Entscheidungsstichwort (Thema)
(Keine steuerfreie Verwendung von Erdgas zum Antrieb von Gasturbinen - kein Verstoß des Herstellerprivilegs gegen den allgemeinen Gleichheitssatz - Definition: Gasturbine - verbrauchsteuerlicher Herstellungsbetrieb - Umweltschutz-Staatsziel)
Leitsatz (amtlich)
1. Wird Erdgas zum Antrieb von Gasturbinen verwendet, ist die völlige Befreiung von der Mineralölsteuer außerhalb des Herstellerprivilegs kraft Gesetzes ausgeschlossen; dies gilt auch dann, wenn der mit den Gasturbinen erzeugte Strom und Dampf zur gewerblichen Herstellung von Propylenoxid eingesetzt wird.
2. Die Besteuerung verstößt nicht deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil Mineralöl im Rahmen des Herstellerprivilegs zur Aufrechterhaltung von Mineralölherstellungsbetrieben unversteuert verwendet werden darf.
Orientierungssatz
1. Unter einer Gasturbine versteht der Sprachgebrauch der Technik eine Wärmekraftmaschine mit rotierenden Laufteilen, die Wärmeleistung in mechanische Leistung umsetzt. Dabei wird die aus der Verbrennung von Gasen gewonnene Energie auf Schaufelräder geleitet und unmittelbar in Drehenergie umgewandelt.
2. Als verbrauchsteuerliche Herstellungsbetriebe können nur die baulich zueinander gehörenden oder zumindest eine produktionstechnische Einheit bildenden Räume oder Flächen angesehen werden, die der Herstellung und Lagerung der hergestellten verbrauchsteuerpflichtigen Waren dienen. Der geforderte räumliche Zusammenhang ist nicht mehr gegeben, wenn betriebliche Anlagen weit voneinander entfernt liegen und wenn sie nicht durch bauliche oder technische Maßnahmen, wie z.B. Rohrleitungen oder Gleisanlagen, verbunden sind.
3. Die Besteuerung von Erdgas und die Nichterhebung einer Verbrauchsteuer auf Strom oder Wasserkraft verstößt nicht gegen Art.3 Abs. 1 GG.
4. Art.20a GG enthält keinen subjektiven Anspruch des einzelnen, sondern richtet sich an den Staat und gebietet diesem den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Das Staatsziel ist vom Verfassungsgeber bewußt zurückhaltend formuliert worden, um zu verhindern, daß es als Grundlage für Rechtsstreitigkeiten über wirtschaftspolitische Maßnahmen herangezogen werden kann. Dem Gesetzgeber verbleibt zur Konkretisierung des unbestimmt gefaßten Zieles ein weiter Gestaltungsspielraum, in dessen Rahmen die Verwirklichung des Staatszieles nicht justiziabel ist.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; MinöStG § 3 Abs. 1 Fassung: 1988-12-20, § 8 Abs. 3 Nr. 3 Fassung: 1988-12-20, § 11 Abs. 2 Fassung: 1988-12-20; MinöStDV § 6 Nr. 5; GG Art. 20a; MinöStDV § 17 Abs. 4, § 39a
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) begehrt die steuerfreie Verwendung von Erdgas zum Antrieb von fünf Gasturbinen. Die Gasturbinen befinden sich auf dem Firmengelände der Klägerin und dienen der gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme. Den durch den Einsatz der Gasturbinen erzeugten Strom und Dampf setzt die Klägerin u.a. zur gewerblichen Herstellung von Propylenoxid ein. Der Strom dient dabei der Gewinnung von Chlor und Natronlauge im Rahmen eines Elektrolyseverfahrens. Das Chlor wird zusammen mit Propylen, das aus Rohöl in einem Cracking-Verfahren gewonnen wird, in einer Chlorhydrin-Anlage hydriert und anschließend mit der Natronlauge aus der Elektrolyse zu Propylenoxid oxidiert.
Den Antrag der Klägerin auf Vergütung der Mineralölsteuer für das in der Vergangenheit zu ermäßigten Steuersätzen bezogene Erdgas und auf Erteilung einer Erlaubnis zur zukünftigen Verwendung von unversteuertem Erdgas lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) mit der Begründung ab, daß die Voraussetzungen für eine steuerfreie Verwendung von Mineralöl zu gewerblichen Zwecken im Streitfall nicht gegeben seien.
