Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsfrist bei Urteilsberichtigung; Übernahme von Verbindlichkeiten im Rahmen eines Kaufvertrages führt nicht zwangsläufig zur Erstattung des Disagios
Leitsatz (NV)
1. Wenn sich hinsichtlich der Zulassung der Revision der Tenor und die Begründung eines Urteils widersprechen und für den Rechtsmittelführer nicht ersichtlich ist, ob dem Gericht ein Fehler bei der Tenorierung oder bei der Begründung unterlaufen ist, beginnt mit der Bekanntgabe des Berichtigungsbeschlusses, durch den die Zulassung der Revision klargestellt wird, eine neue Revisionsfrist zu laufen.
2. Allein der Umstand, dass im Rahmen eines Kaufvertrages der Erwerber von Anteilen an einer GbR Darlehensverbindlichkeiten des Veräußerers übernimmt, führt nicht dazu, dass ein Disagio, das der Veräußerer bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abgezogen hat, als anteilig an den Veräußerer erstattet anzusehen und daher als Einnahme des Veräußerers aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen ist.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1; FGO § 120 Abs. 1 S. 1; GG Art. 19 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte im Jahr 1985 Anteile an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erworben. Den Kaufpreis finanzierte sie durch Darlehen; bei deren Auszahlung wurde ein Disagio abgezogen und im Jahr 1985 bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten berücksichtigt.
Im Jahre 1989 verkaufte die Klägerin Anteile an der GbR mit Wirkung zum 2. Januar 1990 an eine Kommanditgesellschaft (KG) und schied zu diesem Zeitpunkt aus der GbR aus; im Streitjahr (1990) war sie an deren Einkünften nicht mehr beteiligt. Die KG übernahm unter Anrechnung auf den Kaufpreis anteilige Verbindlichkeiten der Klägerin.
Von dem im Jahre 1985 als Werbungskosten der Klägerin berücksichtigten Disagio entfiel ein Betrag von XXX DM auf die von der KG übernommenen Verbindlichkeiten. Diesen berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in einem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid im Streitjahr als Einnahme bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1605 veröffentlichten Urteil die Auffassung, wirtschaftlich betrachtet habe die KG im Rahmen des Gesamtkaufpreises für die GbR-Anteile auch das noch nicht verbrauchte Disagio vergütet. Diesen Rückfluss von Werbungskosten habe das FA zutreffend im Streitjahr als Einnahme erfasst.
Im Tenor des am 13. Juli 2001 dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellten FG-Urteils wird die Revision ausdrücklich nicht zugelassen, während in den Entscheidungsgründen und in der Rechtsmittelbelehrung die Zulassung der Revision bejaht wird. Durch Beschluss vom 12. Juli 2001 hat das FG den Tenor seines Urteils dahin gehend berichtigt, dass die Revision zugelassen werde. Das berichtigte Urteil und der Berichtigungsbeschluss sind dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 31. Juli 2001 zugestellt worden.
Mit ihrer am 23. August 2001 eingelegten Revision rügt die Klägerin die Verletzung der § 21, § 11 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG habe zu Unrecht wegen der beim Kauf der Übernahme der Verbindlichkeiten eine Erstattung des Disagios fingiert.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung des Bescheids des FA für 1990 über Einkommensteuer und Kirchensteuer vom 11. April 2003 auf 0 € festzusetzen, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise wegen Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 11. April 2003 den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG geändert und den Verlustrücktrag aus 1991 verringert, zu dem ein Einspruchsverfahren anhängig ist. Die Klägerin hat mitgeteilt, die Höhe des Verlustrücktrags könne sich unter bestimmten Umständen auf die Beurteilung des Streitfalls auswirken.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Klägerin im Rahmen der Veräußerung ihrer Gesellschaftsanteile Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zugeflossen sind.
