Entscheidungsstichwort (Thema)
Opel Campo-R kein LKW
Leitsatz (NV)
- Der Anteil der Ladefläche an der Nutzfläche eines Kfz ist bei Zuordnung zum Typus der LKW oder PKW in der Regel von ausschlaggebender Bedeutung. Allein das Vorhandensein einer offenen Ladefläche rechtfertigt die Zuordnung zum Typus des LKW nicht (Bestätigung des Senatsurteils VII R 73/00).
- Zur Einordnung eines Pick-up (Opel Campo-R).
Normenkette
KraftStG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2, §§ 8, 9 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (EFG 2000, 1278) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist seit 1997 Halterin eines Opel Campo-R, eines sog. Pick-up mit Doppelkabine. Das mit einem Hardtop ausgestattete Fahrzeug ist von der Verkehrsbehörde als LKW offener Kasten eingestuft worden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) stufte das Fahrzeug zunächst entsprechend ein und besteuerte es als LKW. Nach Mitteilung der Fahrzeugdaten durch die Zulassungsstelle besteuerte das FA das Fahrzeug mit Steueränderungsbescheid vom 19. November 1999 ab dem 1. Januar 2000 als PKW.
Der dagegen erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1278 veröffentlichten Urteil stattgegeben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Das FA meint, dass dem Fahrzeugprospekt entgegen der Annahme des FG zu entnehmen sei, dass die Konzeption des Herstellers für diesen Fahrzeugtyp überwiegend auf die Beförderung von Personen abstelle. Die Ladefläche, welche die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche nicht übersteige, lasse das Fahrzeug nicht als LKW erscheinen. Diese Betrachtung sei auch nicht angesichts des abnehmbaren Hardtops geboten. Ebenso wenig lasse sich die Besteuerung als LKW mit der Nutzlast und dem zulässigen Gesamtgewicht des Fahrzeuges begründen. Die tatsächliche Nutzung des Fahrzeuges durch die Klägerin sei unerheblich.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des FG führt sie ergänzend aus: Das Fahrzeug diene vorrangig dem Transport von Werkzeugen und Pipelinebällen und sei grundsätzlich mit maximal ein bis zwei Personen besetzt. Die im Herstellerprospekt u.a. beschriebene Nutzung für entspannende und bequeme Familienfahrten scheide bei einer Kapitalgesellschaft bereits wegen fehlender Privatsphäre aus.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das Urteil des FG entspricht nicht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Nach den gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) maßgebenden verkehrsrechtlichen Vorschriften sind "Personenkraftwagen" nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Personen bestimmte Kfz mit nicht mehr als acht Fahrgastplätzen einschließlich der sogenannten Kombinationskraftwagen, die geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen (§ 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ―StVZO―). LKW ―andere Fahrzeuge i.S. von § 8 Nr. 2 KraftStG― sind Kfz, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmt sind (vgl. § 4 Abs. 4 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes ―PBefG― und die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 26. August 1997 VII B 103/97, BFH/NV 1998, 87, und vom 26. Juni 1997 VII R 12/97, BFH/NV 1997, 810).
Ob ein Personen-, ein Kombinations-, oder ein Lastkraftwagen vorliegt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. u.a. Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97, BFHE 183, 272, BStBl II 1997, 627) anhand von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs zu beurteilen. Dabei ist die objektive Beschaffenheit des Fahrzeuges unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit vom Tatsachengericht zu bewerten (so schon Urteil des Senats vom 26. November 1991 VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414). Bei Serienfahrzeugen ist in der Regel die Konzeption des Herstellers für Bauart und Einrichtung bestimmend und prägt die objektive Beschaffenheit eines Fahrzeuges entscheidend (so schon Senatsurteil in BFH/NV 1992, 414).
Die Einstufung eines Fahrzeuges durch die Verkehrsbehörde hingegen hat als solche weder kraftfahrzeugsteuerrechtlich bindende Wirkung, wie sich im Umkehrschluss aus § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG ergibt; noch lässt sie im Allgemeinen deshalb einen zuverlässigen Rückschluss auf die richtige kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung zu, weil die Verkehrsbehörden insofern eine überlegene Sachkunde anwenden könnten (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 30. September 1981 II R 56/78, BFHE 134, 367, 369, BStBl II 1982, 82).
2. Zu den Merkmalen, denen bei der Zuordnung eines Fahrzeuges zum Typ des PKW oder des LKW besonderes Gewicht beizumessen ist, gehören nach dem Urteil des Senats vom 1. August 2000 VII R 26/99 (BStBl II 2001, 72) die Größe der Ladefläche des Fahrzeuges und die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, weil diese Merkmale von besonderer Bedeutung dafür sind, ob die Möglichkeit einer Benutzung des Fahrzeuges zur Lastenbeförderung gegenüber seiner Eignung zur Personenbeförderung Vorrang hat, wobei Fahrzeuge, die sich für beide Zwecke in etwa gleich gut eignen, keine LKW, sondern sog. Kombinationsfahrzeuge sind.