Die nach erfolglosem Einspruch gegen den ablehnenden Bescheid des HZA erhobene Verpflichtungsklage wies das Finanzgericht (FG) ab. Es entschied, die Klägerin könne eine Steuerbefreiung deshalb nicht beanspruchen, weil der Antrieb von Gasturbinen in § 8 Abs.3 Nr.3 Buchst.c des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Dezember 1988 (BGBl I, 2277), zuletzt geändert durch das Steueränderungsgesetz 1992 --StÄndG 1992-- (BGBl I, 297, 333), und in dem ab dem 1. Januar 1993 geltenden § 4 Abs.1 Nr.2 Buchst.c MinöStG (i.d.F. von Art.5 des Gesetzes zur Anpassung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen an das Gemeinschaftsrecht sowie zur Änderung anderer Gesetze --Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz-- vom 21. Dezember 1992, BGBl I, 2150, 2185) von einer Steuerbefreiung ausgenommen sei. Die Steuerschädlichkeit des Einsatzes von Erdgas in Gasturbinen folge sowohl aus dem klaren Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck des MinöStG. Auch nach der ergänzenden Vorschrift des § 17 Abs.4 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) bzw. § 17 Abs.11 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) vom 15. September 1993 (BGBl I, 1602) --gültig ab 23. September 1993-- komme eine Steuerbefreiung nicht in Betracht, da im Hinblick auf die Propylenoxidherstellung --bezogen auf den Erdgaseinsatz-- weder von einem einheitlichen Verwendungsvorgang in erster Linie zu begünstigten Zwecken noch von zusammenhängenden Verwendungsvorgängen innerhalb eines Gerätes oder einer Maschine überwiegend für begünstigte Zwecke ausgegangen werden könne.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Ansicht, das FG habe § 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG und die ergänzende Kollisionsvorschrift des § 17 Abs.4 MinöStDV sowie die Nachfolgevorschrift § 17 Abs.11 MinöStV unzutreffend ausgelegt. Im Streitfall würde nämlich ein gewerblicher und damit begünstigter Verwendungszweck (Propylenoxidherstellung) mit einem nichtbegünstigten Verwendungszweck (Antrieb von Gasturbinen) räumlich und zeitlich zusammenfallen, wobei von einem einheitlichen Verwendungsvorgang auszugehen sei. Der Einsatz des Erdgases erfolge in einem einheitlichen Produktionsprozeß, in den sowohl der Antrieb der Gasturbinen als auch der Einsatz des erzeugten Stromes und Dampfes zur Herstellung von Propylenoxid integriert seien. Die gesamte Anlage könne daher auch als eine Maschine i.S. von § 17 Abs.4 MinöStDV angesehen werden. Da in erster Linie ein begünstigter Zweck --nämlich die gewerbliche Verwendung des Erdgases zur Propylenoxidherstellung-- verfolgt werde, seien die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht erkannt, daß die Voraussetzungen für eine steuerfreie Verwendung des Erdgases zu gewerblichen Zwecken nicht erfüllt sind und daß folglich der Klägerin weder ein Anspruch auf Vergütung von Mineralölsteuer noch ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung des Erdgases zusteht.
1. Nach der im Streitfall für den Zeitraum vom 1. April 1991 bis zum Erlaß der Einspruchsentscheidung (maßgeblicher Zeitraum) anzuwendenden Befreiungsvorschrift des § 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG darf Mineralöl --einschließlich Erdgas (vgl. § 1 Abs.2 Nr.5 i.V.m. § 1 Abs.1 MinöStG)-- zu gewerblichen Zwecken unversteuert verwendet werden. Ausgenommen von der Steuerbefreiung ist nach § 8 Abs.3 Nr.3 Buchst.c MinöStG die Verwendung von Mineralöl zum Antrieb von Gasturbinen. Für diese Verwendung kommt lediglich eine Steuerermäßigung in Betracht, sofern der Einsatz des Erdgases zum Antrieb von Gasturbinen in ortsfesten Anlagen erfolgt und diese Anlagen ausschließlich der gekoppelten Erzeugung von Wärme und Kraft dienen (vgl. § 8a Abs.2 MinöStG und vorher § 8 Abs.2 Satz 1 Nr.3 Buchst.a MinöStG 1988).