1. Die Revision ist zulässig; sie ist nicht verspätet eingelegt. Mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses am 31. Juli 2001 hat eine neue Revisionsfrist begonnen, die zum Zeitpunkt der Einlegung der Revision am 23. August 2001 noch nicht abgelaufen war.
a) Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Zwar hat die --auch hinsichtlich des Tenors mögliche (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Januar 2003 V R 93/01, V B 197/01, V B 201/01, BFH/NV 2003, 643; vom 20. März 2002 IV B 140/00, BFH/NV 2002, 1306)-- Berichtigung eines Urteils (§ 107 FGO) grundsätzlich keinen Einfluss auf Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. August 1989 IV R 44/88, BFH/NV 1990, 306; vom 10. Juli 1990 IX R 132/89, BFH/NV 1991, 249; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 9. Dezember 1983 V ZR 21/83, BGHZ 89, 184, 186, zu § 319 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Ein Irrtum eines Gerichts darf aber nicht zur Folge haben, dass die Rechtsmittelmöglichkeit eines Beteiligten beeinträchtigt oder gar vereitelt wird. Deshalb beginnt mit der Bekanntgabe eines Berichtigungsbeschlusses eine neue Rechtsmittelfrist, wenn das Urteil insgesamt nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Beteiligten und für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden (vgl. BGH-Beschlüsse vom 17. Januar 1991 VII ZB 13/90, BGHZ 113, 228, 230, 231; vom 23. April 1955 VI ZB 4/55, BGHZ 17, 149, 152, jeweils zu § 319 ZPO; BFH-Beschlüsse vom 9. August 1974 V B 29/74, BFHE 113, 179, BStBl II 1974, 760; vom 6. Dezember 1989, IV R 92/89, juris-Dokument Nr. STRE905000260). Dies gilt insbesondere dann, wenn sich --wie im Streitfall-- Tenor und Begründung des Urteils hinsichtlich der Zulassung der Revision widersprechen und für den Rechtsmittelführer nicht ersichtlich ist, ob dem Gericht ein Fehler bei der Tenorierung oder bei der Begründung unterlaufen ist; mit der Bekanntgabe des --die Zulassung der Revision klarstellenden-- Berichtigungsbeschlusses beginnt eine neue Revisionsfrist zu laufen (vgl. BGH-Urteile vom 10. März 1981 VI ZR 236/79, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1982, 188, unter 1.; vom 7. November 2003 V ZR 65/03, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 2004, 891, unter II. 3. a; BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1998 II B 120/97, juris-Dokument Nr. STRE995011260). Denn nur dann kann der Rechtsmittelführer die ihm nach dem Gesetz zukommende Überlegungsfrist (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 1970 VII R 43/68, BFHE 98, 525, BStBl II 1970, 494) tatsächlich bis zu ihrer Grenze ausnutzen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 3. Oktober 1979 1 BvR 726/78, BVerfGE 52, 203, 207, m.w.N.).
b) Da der Berichtigungsbeschluss am 31. Juli 2001 bekannt gegeben wurde, ist die am 23. August 2001 beim BFH eingegangene Revision der Klägerin fristgerecht; über den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag bedarf es deshalb keiner Entscheidung.
2. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Sie hat über den Einkommensteuerbescheid vom 8. September 1998 entschieden. Während des Revisionsverfahrens ist am 11. April 2003 ein geänderter Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ergangen. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr wirksamer Bescheid zugrunde, mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (BFH-Urteile vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10; vom 14. Januar 2004 IX R 55/03, BFH/NV 2004, 656).
3. Der Senat entscheidet nach §§ 100, 121 FGO auf der Grundlage der bestehen bleibenden tatsächlichen Feststellungen des FG in der Sache (vgl. BFH-Urteile vom 14. November 1990 II R 126/87, BFHE 163, 218, BStBl II 1991, 556; vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43). Der Änderungsbescheid enthält zwar einen neuen Streitpunkt, zu dem Feststellungen des FG fehlen; der Senat sieht dennoch wegen Spruchreife der Sache (s.u. unter 5. c) von einer Zurückverweisung nach § 127 FGO ab (vgl. BFH-Urteile vom 27. April 1995 V R 120/89, BFH/NV 1996, 87; vom 30. Mai 2001 VI R 85/00, BFH/NV 2001, 1291).
4. Die Sache ist auch nicht nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO wegen Vorgreiflichkeit eines Feststellungsverfahrens an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat zu Recht von einer Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO abgesehen; denn nachträgliche Einkünfte eines zuvor aus der Gesellschaft ausgeschiedenen, früheren Gesellschafters sind grundsätzlich nicht Gegenstand der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften der Gesellschaft, weil es an der Beteiligung mehrerer Personen an den Einkünften fehlt (vgl. BFH-Urteile vom 14. Mai 2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532; vom 22. Januar 2003 X R 60/99, BFH/NV 2003, 900).
