Entscheidungsstichwort (Thema)
Schenkung auf den Todesfall bei Erlöschen einer Kaufpreisschuld mit dem Tod des Gläubigers
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn in einem Gutsüberlassungsvertrag und Erbvertrag bestimmt ist, dass die gestundete Kaufpreisschuld insoweit als erlassen gilt, als sie nicht beim Ableben des Veräußerers abgerufen oder gekündigt ist, und der Veräußerer stirbt, ohne von seinem Abrufrecht oder Kündigungsrecht Gebrauch gemacht zu haben, liegt kein der Erbschaftsteuer zu unterwerfender Erwerb auf Grund eines Schenkungsversprechens auf den Todesfall vor.
2. Es ist auch kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG gegeben, weil der Erwerber nicht infolge Erfüllung einer vom Erblasser (Schenker) gesetzten Bedingung erwirbt.
3. Der Vertrag kann aber möglicherweise eine unter das ErbStG fallende gemischte Schenkung darstellen, bei deren etwaiger nachträglicher Heranziehung zur Erbschaftsteuer darauf Bedacht zu nehmen ist, dass keine unzulässige Doppelbelastung durch Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer eintritt.
Normenkette
ErbStG 1951 § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2, § 3
Gründe
Der Bf. hatte durch Gutsüberlassungs- und Erbverfrag vom 27. Dezember 1940 von seinem Onkel (Vatersbruder) dessen Anteil an einem Hof übernommen. Der Bf. hatte dem Veräußerer ein Altenteil (sogenannten Abschied) zu gewähren, ihn von der Inanspruchnahme aus einer anteiligen Hypothekenschuld freizuhalten und an den Veräußerer für die Überlassung weiter 20.000 RM zu zahlen. Zur Sicherung des Anspruchs des Gläubigers Abgebers wurde eine Sicherungshypothek von 20.000 RM in das Grundbuch eingetragen. Der Gläubiger durfte den genannten Betrag nach Belieben in Teilzahlungen abrufen, andererseits war bestimmt, daß der Bf. zahlen werde, wie es die Kräfte des Hofes gestalten. Was bei Ableben des Veräußerers nicht abgerufen oder gekündigt war, galt als erfassen. Diese Bestimmung wurde im Wege des Erbvertrages getroffen, so daß, wie es in dem Vertrag heißt, dem Erwerber von diesem Betrag alles zufällt, was vor Ableben des Veräußerers nicht gekündigt oder abgerufen ist. Nach dem Tode des Onkels des Bf. am 2. September 1957 erfuhr das FA, daß der Hofabgeber den Betrag von 20.000 RM, der gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Umstellungsgesetz im Verhältnis 1: 1 auf DM umgestellt war, bis zu seinem Tode nicht abgerufen hatte. Das FA nahm bezüglich des Betrags, von 20.000 DM ein in Erbvertragsform gekleidetes Schenkungsversprechen auf den Todesfall an und zog den Bf. deswegen durch Steuerbescheid vom 28. Juli 1958 zur Erbschaftsteuer heran. Der Bf. bestritt mit seinem Einspruch die ErbSt-Pflicht; in den Genuß der Ermäßigung der Kaufpreisforderung sei er auf Grund des Erlasses, nicht aber auf Grund erbrechtlicher Erwägungen gekommen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Berufung hielt der Bf. seinen Standpunkt aufrecht. Das FG trat zwar der Auffassung des FA nicht bei, daß es sich um einen Vermächtniserwerb handle, wies aber die Berufung als unbegründet zurück, weil es Steuerpflicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ErbStG 1951 annahm. Die Rechtsbeschwerde(Rb) des Bf. begehrt Freistellung von der ErbSt ….
Die Rb. ist begründet.
Mit Recht hat die angefochtene Entscheidung verneint, daß dem Bf. der von ihm nach dem Übergabevertrag geschuldete, aber vom Hofabgeber bis zu seinem Tode nicht abgerufene Betrag von 20.000 RM/DM durch Schenkungsversprechen auf den Todesfall vermächtnisweise zugewandt sei. Das FG führt aus, durch den Gutsüberlassungsvertrag sei – zulässigerweise – die vom Bf. übernommene Schuldverpflichtung hinsichtlich der 20.000 RM/DM durch den Tod des Abgebers auflösend bedingt gewesen, sofern der Schuldbetrag nicht schon vorher ganz oder teilweise abgerufen und die Schuld bereits aus diesem Grunde ganz oder teilweise erloschen gewesen sei. Aus diesem Grunde habe es keines besonderen Erlasses der Schuld mehr bedurft, so daß für eine letztwillige Verfügung über die in einem Erlaß liegende Befreiung von der Verbindlichkeit über die 20.000 RM/DM auch kein Raum gewesen sei. Dem ist zuzustimmen. Die Annahme eines Schenkungsversprechens auf den Todesfall scheitert aber auch noch daran, daß die vertragliche Abrede betreffend die Zahlung der 20.000 RM/DM aus dem Grunde des Versprechenscharakters entbehrt, weil sich der Abgeber in keiner Weise rechtlich bezüglich eines ganzen oder teilweisen Nichtabrufs gebunden hat. Deshalb ist der angefochtenen Entscheidung zuzustimmen, daß die Befreiung des Bf. von der Verpflichtung zur Zahlung der 20.000 RM/DM aus dem Eintritt der auflösenden Bedingung (Tod des Abgebers) als einem allein schuldrechtlichen Vorgang herrührt.
