Leitsatz (amtlich)

Hat der leistende Unternehmer im Namen und für Rechnung des Auftraggebers Material bestellt und an sich ausliefern lassen, so liegt unbeschadet der Tatsache, daß der Auftraggeber das Material unmittelbar bei dem Materiallieferanten bezahlt hat, in der Regel eine Beistellung nicht vor.

 

Normenkette

UStDB 1951 § 70 Abs. 2 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Antragstellerin) hat von den Erfindern der sogenannten … Fenster- und Türprofile u. a. das Recht erworben, diese Profile in bestimmten Gebieten zu vertreiben. Die … Profile sind Kunststoff-Erzeugnisse. Sie bestehen aus … (Material), das in zahlreichen Fällen einen Stahlkern enthält. Diese … Profile werden regelmäßig mit den Stanlkernen weiterverwendet. Das zu den entsprechenden Profilen geformte … (Material) wird von der Firma X-AG (AG) in …, die Stahlkerne werden von den Y-Werken in … hergestellt. Soweit es sich um Profile mit Stahlkern handelt, hat sich die Antragstellerin diese in folgender Weise beschafft:

Die Antragstellerin bestellte bei der AG jeweils unter einer Bestellnummer eine bestimmte Menge Profile. Aus der Bestellnummer ergab sich, daß es sich um Profile mit Stahlkern handelte. Gleichzeitig erteilte die Antragstellerin der AG den Auftrag, im Namen und für Rechnung der Antragstellerin bei den Y-Werken die für die Profile erforderlichen Stahlkerne zu bestellen. Dementsprechend führte die AG die Bestellung auch durch. Die Y-Werke sandten die Auftragsbestätigungen sowie Rechnungen an die Antragstellerin. Die Rechnungen wurden unmittelbar von der Antragstellerin beglichen. Die AG rief die Stahlkerne nach Bedarf bei den Y-Werken bzw. aus einem von den Y-Werken bei der AG unterhaltenen Lager ab und zog die nach dem Herstellungsvorgang noch warmen Profile auf die Stahlkerne auf. Die AG stellte der Steuerpflichtigen lediglich den profilierten Kunststoff einschließlich der Kosten des Aufziehens auf die Stahlkerne in Rechnung.

Soweit die Antragstellerin die so beschafften Profile ausführte, forderte das FA die ihr für die Vergütungszeiträume 1958 bis III/1961 zunächst gewährte Ausfuhrhändlervergütung in Höhe von … DM wieder zurück. Für die Zeiträume IV/1961 und 1962 verweigerte das FA die in Höhe von … DM beantragte Ausfuhrhändlervergütung. Einspruch und Berufung der Antragstellerin blieben erfolglos. Die Vorinstanz ist der Auffassung, die Antragstellerin habe eine „schädliche Bearbeitung des ihr zugelieferten Kunststoffs und an den von ihr beigestellten Stahlkernen vorgenommen”. Ihr sei „gemäß § 12 Abs. 2 UStDB ein Teil des Produktionsvorganges (der Herstellung) des Kunststoffs verbunden mit Stahlkern zuzurechnen”.

Hiergegen richtet sich die seit Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Aufhebung des Rückforderungsbescheids für 1958 bis III/1961 sowie Gewährung der Ausfuhrhändlervergütung für die entsprechenden Vergütungsvorgänge in den Vergütungszeiträumen IV/1961 bis IV/1962 begehrt. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Einspruchsentscheidung leide an einem nicht heilbaren Mangel, weil sie nicht den Ausspruch enthalte, daß der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen werde. Insbesondere habe dieser Mangel nicht dadurch geheilt werden können, daß das FG in seinem Urteil die Zurückweisung des Einspruchs nachgeholt habe. Die Antragstellerin rügt ferner unter Hinweis auf § 24 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) die Nichtbeteiligung des Steuerausschusses durch das FA. Sie ist ferner der Auffassung, die von der Vorinstanz getroffene Feststellung, die Y-Werke unterhielten bei der AG kein Auslieferungslager und die AG riefe die jeweils benötigten Stahlkerne bei den Y-Werken ab, sei unrichtig und hätte nicht getroffen werden können. Die Begründung des vorinstanzlichen Urteils lasse nicht erkennen, auf Grund welcher Ermittlung die Vorinstanz zu dieser Auffassung gelangt sei: Das FG stütze seine Tatsachenfeststellungen offenbar auf Ermittlungen, die das FA unzulässigerweise erst während des Berufungsverfahrens getroffen habe. Im übrigen vertritt die Antragstellerin die Meinung, eine Beistellung der Stahlkerne durch sie an die AG könne rechtlich deswegen nicht vorliegen, weil die AG als Einkaufsagent an der Beschaffung der Stahlkerne mitgewirkt habe, der Antragstellerin die Verfügungsmacht an den Stahlkernen nicht übertragen worden sei und weil die AG bei den zahlreichen und häufigen kleineren Bestellungen für die von der Antragstellerin bestellten Profile nicht jeweils auch die im Namen und für Rechnung der Steuerpflichtigen beschafften, sondern entsprechende, in den Lagerbeständen vorhandene Stahlkerne benutzt habe. Auch das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin sei allein auf den Erwerb der fertigen Profile gerichtet gewesen. Es läge auch kein Sachverhalt vor, der es rechtfertige, die von der AG durchgeführten Bearbeitungsmaßnahmen der Antragstellerin zuzurechnen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I. Die Verfahrensrügen hinsichtlich der Mängel der Einspruchsentscheidung sind verspätet erhoben und daher unzulässig (§ 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO, §§ 288 Nr. 2, 289 Abs. 2 und 290 AO a. F.). Im übrigen kommt es darauf nicht an, weil der Revision aus materiell-rechtlichen Gründen stattzugeben ist.