Der Senat hat in diesem Urteil im Interesse praktikabler Zuordnungsmaßstäbe und der um der Rechtssicherheit willen geforderten Vorhersehbarkeit kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Zuordnungen für gerechtfertigt erklärt, typisierend davon auszugehen, dass Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche oder ihr Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht. Diesen Maßstab hat der Senat in seinem Urteil vom 8. Februar 2001 VII R 73/00 (BStBl II 2001, 368) auch bei einem Kfz für anwendbar erklärt, dessen Ladefläche offen (offener Kasten) oder gegebenenfalls durch ein Hardtop oder eine Plane verschließbar ist und bei dem durch eine fest eingebaute Trennwand der Raum für die Personenbeförderung (Kabine) von der zur Beförderung von Gütern dienenden Ladefläche (Pritsche) getrennt ist. Auch bei solchen, oftmals als Pick-up bezeichneten Fahrzeugen hält der erkennende Senat grundsätzlich eine Einordnung als LKW nur dann für gerechtfertigt, wenn die Ladefläche die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche übertrifft. Denn nur dann ist im Allgemeinen die Annahme gerechtfertigt, das Fahrzeug sei (zumindest überwiegend) für die Güterbeförderung konzipiert
Allerdings hat der Senat in den vorgenannten Urteilen in BStBl II 2001, 72 und vom 8. Februar 2001 VII R 73/00 ebenfalls darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Anteil der Ladefläche an der Nutzfläche nur um eines von mehreren Zuordnungskriterien handle, wenn ihm auch in der Regel ausschlaggebende Bedeutung beizumessen sei. Eine umfassende, dem Tatrichter obliegende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls sei aber geboten und könne im Einzelfall gewichtige Merkmale zu Tage fördern, die auch bei einem Fahrzeug mit einer weniger als die Hälfte der nutzbaren Bodenfläche ausmachenden Ladefläche ausnahmsweise eine Einordnung als LKW rechtfertigen könnten, wenn sie eindeutig für eine überwiegende Bestimmung und Eignung des betreffenden Fahrzeugs zum Gütertransport sprechen.
Allein das Vorhandensein einer offenen Ladefläche, auch wenn sie wie vorliegend geschehen mit einem Hardtop verschlossen ist, rechtfertigt für sich genommen nicht, das Fahrzeug dem Typus LKW zuzuordnen. Es spricht vielmehr allenfalls für ein sog. Kombinationsfahrzeug, sofern nicht weitere Merkmale hinzutreten (wie z.B. eine besonders hohe Zuladung, eine eindeutig für die Personenbeförderung unzureichende Federung oder Motorisierung, das Fehlen jeder Komfortausstattung oder dergleichen) und diese in ihrer Gesamtheit nach tatrichterlicher Würdigung eine Einordnung als LKW verlangen (Urteil des Senats vom 8. Februar 2001 VII R 73/00).
3. Von diesen Maßstäben ausgehend erweist sich die Auffassung des angefochtenen Urteils, das Fahrzeug des Klägers sei ein LKW, als nicht frei von Rechtsirrtum.
Das Fahrzeug des Klägers erfüllt nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, nicht die bei einem LKW im Allgemeinen vorauszusetzenden Anforderungen an die Ladefläche. Diese ist bei dem vorliegenden Fahrzeug deutlich kleiner als die Hälfte der gesamten Nutzfläche. Angesichts der Ausmaße der viertürigen Doppelkabine kann der Größe der Ladefläche, welche das FG bei seiner Beurteilung hervorgehoben hat, eine das äußere Erscheinungsbild prägende Wirkung daher nicht beigemessen werden. Ebenso wenig ist, wie oben bereits ausgeführt, eine solche Beurteilung angezeigt, weil die offene Ladefläche mit einem Hardtop versehen ist. Dabei kann dahinstehen, ob, wie das FG meint, durch das Hardtop die Lademöglichkeiten gegenüber einer offenen Ladefläche erheblich erhöht werden. Der Senat hält es weder für erforderlich noch im Interesse praktikabler Zuordnungsmaßstäbe für geboten, die Art und Weise der Ausgestaltung der Ladefläche in diesem Zusammenhang als zusätzliches Kriterium heranzuziehen. Auch hat das Fahrzeug mit gut 985 kg eine hohe, aber keine angesichts seines Eigengewichts von fast 1 500 kg außergewöhnlich hohe, seine Verwendung zum Gütertransport eindeutig indizierende Zuladung. Eine derartige Verwendung ist auch nicht durch das zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeuges von 2 550 kg indiziert. Weitere Ausstattungs- und Konstruktionsmerkmale, die eine Zuordnung des Fahrzeuges des Klägers zum Typus des LKW trotz seiner nicht überwiegenden Ladefläche als geboten, jedenfalls aber als möglich erscheinen lassen, hat das FG nicht festgestellt.
