Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, aus welcher Gegenleistung Grunderwerbsteuer zu erheben ist, wenn die Ehefrau anläßlich der Ehescheidung ein Grundstück auf ihren Ehemann überträgt, das aus Haftungsgründen nur auf ihren Namen im Grundbuch eingetragen, jedoch mit Mitteln des Ehemannes erworben und später mit einem Einfamilienhaus bebaut worden ist.
Normenkette
GrEStG § 10 Abs. 1
Streitjahr(e)
1960
Tatbestand
Die Ehefrau des Revisionsklägers (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) hatte Anfang Januar 1955 ein Grundstück gekauft. Unter teilweiser Verwendung der Grundmauern eines alten, abgerissenen Gebäudes wurde im Jahre 1957 darauf ein Einfamilienhaus errichtet. Die Gesamtkosten für den Grundstückserwerb (rund 50.000 DM) und für die Herstellung des Gebäudes (rund 300.000 DM) trug der Stpfl. Das Grundstück war auf den Namen der Ehefrau erworben und in das Grundbuch eingetragen worden, um das Haftungsrisiko des Stpfl. als Kaufmann zu vermindern. Sieben Tage nach Erwerb des Grundstücks hatte die Ehefrau dem Stpfl. unter Befreiung von dem Verbot des § 181 BGB in notarieller Form eine unwiderrufliche Generalvollmacht erteilt, die den Stpfl. berechtigte, insbesondere hinsichtlich des streitigen Grundstücks alle Rechtshandlungen wie sie selbst vorzunehmen.
Anläßlich der bevorstehenden Ehescheidung übertrug die Ehefrau das Grundstück durch notariell beurkundeten Vertrag von Ende November 1960 auf den Stpfl. In diesem Vertrag heißt es, die Beteiligten seien sich darüber einig, daß die Ehefrau aus den o. a. Gründen nur formell als Grundstückseigentümerin eingetragen worden sei; da der Stpfl. aber Erwerb und Aufbau des Grundstücks aus eigenen Mitteln bestritten habe, solle die eigentliche materielle Rechtslage auch durch grundbuchmäßige Übertragung des Grundstück auf den Stpfl. hergestellt werden.
Das Finanzamt (FA) erblickte hierin einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang. Die Gegenleistung ermittelte es aus den Grundstücksanschaffungs- und den Gebäudeherstellungskosten, von denen es die Absetzung für Abnutzung (AfA) für 1957 bis 1960 abzog.
Mit der Sprungberufung machte der Stpfl. im wesentlichen geltend: Er sei bereits mit Abschluß des Kaufvertrags in Verbindung mit der Generalvollmacht im Januar 1955 wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geworden, habe also im eigenen Namen und auf eigene Rechnung - steuerrechtlich gesehen - ein Gebäude auf eigenem Grund und Boden errichtet. Deshalb könne Grunderwerbsteuer auch aus dem Vertrag vom November 1960 gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG nur wegen des Erwerbs des Grund und Bodens erhoben werden. Da seine Ehefrau ihm das Grundstück ohne Gegenleistung übertragen habe, könne die Steuer gemäß § 12 GrEStG nur von dem auf den Grund und Boden entfallenden Anteil am Einheitswert berechnet werden. Allenfalls dürfe die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums am Grund und Boden gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterworfen werden, und zwar auch in diesem Falle mangels Gegenleistung nur aus dem Einheitswert des Grundstücks zur Zeit des Kaufs.
Das Finanzgericht (FG) wies die Berufung durch Urteil vom 13. Juni 1962 I 140/61 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1963 Nr. 201 S. 166) als unbegründet zurück. Die Ehefrau habe das Grundstück nur als Treuhänderin im Auftrag des Stpfl. für diesen erworben und auch den Neubau in dessen Auftrag ausführen lassen. Der Stpfl. sei bereits seit Januar 1955 als wirtschaftlicher Eigentümer (ß 1 Abs. 2 GrEStG) des Grundstücks zu betrachten. Gleichwohl unterliege die formelle Vereinbarung vom November 1960 gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit Abs. 5 Sätze 1 und 3 GrEStG der Steuer. - Als Besteuerungsgrundlage komme nicht der Einheitswert (ß 10 Abs. 2, § 12 GrEStG) in Betracht, sondern die Gegenleistung für die Übertragung des formellen Eigentums. Da die Ehefrau vom Stpfl. bei Geltendmachung von dessen Herausgabeanspruch Ersatz aller Aufwendungen für Erwerb und Ausbau des Grundstücks habe fordern können (ßß 662 ff., 667, 670 BGB), habe das FA diese Aufwendungen zutreffend als Gegenleistung im Sinne des § 10 Abs. 1 GrEStG behandelt. Gegen die Minderung um die AfA bestünden keine Bedenken, da diese Aufwendungen nicht auf den Erwerb, sondern auf die Nutzungsüberlassung des Grundstücks entfielen.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) vertritt der Stpfl. die Auffassung, daß die Gegenleistung nur in dem Ersatz der Aufwendungen für die Grundstücksbeschaffung selbst bestehe. Dagegen könne ein Auftragsverhältnis zwischen ihm und seiner Ehefrau nicht auch hinsichtlich der Errichtung des Einfamilienhauses im Jahre 1967 angenommen werden, da er das Haus - entgegen den insoweit in offensichtlichem Widerspruch zu den Akten stehenden, den Sachverhalt nicht eindeutig erschöpfenden Feststellungen des FG - im eigenen Namen und für eigene Rechnung gebaut, daran also ebenfalls selbst das wirtschaftliche Eigentum erworben habe, während der Ehefrau insoweit ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nicht zugestanden habe.