Im Streitfall erfüllt die Klägerin unstreitig die Voraussetzungen, unter denen das von ihr eingesetzte Erdgas im Rahmen der Kraft-Wärme-Kopplung zur Stromerzeugung zu einem ermäßigten Steuersatz von 0,26 DM/100 kWh (ab dem 1. Juli 1991 0,36 DM/100 kWh) verwendet werden konnte. Über diesen Steuervorteil hinaus kann die Klägerin jedoch keine Vergütung der Mineralölsteuer für das im maßgeblichen Zeitraum zum ermäßigten Steuersatz bezogene und steuerbegünstigt verwendete Erdgas gemäß § 11 Abs.2 MinöStG i.V.m. § 39a MinöStDV beanspruchen. Dem Vergütungsanspruch steht der eindeutige Wortlaut sowie der Sinn und Zweck des Ausschlußtatbestandes in § 8 Abs.3 Nr.3 Buchst.c MinöStG entgegen.
a) Nach den Feststellungen des FG setzt die Klägerin das Erdgas ausschließlich zum Antrieb von Gasturbinen ein. Unter einer Gasturbine versteht der Sprachgebrauch der Technik eine Wärmekraftmaschine mit rotierenden Laufteilen, die Wärmeleistung in mechanische Leistung umsetzt. Dabei wird die aus der Verbrennung von Gasen gewonnene Energie auf Schaufelräder geleitet und unmittelbar in Drehenergie umgewandelt (vgl. Urteil des Senats vom 13. Februar 1973 VII R 90/70, unveröffentlicht). Im Streitfall stellt die Verbrennung des Erdgases zum Antrieb der Gasturbinen eine eliminierende Nutzung dar, die ohne weitere Zwischenschritte zum vollständigen Verbrauch des Steuergegenstandes führt. Mit der Erzielung des Antriebseffektes ist der konkrete Verwendungsvorgang abgeschlossen, so daß für die nach der Ansicht der Revision gebotene Anwendung des § 17 Abs.4 Satz 1 MinöStDV kein Raum bleibt.
Die aufgrund der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des Senats vom 5. Juli 1988 VII R 119/84, BFHE 154, 286) durch die 17.Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes vom 17. Dezember 1979 (BGBl I 1979, 2282) neu gefaßte Vorschrift ist nur auf die Fälle anwendbar, in denen ein begünstigter Verwendungszweck und ein nichtbegünstigter Verwendungszweck in unmittelbare Konkurrenz treten. Nur unter dieser Voraussetzung kann eine Erlaubnis zur Verwendung von unversteuertem Mineralöl dann erteilt werden, wenn das Mineralöl in einem einheitlichen Verwendungsvorgang in erster Linie zu begünstigten Zwecken dienen soll oder bei zusammenhängenden Verwendungsvorgängen innerhalb eines Gerätes oder einer Maschine überwiegend für begünstigte Zwecke verwendet wird. Eine Steuerbefreiung ist nach § 17 Abs.4 Satz 2 MinöStDV jedoch ausgeschlossen, wenn die Verwendung des Mineralöls zugleich in Verbrennungsmotoren erfolgt. In diesem Fall kommt eine Steuerbefreiung selbst dann nicht in Betracht, wenn zusammen mit der motorischen Verwendung ein begünstigter Zweck verfolgt wird, der im Verhältnis zum nichtbegünstigten Verwendungszweck überwiegt (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer, Mineralölzoll, Stand Januar 1993, § 8 MinöStG Rz.149).
b) Der Ausschluß der Begünstigung von motorischen Verwendungszwecken, der sich selbst bei einer Konkurrenzlage von steuerbegünstigten und nichtsteuerbegünstigten Verwendungszwecken ergäbe, dient der Verwirklichung des der Mineralölsteuer zugrundeliegenden Besteuerungsprinzips. Als verwendungsorientierte Verbrauchsteuer auf Energieleistungen soll die Mineralölsteuer die thermische Nutzung des Steuergegenstandes zur Energieerzeugung erfassen.