Im Streitfall wird die vom FG gezogene Schlussfolgerung ferner von der Annahme mitgetragen, das Fahrzeug sei nach der Herstellerkonzeption vorrangig zur Güterbeförderung verwendbar. Eine dahingehende Herstellerkonzeption meint das FG dem Herstellerprospekt entnehmen zu können. Die von dem FG dem Prospekt als entscheidungserheblich entnommenen Beschreibungen rechtfertigen eine derartige Schlussfolgerung aber nicht. Bereits die Bezeichnung des Personenbeförderungsraumes als Mannschaftskabine legt den Schluss nahe, dass das Fahrzeug zur Beförderung einer größeren Personenanzahl gedacht ist, was angesichts der fünf Sitzplätze auch nahe liegt. Die herstellerseitige Einstufung als LKW vermag der Senat ebenso wenig den weiteren vom FG herausgestellten Prospektaussagen zu entnehmen. Dass danach Profis bequem auf Montage oder zur Arbeit im Wald und auf der Heide kommen, lässt keine Rückschlüsse auf eine im Vordergrund stehende Güterbeförderung zu. Im Gegenteil wird auch insoweit ersichtlich dem Umstand der Personenbeförderung ein deutliches Gewicht beigemessen. Auch soweit dem FG darin gefolgt werden könnte, dass die Herstellerkonzeption in erster Linie auf eine geschäftliche bzw. betriebliche Nutzung des Fahrzeuges abziele und die private Nutzung (nur) zur Personenbeförderung demgegenüber in den Hintergrund trete, rechtfertigt diese Annahme die vom FG gezogene Schlussfolgerung, das Fahrzeug solle überwiegend zur Lastenbeförderung eingesetzt werden, nicht. Dass dies auch nicht der Konzeption des Herstellers ―jedenfalls für den vorliegenden Fahrzeugtyp― entspricht, drängt sich unter Würdigung aller Aussagen in dem von dem FG beigezogenen Prospekt (auf den das FG in seinem Urteil sinngemäß Bezug genommen hat und dessen Inhalt damit als festgestellt gilt) auf. In dem Prospekt wird das Fahrzeug als Kleinlaster, Geländewagen und komfortabler PKW beschrieben. Wenn darüber hinaus als Nutzergruppe auch die Familie angesprochen wird, kann von der Möglichkeit einer vorrangigen Benutzung des Fahrzeuges zur Lastenbeförderung gegenüber seiner Eignung zur Personenbeförderung nicht die Rede sein. Die Angaben in dem Prospekt rechtfertigen daher allenfalls die Annahme, dass es sich bei dem vorliegenden Fahrzeug insbesondere im Hinblick auf die Doppelkabine auch nach der Konzeption des Herstellers um ein sog. Kombinationsfahrzeug handelt, welches wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern dienen soll. Der Senat vermag auch die Überlegung des FG nicht zu teilen, dass die Herstellerkonzeption aus der straßenverkehrsrechtlichen Einstufung als LKW ersichtlich werde, da diese regelmäßig auf einem entsprechenden Herstellergutachten beruhe. Insoweit verkennt das FG, dass dieses Gutachten auf einer verkehrsrechtlich orientierten Beurteilung beruht (siehe dazu schon Senatsurteil in BFH/NV 1997, 810).
Nicht entscheidungserheblich ist schließlich das Vorbringen der Klägerin, das Fahrzeug sei grundsätzlich nur mit maximal zwei Personen besetzt und werde deshalb vorrangig zum Gütertransport eingesetzt. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob sein Einsatz für Familienfahrten denkbar ist. Denn für die Einstufung des Fahrzeuges als PKW oder LKW kommt es nicht auf dessen tatsächliche Verwendung an. Wie aus § 1 Abs. 1 KraftStG und § 9 Abs. 1 KraftStG folgt, ist Besteuerungsgegenstand allein das Halten von Fahrzeugen mit bestimmten objektiven Eigenschaften wie z.B. Bauart (PKW, andere Kfz etc.), Schadstoffklasse, zulässiges Gesamtgewicht etc. (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1998 VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489; BFH-Beschluss vom 17. Juli 2000 VII B 88/00, BFH/NV 2000, 1503).
4. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid ist rechtmäßig. Das Urteil des FG ist dementsprechend aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 604609 |
BFH/NV 2001, 1301 |