gleichwertige Gegenleistung der Gesellschaft gegenüber, dann fehlt es an der Zuführung von Gesellschaftskapital. Das Gegenüberstehen von Leistung und Gegenleistung kann nur dann angenommen werden, wenn beide in einer schuldrechtlichen Wechselbeziehung zueinander stehen.
Normenkette
KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c, § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 8 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine inländische Kommanditgesellschaft. Persönlich haftende Gesellschafterin war in den Jahren 1978 bis 1980 die X-GmbH. Kommanditist war X, der noch an weiteren Gesellschaften (kurz: nahestehende Gesellschaften) maßgeblich beteiligt war.
Die Klägerin hatte zum 31. Dezember gegenüber den nahestehenden Gesellschaften Verbindlichkeiten in Höhe von . . . DM, die zum 31. Dezember 1979 auf . . . DM anwuchsen. Diese Verbindlichkeiten wurden nicht verzinst. Zum 31. Dezember 1980 bestanden die Verbindlichkeiten nicht mehr.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte die Nichtverzinsung der Verbindlichkeiten als einen Zinsverzicht der nahestehenden Gesellschaften gegenüber der Klägerin. Er unterwarf ihn durch Gesellschaftsteuerbescheid vom 14. Januar 1983 gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c i. V. m. § 4 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 der Gesellschaftsteuer. Den Wert des Zinsverzichtes berechnete er nach dem Durchschnittsbetrag (Nennwert) der Verbindlichkeiten im Jahre 1979 und nach dem entsprechenden Anfangsbetrag des Jahres 1980. Dabei legte er einen Zinssatz von 5 v. H. zugrunde. Er lehnte es ab, Forderungen, die die Klägerin gegenüber anderen nahestehenden Gesellschaften hatte und die ebenfalls nicht verzinst worden waren, i. S. eines Vorteilsausgleichs wertmindernd zu berücksichtigen.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der sich anschließenden Klage statt.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c und 4 KVStG 1972.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des Gesellschaftsteuerbescheids vom 14. Januar 1983 nach Maßgabe des Antrags des FA in der Revisionsinstanz (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 unterliegt die Überlassung von Gegenständen durch den Gesellschafter an eine inländische Kapitalgesellschaft zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung der Gesellschaftsteuer. Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was unter einer inländischen Kapitalgesellschaft und was unter einem Gesellschafter i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 zu verstehen ist. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 ist auch eine GmbH & Co. KG mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland inländische Kapitalgesellschaft, wenn die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin fungiert. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KVStG 1972 gilt der Kommanditist einer inländischen GmbH & Co. KG als Gesellschafter dieser Kapitalgesellschaft.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO binden, war die Klägerin in den Jahren 1979 und 1980 eine GmbH & Co. KG mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland. Ihre persönlich haftende Gesellschafterin war die X-GmbH. Damit war die Klägerin inländische Kapitalgesellschaft i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972. X war als Kommanditist der Klägerin deren Gesellschafter i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KVStG 1972.
2. Nach den weiteren tatsächlichen Feststellungen des FG hatten Gesellschaften, an denen X als Gesellschafter beteiligt war, in den Jahren 1979 und 1980 fällige Forderungen gegen die Klägerin, auf deren Verzinsung sie verzichteten. Die fälligen Forderungen betrugen im Jahresdurchschnitt 1979 . . . DM und im Jahresdurchschnitt 1980 . . . DM.
Die unverzinsliche Überlassung des Kapitals, das die genannten Forderungen verkörperten, ist eine gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 steuerpflichtige Leistung. Gegenstand i. S. der Vorschrift kann auch Kapital sein, das durch eine Forderung verkörpert und vom Gesellschafter der Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung überlassen wird (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Juni 1989 I R 110/85, BFHE 157, 244, BStBl II 1989, 853). § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 knüpft an Vorgänge des Zivilrechts und deshalb an dessen weiten Leistungsbegriff an. Der zivilrechtliche Leistungsbegriff setzt nicht voraus, daß das Gesellschaftsvermögen tatsächlich erhöht wird bzw. daß die tatsächlich eintretende Erhöhung des Gesellschaftsvermögens auch bilanziell in Erscheinung tritt (vgl. BFHE 157, 244, BStBl II 1989, 853). Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat in seinem Urteil vom 5. Februar 1991 Rs. C-249/89 diese Auffassung als richtlinienkonform bestätigt.
