Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann sog. Basisgesellschaften im niedrig besteuerten Ausland den Tatbestand des Rechtsmißbrauchs erfüllen.
Normenkette
StAnpG § 6; DBA CHE 1931/1959
Tatbestand
Streitig ist, ob Wertpapiererträge von mehreren GmbH mit Sitz in der Schweiz dem unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter unmittelbar im Rahmen seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen und im Inland zu versteuern sind.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die ihren Wohnsitz im Inland hatte, und der Beigeladene - ebenfalls mit Wohnsitz im Inland - (Beigeladener), der seit 1961 Generalbevollmächtigter der Klägerin ist, gründeten 1963 vier GmbH (A-GmbH, B-GmbH, C-GmbH und D-GmbH) mit Sitz in der Schweiz. Nach den Statuten waren Zweck der Gesellschaften "die Beteiligung an und die Finanzierung von in- und ausländischen Unternehmen des Handels und der Industrie sowie die Anlage und Verwaltung von Vermögenswerten aller Art". Geschäftsführer aller Gesellschaften waren ein Direktor und ein Prokurist einer Schweizer Bank. Buchführung und Bilanzaufstellung der Gesellschaften wurden in der Schweiz besorgt.
Die Klägerin und der Beigeladene waren je zur Hälfte an den Stammeinlagen der GmbH beteiligt. Die Einlagen wurden erbracht durch Barleistungen, durch Übertragung von Wertpapieren sowie bei der B-, C- und D-GmbH durch Abtretung einer Restkaufpreisforderung einschließlich Zinsforderung aus der Veräußerung eines inländischen Grundstücks. 1965 wurde bei allen GmbH das jeweilige Stammkapital auf die gesetzlich zulässigen 2 Mio. sfr aufgestockt.
In den Jahren 1964 bis 1970 befaßten die vier GmbH sich überwiegend mit dem An- und Verkauf von Wertpapieren, daneben auch mit dem An- und Verkauf von Gold; Geschäfte sonstiger Art waren nicht festzustellen.
Nach einer Betriebsprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) u. a. zu der Auffassung, die Einschaltung der ausländischen Gesellschaften bei den vorgenommenen Geschäften stelle einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts i. S. von § 6 StAnpG dar, weil die Gesellschaften sich auf das Halten von Vermögen beschränkt hätten. Die von den GmbH erzielten Kapitalerträge seien deshalb anteilig der Klägerin unmittelbar im Rahmen ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen. Für 1964 ermittelte das FA Kapitalerträge in Höhe von 151 320 DM und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid.
Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage nur hinsichtlich der Höhe des der Klägerin zugerechneten und von ihr zu versteuernden Betrags Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus:
Zwar sei für den Streitfall kein Treuhandverhältnis zwischen der Klägerin und den GmbH i. S. der Ausführungen des Urteils des BFH vom 21. Mai 1971 III R 125 - 127/70 (BFHE 102, 555, BStBl II 1971, 721) anzunehmen, weil der Abschluß eines Treuhandvertrags nicht festgestellt werden könne.
Die Erträge der vier GmbH, deren Sitze und Geschäftsleitungen in der Schweiz gelegen hätten, seien aber unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmißbrauchs gemäß § 6 StAnpG der Klägerin zuzurechnen. Nach den Einlassungen der Klägerin und auf Grund von Zeugenaussagen sei davon auszugehen, daß einziger und tatsächlich gewollter Geschäftszweck aller Gesellschaften der bankmäßige An- und Verkauf von Wertpapieren und sonstigen bankgängigen Werten, nicht jedoch der Betrieb von anderen Geschäften gewesen sei. Glaubhaft sei auch, daß die Klägerin ebenso wie der Beigeladene das in Frage stehende Vermögen aus Gründen der wirtschaftlichen, währungsmäßigen und sonstigen Sicherung sowie unter dem Gesichtspunkt der internationalen Streuung des Vermögens in der Schweiz deponiert und verwaltet hätten wissen wollen. Zur Erreichung dieser wirtschaftlichen und persönlichen Ziele sei jedoch die Gründung einer GmbH ein unangemessener Weg i. S. von § 6 StAnpG, weil diese Rechtsgestaltung gegenüber der einfachen und zweckmäßigen umständlich, gekünstelt, überflüssig und gleichwohl nicht effektiver sei. Der tatsächlich verfolgte Zweck einer Vermögensverlagerung in die und einer Vermögensverwaltung in der Schweiz sei einfacher durch einen privaten Auftrag zur Vermögensverwaltung an die als Geschäftsführer tätigen schweizerischen Bankangestellten zu erreichen gewesen. Die in der gewählten Gestaltung liegende Umgehung einer inländischen Einkommensteuer werde auch von der Rechtsordnung mißbilligt. Auch bei Anwendung des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 i. d. F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 - DBA-Schweiz a. F. - (BGBl II 1959, 1253, BStBl I 1959, 1006) gelte die innerdeutsche Regelung des § 6 StAnpG. Die Absicht der Steuerumgehung folge daraus, daß nach Überzeugung des FG einziges Motiv für die Rechtsgestaltung gewesen sei, auf diesem Wege Steuern zu sparen.