Entscheidungsgründe
Die ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Vorinstanz hat zwar - in Anwendung auch der Grundsätze des Urteils des Reichsfinanzhofs (RFH) II 140/42 vom 18. Februar 1943, RStBl 1943 S. 473 - die Auffassung vertreten, daß nach den Gesamtumständen der Stpfl. bereits Anfang 1955 die Verwertungsbefugnis (ß 1 Abs. 2 GrEStG) über das von seiner Ehefrau nur treuhänderisch erworbene Grundstück (in damaligem Zustand) erworben habe. Für die letztlich allein entscheidende Frage, von welcher Gegenleistung die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des bürgerlich-rechtlichen Eigentums durch die Vereinbarung vom November 1960 (ß 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG) zu erheben ist, kommt es aber maßgeblich darauf an, welchem Ehegatten (oder ob beiden gemeinsam) das auf dem Grundstück im Jahre 1957 errichtete Einfamilienhaus im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG zuzurechnen war. Diese Frage aber hat das FG nicht ausdrücklich geprüft. Es hat sich mit der Feststellung begnügt, daß mit Mitteln des Ehemannes ein Einfamilienhaus errichtet wurde; in der Urteilsbegründung ist ohne weitere Erläuterungen ergänzend bemerkt, den Neubau habe die Ehefrau im Auftrag des Ehemannes ausführen lassen und das Grundstück an ihrem Eigentum behalten.
Mit Recht rügt der Stpfl., daß das Urteil an dem auch von Amts wegen zu beachtenden Mangel einer eindeutigen und erschöpfenden Tatbestandsfeststellung leidet, zumal in der Vorinstanz unter Beweisantritt, jedoch unter Widerspruch des FA, bereits vorgetragen worden war, der Stpfl. habe das Gebäude im eigenen Namen und auf eigene Rechnung errichtet. Damit ist also die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß das Gebäude nicht für die Ehefrau, sondern in wirtschaftlicher Zurechnung für den Ehemann errichtet worden ist. Auch die Rechtsausführungen des FG lassen nicht erkennen, ob es der Frage der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis am Gebäude die entsprechende Beachtung für die Höhe der Gegenleistung hat zuteil werden lassen.
Da dem Senat unter diesen Umständen eine abschließende rechtliche Prüfung nicht möglich ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zurückzuverweisen, das bei erneuter Prüfung und Entscheidung die folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben wird.
Die Frage, ob der Stpfl. bereits die Verwertungsbefugnis an dem im Jahre 1957 errichteten Einfamilienhaus erworben hatte, kann nicht schon deshalb bejaht werden, weil das Gebäude allein mit seinen Mitteln gebaut worden ist. Entscheidend ist vielmehr, für wen nach dem Willen der Beteiligten das Gebäude errichtet worden ist. Vgl. für etwas anders gelagerte Fälle außer dem Urteil des Senats II 94/57 U vom 16. September 1959 (BFH 70, 10 zum sozialen Wohnungsbau; BStBl III 1960, 5) auch das Urteil des Senats II 30/61 U vom 10. Juni 1964 zu II 5 (BFH 80, 33; BStBl III 1964, 486), das im übrigen unter Aufhebung des vom Stpfl. zitierten Urteils des Niedersächsischen FG vom 23. Oktober 1958 III v 133/58 (EFG 1959 Nr. 1964 S. 134) auch die Steuerpflicht des zivilrechtlichen Erwerbs eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden nach vorausgegangenem Erwerb der Verwertungsbefugnis (ß 1 Abs. 1 und 2 GrEStG) unter Anwendung des § 1 Abs. 5 Sätze 1 und 3 GrEStG bejaht hat.
Der damalige Güterstand der Ehegatten ist aus den Akten nicht ersichtlich. Unabhängig davon ist es Ehegatten nicht verwehrt, durch rechtsgeschäftliche Gestaltung im Einzelfall Rechte (Vermögen) getrennt oder auch gemeinsam zu erwerben. Der Wille zum gemeinsamen Erwerb wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß ein Ehegatte die Gegenleistung allein aus seinen Mitteln bewirkt (Bartholomeyczik bei Erman, Handkommentar zum BGB, 3. Aufl. § 1363 Anm. 4). Für den insoweit allerdings anders gelagerten Fall des Erwerbs des hälftigen Miteigentums an einem Grundstück hat auch der Bundesgerichtshof (BGH) noch neuerdings (unter Bezugnahme auf seine vorhergehende Entscheidung II ZR 182/62 vom 1. April 1965, Wertpapier-Mitteilungen 1965 S. 793) die Auffassung vertreten, die mögliche Gleichbewertung der beiderseitigen ehelichen Beiträge trotz unterschiedlicher finanzieller Mittel entspreche den Anschauungen vom Wesen der Ehe und der natürlichen Betrachtungsweise von Eheleuten, gleichgültig, ob die Ehegatten den Fall einer Trennung oder Ehescheidung bereits bedacht hätten (BGH-Urteil II ZR 137/63 vom 6. Dezember 1965, Neue Juristische Wochenschrift 1966 S. 542).