Die Rüge mangelhafter Sachaufklärung greift schon deswegen nicht durch, weil der von der Antragstellerin behauptete Sachverhalt zu derselben materiell-rechtlichen Beurteilung führt wie der vom FG festgestellte Sachverhalt. Auf die Ausführungen unter II. wird insoweit Bezug genommen.

Vorinstanz:

Die Überprüfung der Rechtslage durch den Senat führt ferner zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung sowie zur Änderung der angegriffenen Festsetzungsbescheide, weil der Antragstellerin die versagte Ausfuhrhändlervergütung zusteht.

Gemäß § 70 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStDB 1951 wird die Ausfuhrhändlervergütung nur gewährt, wenn der Antragsteller den (ausgeführten) Gegenstand erworben und nicht bearbeitet oder verarbeitet hat.

Da die Antragstellerin unstreitig Profile, die mit Stahlkernen versehen waren, ausgeführt hat, ist die Frage, ob ihr die beantragte Ausfuhrhändlervergütung zu gewähren ist, allein davon abhängig, ob sie die mit Stahlkernen versehenen Profile in dieser Form erworben hat, ob also die ausgeführten Gegenstände identisch mit den erworbenen sind, und, da sie selbst eine Bearbeitung oder Verarbeitung an den Profilen nicht durchgeführt hat, ob ihr Bearbeitungen oder Verarbeitungen, die von der AG vorgenommen worden sind, gemäß § 12 Abs. 2 UStDB 1951 zugerechnet werden müssen.

Beide Fragen sind zu verneinen.

An der Nämlichkeit der erworbenen und ausgeführten Gegenstände würde es fehlen, wenn die Antragstellerin durch Beistellung der Stahlkerne einen stofflichen Beitrag zur Herstellung der Profile geleistet hätte. Solchenfalls hätte die Antragstellerin die Profile ohne die von ihr beigestellten Stahlkerne erworben, während sie Profile einschließlich der Stahlkerne ausgeführt hat (vgl. Entscheidung des BFH V 29/59 U vom 18. Mai 1961, BFH 73, 159, BStBl III 1961, 325).