Die Ausrichtung auf dieses vorrangige Belastungsziel wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG belegt. Mit dieser durch das Straßenbaufinanzierungsgesetz vom 28. März 1960 (BGBl I 1960, 201) eingefügten Vorschrift ging der Gesetzgeber von der Besteuerung nach der Beschaffenheit des Mineralöls zu einem Besteuerungssystem über, das den konkreten Verwendungszweck --und damit die im Einsatzfall gewollte und geschehene Verwendung des Mineralöls-- in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt (vgl. zur Entstehungsgeschichte Senatsurteil vom 25. November 1969 VII R 23/66, BFHE 97, 331, 335 f.). Durch die enumerative Aufzählung von Ausschlußtatbeständen sollte dem Grundsatz der Besteuerung von Mineralöl nach seiner Verwendung als Treib- und Schmierstoff Geltung verschafft und eine Steuerfreiheit für die nichtbegünstigten Verwendungszwecke verhindert werden (vgl. BTDrucks 3.Wahlperiode Nr.1616/1617, 8, und Beermann, Die steuerliche Begünstigung der Verwendung von Mineralöl zu gewerblichen Zwecken, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1970, 289, 290).
Diese Grundkonzeption der Mineralölbesteuerung ist auch bei der Auslegung des § 17 Abs.4 MinöStDV zu berücksichtigten, der für den Fall des Zusammentreffens von begünstigten mit nichtbegünstigten Verwendungszwecken eine Regelung zur Anwendung des § 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG enthält.
Obwohl der Verordnungsgeber neben den Verbrennungsmotoren Gasturbinen in dieser Regelung nicht ausdrücklich erwähnt, ist bei einer an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierten Auslegung der Gedanke der Vorgreiflichkeit des für die Verwendung von Mineralöl in Verbrennungsmotoren normierten Ausschlußtatbestandes auch auf den Einsatz von Erdgas zum Antrieb von Gasturbinen übertragbar, denn sowohl in Verbrennungsmotoren als auch in Gasturbinen wird das eingesetzte Mineralöl zur Erzielung von motorischen Antriebseffekten verbraucht und damit einer Verwendung zugeführt, die in ihrem Ergebnis dem Besteuerungsprinzip der Mineralölsteuer als einer verwendungsorientierten Verbrauchsteuer auf Energieleistungen voll entspricht.
Im Streitfall verfolgt die Klägerin mit der Verbrennung des Erdgases das Ziel der Umwandlung von Wärmeleistung in Drehenergie zur Erzeugung von Strom und damit einen nach dem Willen des Gesetzgebers nach § 8 Abs.3 Nr.3 Buchst.c MinöStG nichtbegünstigten Verwendungszweck. Daher können die nach Erreichen dieses Ziels beabsichtigten weiteren Ziele --Einsatz des erzeugten Stromes und Dampfes zur Herstellung von Propylenoxid-- einen Steuerbefreiungsanspruch nicht begründen (vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, a.a.O., § 8 MinöStG Tz.151).
c) Der Ausschluß der Steuerbefreiung beim Einsatz von Erdgas zum Antrieb von Gasturbinen ergibt sich auch aus der Normierung eines eigenständigen Begünstigungstatbestandes, nach dem Erdgas zum Antrieb von Gasturbinen in ortsfesten Anlagen, die ausschließlich der gekoppelten Erzeugung von Wärme und Kraft dienen, zu einem ermäßigten Steuersatz verwendet werden darf (§ 8a Abs.2 Nr.1 MinöStG). Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß für diesen speziellen Fall einer gewerblichen Verwendung von Erdgas zur Stromerzeugung eine Steuerbefreiung nach § 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG in Anspruch genommen werden könnte, hätte es der Festlegung eines ermäßigten Steuersatzes nicht bedurft.
d) Der Ansicht der Revision kann auch deshalb nicht gefolgt werden, weil die Anwendung eines weiten Verwendungsbegriffes, der auch spätere, sich nach dem eigentlichen Verbrauch des Mineralöls anschließende Verwendungen erfaßt, zu Ergebnissen führen würde, die sich weder mit der Systematik des MinöStG noch mit dem Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG in Einklang bringen ließen. Folgte man nämlich der Rechtsauffassung der Revision, würde jede der Stromerzeugung nachgeschaltete Verwendung der in Gasturbinen erzeugten Energie im Rahmen eines gewerblichen Herstellungsprozesses einen Anspruch auf vollständige Freistellung von der Mineralölsteuer begründen. Dagegen könnten Elektrizitätswerke oder andere Stromerzeuger, die den Strom nicht selbst verbrauchen, sondern an andere Unternehmen oder an private Haushalte abgeben, lediglich eine Steuerermäßigung in Anspruch nehmen; denn die bloße Weitergabe der erzeugten elektrischen Energie kann nicht mehr als Bestandteil eines mineralölsteuerrechtlich relevanten Verwendungsvorganges angesehen werden. Obwohl das Erdgas in beiden Fällen in identischer Weise verbraucht wird, käme es zu gleichheitswidrigen Unterschieden in der steuerlichen Belastung der Gasturbinenbetreiber, denn in bereichsspezifischer Anwendung des Gleichheitssatzes auf das Mineralölsteuerrecht ließen sich aus dem Grundprinzip der Mineralölbesteuerung und damit aus der vom Gesetzgeber statuierten Sachgesetzlichkeit keine Gründe ableiten, die eine derartige verbrauchsteuerliche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Statt dessen gebietet es der Gleichbehandlungsgedanke geradezu, auf beide Fälle den Ausschlußtatbestand des § 8 Abs.3 Nr.3 Buchst.c MinöStG zu Lasten und die Steuervergünstigung des § 8a Abs.2 Nr.1 MinöStG zugunsten der Gasturbinenbetreiber anzuwenden.