Bei der dann nach § 6 Abs. 2 StAnpG vorzunehmenden Besteuerung sei der der Klägerin zuzurechnende Betrag - wie im einzelnen ausgeführt wird - niedriger als vom FA ermittelt anzusetzen.
Mit der Revision wird unrichtige Anwendung des § 6 StAnpG gerügt und dazu geltend gemacht:
Zu Unrecht habe das FG angenommen, daß die GmbH sich nur auf den Erwerb und die Veräußerung bankgängiger Werte beschränkt hätten. Andere Geschäfte wie Grundstückserwerb seien beabsichtigt gewesen.
Unrichtig sei ferner die Annahme der Vorinstanz, daß der mit Gründung der GmbH gewählte Weg unangemessen und allein aus Steuerersparnisgründen beschritten worden sei. Als wirtschaftlich beachtenswerte Gründe für die Zwischenschaltung der Kapitalgesellschaften seien u. a. maßgebend gewesen das Auftreten juristischer Personen als Eigentümer mit der Folge einer gewissen Absicherung gegen behördliche Eingriffe, Prüfung der Gesellschaften nach den Vorschriften des schweizerischen Obligationenrechts und Zusammenhalten des aus einer Erbengemeinschaft stammenden Vermögens.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Verfahrensrüge einer unzureichenden Sachaufklärung ist unzulässig.
Nach § 120 Abs. 2 FGO müssen Verfahrensmängel nicht nur in der gesetzlichen Form, d. h. unter Angabe der Tatsachen, die den Mangel ergeben, sondern auch innerhalb der Revisionsbegründungsfrist gerügt werden. Das ist hier nicht geschehen. Während der mehrfach verlängerten Revisionsbegründungsfrist, die am 30. September 1972 ablief, hat die Klägerin keine Verfahrensrügen in der gesetzlichen Form erhoben. Der erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte Mangel einer unzureichenden Sachaufklärung durch das FG ist verspätet und deshalb unbeachtlich.
2. Die Vorentscheidung läßt keinen Rechtsfehler erkennen, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Erträge aus den Wertpapiergeschäften der schweizerischen GmbH der Klägerin entsprechend ihren Gesellschaftsanteilen zuzurechnen und im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen der inländischen Besteuerung zu unterwerfen ist.
a) [Die hier nicht wiedergegebenen Rechtsausführungen der Entscheidung entsprechen der Begründung des auch insoweit veröffentlichten Urteils vom 29. Juli 1976 VIII R 142/73 unter 1. b) aa) (BFHE 120, 116, BStBl II 1977, 263].)
b) Mit diesen Grundsätzen steht die Vorentscheidung im Einklang, wenn sie eine Steuerumgehung angenommen hat. Es kann dahingestellt bleiben und bedarf deshalb ebensowenig einer Prüfung der insoweit angegriffenen Beweiswürdigung des FG wie der Frage nach neuem tatsächlichen Vorbringen, ob die von der Klägerin behaupteten Gründe für die Errichtungen der von ihr und dem Beigeladenen gegründeten Gesellschaften vorlagen und als wirtschaftliche oder sonst beachtliche anzuerkennen sind. Zur Annahme einer Steuerumgehung führt bereits das Fehlen einer wirtschaftlichen Betätigung der Gesellschaften. Daß die von der Klägerin und dem Beigeladenen beherrschten Gesellschaften sich im Streitjahr auf ein bloßes Halten und die allein dazu notwendige Verwaltung von Vermögen beschränkten, ohne sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu beteiligen, folgt aus den einwandfreien und insoweit auch nicht angegriffenen Feststellungen des FG, wonach die Gesellschaften sich ausschließlich mit Wertpapierverwaltungen und dem Halten der Kaufpreisforderung befaßten. Eine wirtschaftliche Betätigung läßt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anlaufzeit bejahen. Nach den Feststellungen des FG wurden im Gründungsjahr der Gesellschaften überhaupt keine und während eines Zeitraums von acht Jahren, abgesehen von einigen wenigen Goldan- und -verkäufen sowie verhältnismäßig wenigen Wertpapierbewegungen, keinerlei andere Geschäfte getätigt. Was sonst nach den Statuten der Gesellschaften als Zwecke vorgesehen war, ist unerheblich. Nach den ordnungsgemäß zustande gekommenen tatsächlichen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen waren Geschäfte anderer Art als die betriebenen, auch der Erwerb von Beteiligungen oder Grundstücken, ernstlich nicht gewollt. Soweit ab 1972 andere Geschäfte vorgenommen wurden, können diese in die Beurteilung nicht mit einbezogen werden. Abgesehen davon, daß es sich um neues tatsächliches und deshalb in der Revision unbeachtliches Vorbringen handelt, läßt sich kein angemessener zeitlicher Zusammenhang mit dem Gründungsjahr und dem Streitjahr erkennen.
Fundstellen
BStBl II 1977, 266 |
BFHE 1977, 123 |