Ein solcher Fall der Materialbeistellung liegt indessen hier nicht vor. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Annahme einer Materialbeistellung dann abgelehnt, wenn der leistende Unternehmer an der Beschaffung des Materials durch den Auftraggeber in irgendeiner Weise beteiligt war (Entscheidungen des BFH V 117/53 S vom 30. Oktober 1953, BFH 58, 196, BStBl III 1953, 366; V 156/61 U vom 20. März 1964, BFH 79, 166, BStBl III 1964, 291). Der typische Fall einer solchen Beteiligung an der Materialbeschaffung ist die Bestellung von Material durch den leistenden Unternehmer im Namen und für Rechnung des Auftraggebers (vgl. das vorstehende Urteil vom 30. Oktober 1953). Die Besonderheiten des Sachverhaltes, die in dem Urteil des Senats V 160/60 S vom 30. Mai 1963 (BFH 77, 82, BStBl III 1963, 346) zu einer Bejahung der Materialbeistellung trotz Mitwirkung des beauftragten Unternehmers an der Stoffbeschaffung geführt haben, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Antragstellerin hat bei der AG die Profile einschließlich der Stahlkerne bestellt. Die Stahlkerne, die auftragsgemäß von der AG im Namen und für Rechnung der Antragstellerin von den Y-Werken beschafft wurden, waren, wie sich aus einem bei den Akten befindlichen Bestellschreiben der Antragstellerin ergibt, in diesem nicht näher bezeichnet. Es war nur von den „erforderlichen Rohren” die Rede. Erst in dem Bestellschreiben der AG an die Y-Werke sind die Stahlkerne näher bezeichnet worden. Dieser Bestellung entsprechend sind die Stahlkerne auch nicht an die Antragstellerin, sondern an die AG ausgeliefert worden. Zutreffend konnte solchenfalls das FG davon ausgehen, daß die Antragstellerin keine Verfügungsmacht an den Stahlkernen erlangt habe. Auch preisliche Gesichtspunkte, die die Steuerpflichtige veranlaßt haben könnten, die Stahlkerne zu beschaffen und der AG beizustellen, liegen nicht vor. Demgegenüber kann die Tatsache, daß die AG der Steuerpflichtigen nicht einen Gesamtpreis, in dem auch der Preis für die Stahlkerne enthalten war, sondern lediglich einen Preis für die Profile einschließlich der Kosten des Aufziehens auf die Stahlkerne in Rechnung gestellt hat, nur als ein Beweiszeichen unter anderen angesehen werden. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, kommt es für die Umsatzbesteuerung nicht in erster Linie auf die bürgerlich-rechtliche Gestaltung, sondern auf den wirtschaftlichen Gehalt der zu beurteilenden Vorgänge an (Entscheidung des BFH V 205/61 U vom 14. Mai 1964, BFH 79, 450, BStBl III 1964, 395). Bei gebührender Berücksichtigung aller Umstände muß im vorliegenden Fall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse davon ausgegangen werden, daß das wirtschaftliche Ziel der Antragstellerin auf den Erwerb der Profile einschließlich der Stahlkerne gerichtet war.

Liegt aber eine Beistellung der Stahlkerne durch die Antragstellerin an die AG nicht vor, so hat die Antragstellerin, da die Stahlkerne aus dem Leistungsaustausch zwischen der AG und der Steuerpflichtigen nicht auszuscheiden sind, von der AG die Profile einschließlich der Stahlkerne erworben. Die Identität zwischen den erworbenen und ausgeführten Gegenständen ist daher zu bejahen.

Anhaltspunkte, aus denen heraus unabhängig von der Frage der Materialbeistellung die von der AG durchgeführten Arbeiten (Herstellungsmaßnahmen) jedenfalls insoweit der Antragstellerin zugerechnet werden müßten, als die AG die noch warmen Profile auf die Stahlkerne aufgezogen hat, sind nicht vorhanden.

Gemäß § 12 Abs. 2 UStDB 1951 liegt eine Bearbeitung oder Verarbeitung durch den Unternehmer auch dann vor, wenn der Unternehmer sie durch einen anderen Unternehmer ausführen läßt. Da die Antragstellerin, wie oben ausgeführt, an den Stahlkernen die Verfügungsmacht nicht erworben hat, konnte sie an diesen Gegenständen auch keine Bearbeitungsmaßnahmen ausführen lassen, die ihr zuzurechnen wären. Denn nur solche Bearbeitungsmaßnahmen, die nach dem Übergang der Verfügungsmacht auf die Antragstellerin ausgeführt sind, könnten ihr zugerechnet werden (vgl. Entscheidung des BFH V 42/56 S vom 18. Dezember 1957, BFH 66, 323, BStBl III 1958, 123 ff., insbesondere S. 126).

Weshalb sich die Antragstellerin dadurch, daß sie die AG beauftragt hat, in ihrem Namen und für ihre Rechnung die Stahlkerne zu beschaffen, maßgeblich in die Produktion der Profile eingeschaltet haben soll, ist nicht erkennbar.

Liegt daher eine der Antragstellerin zuzurechnende Tätigkeit der AG nicht vor, braucht nicht geprüft zu werden, ob diese Tätigkeit der AG als Zusammenfügen von Gegenständen zu Sachgesamtheiten, Sacheinheiten oder in sonstiger Weise zu qualifizieren wäre.

Das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung, der Rückforderungsbescheid sowie die Vergütungsbescheide, soweit die Ausfuhrhändlervergütung abgelehnt worden ist, waren daher aufzuheben bzw. entsprechend zu ändern.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557336

BStBl II 1968, 836

BFHE 1968, 497

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