e) Der Auffassung der Klägerin, ihr zur Herstellung von Propylenoxid bestimmter und eingerichteter Betrieb bilde mit den an anderen Orten in Deutschland, Spanien und den Niederlanden gelegenen Olefinanlagen einen einzigen Mineralölherstellungsbetrieb, kann nicht gefolgt werden.
Zwar kann den der Produktion von Propylen dienenden Olefinanlagen grundsätzlich die Eigenschaft von Mineralölherstellungsbetrieben zukommen, jedoch würde sich eine Steuerbefreiung lediglich auf das zur Aufrechterhaltung dieser Anlagen eingesetzte Mineralöl erstrecken. Für die Einbeziehung des in den fünf Gasturbinen eingesetzten Erdgases fehlt es an einem räumlichen Bezug der verschiedenen Anlagen, mithin an dem Erfordernis eines zusammengehörenden Betriebskomplexes. Als verbrauchsteuerliche Herstellungsbetriebe können nämlich nur die baulich zueinander gehörenden oder zumindest eine produktionstechnische Einheit bildenden Räume oder Flächen angesehen werden, die der Herstellung und Lagerung der hergestellten verbrauchsteuerpflichtigen Waren dienen (vgl. Jatzke, Das neue Verbrauchsteuerrecht in der Bundesrepublik Deutschland, Grüner Brief des Instituts "Finanzen und Steuern", Nr.322, 1993, S.22). Der geforderte räumliche Zusammenhang ist nicht mehr gegeben, wenn betriebliche Anlagen weit voneinander entfernt liegen und wenn sie nicht durch bauliche oder technische Maßnahmen, wie z.B. Rohrleitungen oder Gleisanlagen, verbunden sind. Darauf weist auch § 6 Nr.5 MinöStDV a.F. (§ 3 Nr.5 MinöStV) hin, nach dem Anlagen zur Energiegewinnung nur dann als Teil des Mineralölherstellungsbetriebs angesehen werden können, wenn sie mit dessen Anlagen räumlich zusammenhängen.
Aber selbst wenn der Auffassung der Klägerin zu folgen wäre, käme eine Steuerbefreiung für das verwendete Erdgas nicht in Betracht, weil der durch den Antrieb der Gasturbinen erzeugte Strom und Dampf zur Herstellung von Propylenoxid eingesetzt wird und daher für die Herstellung von Mineralöl nicht kausal ist. Die Herstellung sonstiger mit der Mineralölproduktion verwandter oder anderer Erzeugnisse kann nicht mehr als Prozeß zur Aufrechterhaltung des Herstellungsbetriebs angesehen werden (Teichner, in: Teichner/Alexander/Reiche, Mineralölsteuer, Mineralölzoll, § 4 Rdnr.7).