Im Streitfall erlauben die aus Anlaß der unmittelbar bevorstehenden Ehescheidung abgegebenen Erklärungen hinsichtlich des Grundstücks in der Vereinbarung vom November 1960 allein noch keinen, eine endgültige Entscheidung tragenden Schluß im Sinne der Behauptungen des Stpfl. über den Willen der Ehegatten im Jahre 1957. Dies gilt auch von den wenigen, vom Stpfl. dem FG vorgelegten Bauunterlagen, zumal z. B. in den Schreiben der Baupolizeibehörde von 1955 von "Baugesuch der Eheleute" gesprochen wird. Das FA hat in der Vorinstanz behauptet, nach den - dem Senat nicht vorliegenden, auch vom FG nicht beigezogenen - Akten des Bauordnungsamtes sei Bauherrin die Ehefrau gewesen, der der Stpfl. das Grundstück als eigenes Vermögen habe zuwenden wollen. Bei dieser Sach- und Rechtslage wird das FG - auch unter Verwendung der in dem o. a. Urteil II 30/61 U vom 10. Juni 1964 und in dem dort zitierten weiteren Urteil des Senats II 198/58 U vom 30. März 1960 (BFH 71, 313, 316; BStBl III 1960, 366, 368 linke Spalte) vom Senat angeführten Merkmale - ermitteln müssen, ob das Gebäude bereits dem Stpfl. oder doch der Ehefrau oder den Ehegatten gemeinsam zuzurechnen war. Dabei wird das FG erforderlichenfalls auch prüfen müssen, in welcher Weise im übrigen sich die Ehegatten bei der Ehescheidung auseinandergesetzt haben und ob sich hieraus rückschauend etwa Anhaltspunkte für den früheren wirklichen Willen der Ehegatten über die Zurechnung des Gebäudes ergeben können.
Sollten die Ermittlungen ergeben, daß der Stpfl. selbst das Gebäude für sich errichtet hatte, so konnte sich das vom FG angenommene Auftragsverhältnis zur Ehefrau nur auf das Grundstück im ursprünglichen Zustand beziehen. In diesem Falle dürfte - unter dem Vorbehalt, daß die erneute Prüfung keine neue Sachlage ergibt - davon auszugehen sein, daß der Stpfl. für den bürgerlich-rechtlichen Erwerb des Gebäudes selbst keine zusätzliche Gegenleistung erbracht hat, so daß die Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang vom November 1960 antragsgemäß nur aus den ursprünglichen Grundstücksbeschaffungskosten als Gegenleistung im Sinne des § 10 Abs. 1, § 11 GrEStG festzusetzen wäre (vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II 10/49 S vom 23. August 1949, Slg. Bd. 54 S. 392, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Grunderwerbsteuergesetz, § 10, Rechtsspruch 1; Urteil des Senats II 30/61 U vom 10. Juni 1964 II 5, a. a. O.; Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl., § 11 Tz. 83 bis 85 a). Für ein solches Ergebnis könnte die Generalvollmacht von Mitte Januar 1955 sprechen. Dagegen spricht aber möglicherweise die Absicht des Ehemannes, das erworbene Grundstück einschließlich dem darauf zu errichtenden Gebäude nicht dem etwaigen Zugriff seiner Gläubiger auszusetzen, der anderenfalls zwar nicht als solcher auf das Grundstück selbst möglich, aber z. B. durch Pfändung der Ansprüche des Ehemannes gegen die Ehefrau nicht auszuschließen gewesen wäre.
Sollte das Einfamilienhaus für die Ehefrau gebaut worden sein, weil der Stpfl. es damals auch im Innenverhältnis als deren Vermögen behandelt wissen wollte, so wäre für den Erwerb des ganzen Grundstücks durch den Stpfl. im Jahre 1960 der Ansatz des FA - Grundstücksbeschaffungskosten zuzüglich der Gebäudeherstellungskosten als Gegenleistung - gerechtfertigt. - War es dagegen der Wille der Ehegatten, das Einfamilienhaus (und somit im Ergebnis das ganze Grundstück) als gemeinsames Vermögen je zur Hälfte zu betrachten, so dürfte es geboten sein, entsprechend auch die Hälfte des vorbezeichneten Betrages als Gegenleistung für den Erwerbsvorgang 1960 anzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 425795 |
BFHE 1966, 165 |
BFHE 86, 165 |
StRK, GrEStG:10 R 22 |
LEXinform-Nr. 0010024 |