5. Die Einkommensteuer der Klägerin ist antragsgemäß auf 0 € festzusetzen. FA und FG sind zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Klägerin von der KG ein zuvor gezahltes Disagio teilweise erstattet wurde und die Klägerin dadurch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat.
a) Einnahmen sind nach § 8 Abs. 1 EStG alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen.
aa) Erstattungsbeträge, die Werbungskosten ersetzen, sind im Jahr ihres Zuflusses (§ 11 Abs. 1 EStG) steuerpflichtige Einnahmen bei der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen vorher als Werbungskosten abgezogen worden sind (BFH-Urteile vom 23. März 1993 IX R 67/88, BFHE 171, 183, BStBl II 1993, 748; vom 14. Dezember 1999 IX R 69/98, BFHE 190, 442, BStBl II 2000, 197; a.A. Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 11 Rdnr. C 40 f., C 45 f.). Hierunter fällt auch die Rückzahlung eines Disagios vom Darlehensgläubiger an den Darlehensschuldner (BFH-Urteil vom 28. März 1995 IX R 41/93, BFHE 177, 414, BStBl II 1995, 704), jedoch nicht die bloße Anrechnung des Disagios im Rahmen der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 2002 IX R 36/98, BFHE 198, 198, BStBl II 2003, 126). Auch Erstattungen Dritter können Einnahmen sein (vgl. BFH-Urteil vom 1. Dezember 1992 IX R 36/86, BFH/NV 1993, 472; BFH-Beschluss vom 13. Juli 2000 VI B 184/99, BFH/NV 2000, 1470).
Andererseits führt die Veräußerung eines ursprünglich zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestimmten Wirtschaftsguts des Privatvermögens nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (BFH-Urteile vom 26. Februar 2002 IX R 20/98, BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796; vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464). Der erforderliche innere Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist nicht gegeben, soweit ein Geldzufluss allein oder ganz überwiegend durch die Veräußerung eines zum Privatvermögen gehörenden Wirtschaftsguts veranlasst ist; denn eine solche Veräußerung stellt einen nicht einkommensteuerbaren Vorgang in der Vermögenssphäre dar, sofern es sich nicht um ein Spekulationsgeschäft i.S. von § 22 Nr. 2, § 23 EStG handelt (vgl. BFH-Urteile vom 23. Januar 1990 IX R 17/85, BFHE 159, 491, BStBl II 1990, 465; vom 20. Februar 1990 IX R 13/87, BFHE 160, 440, BStBl II 1990, 775).
bb) Ausgehend davon gehört nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ein im Rahmen der Veräußerung als kalkulatorischer Teil des Kaufpreises berücksichtigtes Disagio zu den Anschaffungskosten des Erwerbers für das erworbene Wirtschaftsgut und nicht zu seinen Finanzierungskosten (z.B. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1973 VIII R 11/71, BFHE 112, 244, BStBl II 1974, 476; siehe auch Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 21 EStG Rz. 205, "Erstattung eines Disagio"; H 32a "Disagio" und H 161 "Finanzierungskosten" des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs --EStH-- 2003); dementsprechend vereinnahmt der Veräußerer in diesem Fall einen --außerhalb des Anwendungsbereichs des § 23 EStG-- nicht steuerbaren Veräußerungserlös. Hieran hat sich durch die neue steuerrechtliche Beurteilung der Rechtsnatur des Disagios (vgl. dazu BFH-Urteile vom 20. Oktober 1999 X R 69/96, BFHE 190, 185, BStBl II 2000, 259; vom 22. Januar 2003 X R 41/98, BFH/NV 2003, 757) nichts geändert.
Wird dagegen eine Vereinbarung über die Erstattung des Disagios unabhängig vom Kaufvertrag getroffen, gehört dieses nicht zum Kaufpreis; es handelt sich dann um Finanzierungskosten des Erwerbers (vgl. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1983 VIII R 173/83, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428; vom 2. August 1977 VIII R 104/74, BFHE 124, 27, BStBl II 1978, 143) und um Einnahmen des Veräußerers (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1994 IX R 13/93, BFHE 175, 546, BStBl II 1995, 118). Notwendig ist jedoch --ggf. auch auf einer einheitlichen vertraglichen Grundlage-- eine klare Vereinbarung, aus der sich Grund und Höhe der erstatteten Aufwendungen entnehmen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299, unter V. 2. a).