Dagegen ist es unrichtig, wenn das FG ErbSt-Pflicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG 1951 herleiten zu können glaubt; denn es geht bei seiner Auffassung von einem Wortlaut aus, den diese Bestimmung gar nicht hat. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG gilt nicht, wie das FG meint, als vom Erblasser (Schenker) zugewendet auch, was jemand infolge einer vom Erblasser (Schenker) gesetzten Bedingung erwirbt, sondern was jemand infolge Erfüllung einer vom Erblasser (Schenker) gesetzten Bedingung erwirbt. Das FG hat also den Inhalt des § 2 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG verkannt; die Bestimmung bezieht sich nicht auf die Fälle des Eintritts einer vom Erblasser (Schenker) gesetzten Bedingung schlechthin, sondern nur einer solchen, die dem Bedachten auferlegt ist und durch Erfüllung seinerseits eintritt. Im vorliegenden Fall kann aber keine Rede davon sein, daß der Hofabgeber dem Bf. irgendeine Bedingung gesetzt, dieser sie erfüllt und dadurch die 20.000 RM/DM erworben hätte. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG liegen also nicht vor. ….
Die Vorinstanzen haben den dem FA bekanntgewordenen Sachverhalt des Nichtabrufs der 20.000 RM/DM durch den Hofabgeber als neuen selbständigen Steuerfall angesehen. Indessen hat der Bf. schon im Verfahren zur Veranlagung der ErbSt, im Einspruchsverfahren und im Verfahren über die Berufung den Gesichtspunkt der „Ermäßigung der vertraglichen Gegenleistung” hervorgehoben, der eine rechtlich zutreffende Behandlung des Falles ermöglicht hätte. Allerdings ist der Bf. bei seinen Ausführungen von grunderwerbsteuerlichen Erwägungen ausgegangen; dies dürfte daran liegen, daß der Gutsüberlassungsvertrag vom 27. Dezember 1940 seinerzeit offenbar nur als entgeltliches Veräußerungsgeschäft angesehen und der GrESt unterworfen worden ist. Nun hat sich die Rechtslage aber infolge des Nichtabrufs der 20.000 RM/DM und damit des Wegfalls eines wesentlichen Teils des vom Bf. zu leistenden Entgelts durch Eintritt der auflösenden Bedingung geändert. Der Vertrag vom 27. Dezember 1940 kann sich danach jetzt möglicherweise als eine gemischte Schenkung darstellen, die unter das ErbStG fällt. Insoweit liegt aber nicht ein neuer Steuerfall, sondern der alte Steuerfall aus dem Jahre 1940 vor, mag er bisher schenkungsteuerlich auch noch nicht behandelt sein. Über diesen letzteren Steuerfall ist jedoch im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Vorsorglich sei bemerkt: Bei einer etwaigen Heranziehung der gemischten Schenkung aus dem Jahre 1940 wäre die Steuer in RM festzusetzen- und im Verhältnis 10: 1 in DM zu entrichten (§ 1 der Verordnung über die Behandlung von steuerrechtlichen Verbindlichkeiten nach dem Umstellungsgesetz vom 9. Juli 1948, StZBl 1948 S. 158). Andererseits wäre darauf Bedacht zu nehmen, daß keine unzulässige Doppelbelastung durch Schenkst und GrESt eintritt.
Die Ausführungen des FA zur Rb. gehen fehl. Die Hypothek ist nach dem Überlassungsvertrag eine reine Sicherungshypothek gewesen, die keinesfalls, wie es das FA will, losgelöst von dem Überlassungsvertrag behandelt werden könnte. Aus diesem und aus den oben dargelegten Gründen trifft es nicht zu, daß der Hofabgeber mit seinem Tode den Vermögenswert der Hypothek dem Bf. habe zuwenden wollen.
Hiernach waren die angefochtene Entscheidung, die Einspruchsentscheidung und der Steuerbescheid vom 28. Juli 1958 aufzuheben und der Bf. von der ErbSt freizustellen.
Fundstellen