3. Die Tatsache, daß im Streitfall das Kapital nicht von einem Gesellschafter, sondern von einer ihm nahestehenden anderen Gesellschaft der Klägerin zur unentgeltlichen Nutzung überlassen wurde, steht der Annahme einer gesellschaftsteuerpflichtigen Leistung nicht entgegen. Nach § 4 KVStG 1972 wird die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen, daß Leistungen i. S. des § 2 KVStG 1972 nicht von den Gesellschaftern, sondern von Personenvereinigungen bewirkt werden, an denen die Gesellschafter als Mitglieder oder als Gesellschafter beteiligt sind. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, war X Gesellschafter einerseits der Klägerin und andererseits der Gesellschaften, die der Klägerin die Forderungen zinslos zur Nutzung überließen.
4. Die zinslose Überlassung der Forderungen war auch geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Geldleistungen sowie Leistungen mit Geldeswert sind grundsätzlich geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Der Gesellschaftsteuer unterliegen solche Vorgänge, die der rechtliche Ausdruck für die Ansammlung von Eigenkapital sind, soweit sie zur Verstärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft beitragen (vgl. EuGH-Urteile vom 15. Juli 1982 Rs. 270/81, EuGHE 1882, 2771 Rdnr. 16; vom 2. Februar 1988 Rs. 36/86, EuGHE 21988, 409, Rdnr. 13 und 14; vom 28. März 1990 Rs. C-38/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1990, 342). Insoweit ist es unerheblich, ob der Vorgang in einer Kapitaleinlage, in einem Zuschuß oder aber in der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung von Gesellschafterkapital besteht. Letzterer Vorgang ist geeignet, der Gesellschaft Zinsaufwendungen für die Nutzung anderweitigen Fremdkapitals zu ersparen. Hierin liegt die mögliche Verstärkung des Wirtschaftspotentials der Gesellschaft.
5. Zu Unrecht hat das FG die Eignung der unentgeltlichen Forderungsüberlassung, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, aus Gründen eines angenommenen Vorteilsausgleichs verneint. Steht der Leistung eines Gesellschafters eine gleichwertige Gegenleistung der Gesellschaft gegenüber, so fehlt es an der Zuführung von Gesellschaftskapital durch den Gesellschafter als Tatbestandsmerkmal aller nach § 2 Abs. 1 KVStG 1972 steuerpflichtigen Leistungen. Die von § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1972 geforderte Eignung der Leistung, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, bezieht sich deshalb nur auf solche Gesellschafterleistungen, denen keine oder keine gleichwertige Gegenleistung der Gesellschaft gegenübersteht. Dabei kann abweichend von der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen FG im Urteil vom 11. Mai 1976 III 19/72 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1976, 468) das Gegenüberstehen von Leistung und Gegenleistung nur dann angenommen werden, wenn beide in einer schuldrechtlichen Wechselbeziehung zueinander stehen. Daran fehlt es, wenn Leistung und Gegenleistung nur in einem tatsächlichen kausalen Zusammenhang zueinander stehen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, bestand keine ausdrückliche Vereinbarung über die Verzinsung bzw. Nichtverzinsung der Forderungen und Gegenforderungen. Die Gläubiger der Forderungen verzichteten lediglich in tatsächlicher Hinsicht auf die Verzinsung, weil dies im Interesse des Unternehmensverbandes lag. Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen kann nur von einem tatsächlichen kausalen Zusammenhang ausgegangen werden, der zwischen der Nichtverzinsung der Forderungen und der Nichtverzinsung der Gegenforderungen bestand. Es fehlt an einer vertraglich vereinbarten Wechselbeziehung. Dann aber kann die Gesellschaftsteuerpflicht der Nichtverzinsung nicht aus Gründen eines Vorteilsausgleichs verneint werden.
6. Gemäß § 8 Nr. 2 KVStG 1972 wird bei Leistungen i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 die Gesellschaftsteuer vom Wert der Leistung berechnet. Im Durchschnitt der Jahre 1979 und 1980 konnte die Klägerin Kapitalforderungen in Höhe von . . . DM (1979) bzw. in Höhe von . . . DM zinslos nutzen. Der Nutzungswert der Forderungen ist vom FA mit 5 v. H. angemessen ermittelt worden. Entsprechend ist die Gesellschaftsteuer von einer Bemessungsgrundlage von 5 v. H. von . . . DM zu berechnen. Die Gesellschaftsteuer (1 v. H.) beträgt damit . . . DM (1979) bzw. . . . DM (1980), insgesamt also 2 528,08 DM. Da das FA im Revisionsverfahren nur eine Steuerfestsetzung auf 2 525 DM beantragt hat und der Senat nicht von dem Antrag abweichen darf (§§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), war die Steuer auf 2 525 DM festzusetzen. Die weitergehende Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417722 |
BFH/NV 1992, 128 |