cc) Die Steuerpflichtigen sind in der Gestaltung des Sachverhalts frei; ihre tatsächlich durchgeführten bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen sind deshalb grundsätzlich auch für die Besteuerung maßgebend (vgl. BFH-Beschluss vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144). Die Auslegung von Willenserklärung und Verträgen gehört zwar grundsätzlich zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, die dem FG obliegt (vgl. BFH-Urteil vom 14. Januar 2004 X R 37/02, BFHE 205, 96, BStBl II 2004, 493, unter II. 4., m.w.N.). Die Entscheidung darüber, wie ein Vertrag und seine einzelnen Bestandteile steuerrechtlich zu werten sind, ist jedoch eine Frage der Rechtsanwendung (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 2003 IX R 57/99, BFH/NV 2003, 1311, unter II. 1. a bb, m.w.N.).
b) Gemessen daran hat das FG zu Unrecht angenommen, der Klägerin sei ein Disagio erstattet worden.
aa) Das FG hat selbst ausgeführt, dass dem Kaufvertrag eine Vereinbarung einer konkreten Disagioerstattung nicht zu entnehmen ist. Es hat diese allein deshalb fingiert, weil dem Disagio noch ein wirtschaftlicher Wert zukomme. Dem vermag der Senat nicht beizutreten.
Alleiniger Gegenstand des Kaufvertrages waren die Gesellschaftsanteile der Klägerin. Die Darlehensverbindlichkeiten übernahm die KG als Teil der Erfüllung der Kaufpreisschuld. Dieser durch die Vertragsparteien vorgenommenen Zuordnung des Kaufpreises zu den Gesellschaftsanteilen ist zu folgen, solange dagegen keine nennenswerten Zweifel bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 10. Oktober 2000 IX R 86/97, BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, unter II. 1.).
bb) Gegen die Beurteilung des FG spricht zudem, dass eine Darlehensübernahme durch den Erwerber nicht (nur) im Interesse des Erwerbers, sondern (auch) im Interesse des Veräußerers liegt: Der Veräußerer erspart sich nämlich dadurch entweder den ersatzlosen Verlust des Disagios oder die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, die dem Darlehensgeber bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrages zum Zweck der lastenfreien Übergabe zustünde (vgl. BGH-Urteil vom 8. Oktober 1996 XI ZR 283/95, BGHZ 133, 355, unter II. 2. c). Die Vorfälligkeitsentschädigung wäre bei der Klägerin einkommensteuerrechtlich nicht abziehbar (vgl. BFH-Urteile vom 23. September 2003 IX R 20/02, BFHE 203, 352, BStBl II 2004, 57, unter II. 1.; vom 14. Januar 2004 IX R 34/01, BFH/NV 2004, 1091, unter II. 1.), die Anrechnung des Disagios führte zu keinen Einnahmen der Klägerin (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 198, BStBl II 2003, 126).
cc) Soweit das FG (offenbar) von einer (rechnerischen) Verteilung des Disagios auf mehrere Jahre und der Notwendigkeit des (nachträglichen) Wegfalls des Werbungskostenabzugs im Falle einer Veräußerung oder Nutzungsänderung ausgeht, rechtfertigt auch dies nicht die von ihm vorgenommene Beurteilung. Die von ihm herangezogene Rechtsprechung des BFH zur anteiligen (Begrenzung der) Abziehbarkeit von Schuldzinsen im Rahmen der § 10e Abs. 6 EStG, § 21a EStG a.F. (BFH-Urteile vom 8. Juni 1994 X R 30/92, BFHE 174, 541, BStBl II 1994, 893; vom 24. Oktober 1978 VIII R 201/73, BFHE 126, 277, BStBl II 1979, 178), die der X. Senat des BFH später auf das Disagio erstreckt hat (BFH-Urteil in BFHE 190, 185, BStBl II 2000, 259), kann nicht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG übertragen werden, da eine den Werbungskostenabzug einschränkende Vorschrift fehlt (vgl. bereits BFH-Urteil in BFHE 126, 277, BStBl II 1979, 178, unter II. (2) zur Nichtübertragbarkeit auf § 21 Abs. 2 EStG).
c) Die Sache ist trotz des Änderungsbescheids vom 11. April 2003 spruchreif. Die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung sind mangels Vereinbarung einer Erstattung des Disagios um den vom FA als vermeintliche Erstattung angesetzten Betrag zu vermindern. Dadurch ergibt sich selbst auf der Grundlage des vom FA reduzierten Verlustrücktrags ein zu versteuerndes Einkommen von 0 DM. Die Einkommensteuer ist daher auf 0 € festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 1261225 |
BFH/NV 2005, 188 |
HFR 2005, 234 |