f) Soweit die Klägerin einen Freistellungsanspruch hinsichtlich des von ihr verwendeten Erdgases daraus herleitet, daß der Aufrechterhaltung von Mineralölherstellungs- oder Gasgewinnungsbetrieben dienende Gasturbinen im Rahmen des Herstellerprivilegs nach § 3 Abs.1 MinöStG a.F. steuerfrei betrieben werden können, ist eine andere Beurteilung auch unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes nicht gerechtfertigt. Die gesetzgeberische Entscheidung, bestimmte Betriebe von der Besteuerung auszunehmen, verstößt nicht gegen das in Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) angelegte Gebot der Belastungsgleichheit und Steuergerechtigkeit.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat der Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen und bei der Ausgestaltung von Steuergesetzen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Diese Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist und kein einleuchtender Grund mehr für die vorgenommene Differenzierung besteht. Der Gleichheitssatz ist dagegen nicht verletzt, solange z.B. finanzpolitische, volkswirtschaftliche, sozialpolitische oder steuertechnische Erwägungen die verschiedene Behandlung motivieren, wobei es ausreicht, wenn einer der genannten Gründe die verschiedene Behandlung trägt (BVerfG-Beschluß vom 6. Dezember 1983 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 354, m.w.N.). Bewirkt die Ungleichbehandlung von Sachverhalten zugleich die Ungleichbehandlung von Personengruppen, kommt es insbesondere darauf an, ob eine Gruppe von Steuerschuldnern ohne hinreichenden sachlichen Grund stärker belastet wird als eine andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage gerät, so daß die gesetzlichen Auswirkungen weiter greifen, als es der die Verschiedenbehandlung legitimierende Zweck rechtfertigt, und schutzwürdige Belange der Nichtbegünstigten ohne hinreichenden sachlichen Grund vernachlässigt werden (BVerfG-Beschluß vom 11. Februar 1992 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238, 245).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das den Mineralölherstellungsbetrieben gewährte Steuerprivileg nicht zu beanstanden. Die Regelung, nach der Mineralöl unversteuert bleibt, das zur Aufrechterhaltung des Mineralölherstellungsbetriebs verwendet wird, gehört zum historischen Grundbestand des deutschen Mineralölsteuerrechts und ist auf den zoll- und verbrauchsteuerrechtlichen Sonderstatus der als "inländische Betriebsanstalten" bezeichneten Herstellungsbetriebe vor dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen. Auch nach 1945 wurde die Steuerbegünstigung --nunmehr insbesondere aus wettbewerbspolitischen Gründen-- beibehalten, denn vergleichbare Regelungen existierten auch in den anderen Mitgliedstaaten der EG (Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, S.840). Der 1967 unternommene Versuch einer Abschaffung der steuerlichen Begünstigung scheiterte, weil sich die Hoffnungen des deutschen Gesetzgebers auf eine --im Rahmen der Verbrauchsteuerharmonisierung gebotene-- gemeinschaftsweite Abschaffung des Privilegs nicht erfüllten (vgl. Hahn, in: Das deutsche Bundesrecht, Erläuterung zum Mineralölsteuergesetz, VII D 39, S.29). Da die anderen Mitgliedstaaten an der steuerlichen Begünstigung ihrer Mineralölherstellungsbetriebe festhielten, entschloß sich auch der deutsche Gesetzgeber zur Aufrechterhaltung der Besteuerungspraxis, um Wettbewerbsnachteile für deutsche Betriebe zu vermeiden und Produktionsverlagerungen in die Nachbarstaaten entgegenzuwirken. Da die Steuerbegünstigung auf nachvollziehbaren wirtschaftspolitischen Erwägungen beruht, ist eine gleichheitswidrige Begünstigung der Mineralölherstellungsbetriebe im Vergleich zu anderen, nicht privilegierten Verwendern von Mineralöl oder Betrieben, die andere verbrauchsteuerpflichtige Waren als Mineralöl herstellen (z.B. Brennereien oder Brauereien), nicht gegeben. Die mit der Bevorzugung einer Gruppe von Mineralölverwendern verbundene Durchbrechung des inneren Systems der Verbrauchsbesteuerung (vgl. Teichner, in: Teichner/Alexander/Reiche, a.a.O., § 4 Rdnr.5), das idealiter eine Gleichbehandlung aller Verbraucher fordert, wird durch sachgerechte Erwägungen legitimiert. Daher hält sich die ungleiche wirtschaftliche Auswirkung des Herstellerprivilegs innerhalb des Rahmens, der die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers begrenzt. Verbleibende ungleiche wirtschaftliche Auswirkungen auf die einzelnen Steuerschuldner und ihre Wettbewerbslage sind als unvermeidbar hinzunehmen (BVerfG-Urteil vom 20. Dezember 1966 1 BvR 320/57, 70/63, BVerfGE 21, 12, 27).
g) Die Ansicht der Klägerin, die Erdgassteuer stelle eine gleichheitswidrige Belastung dar, weil andere Energieträger als Erdgas, wie z.B. Atomstrom oder Wasserkraft, nicht mit einer Verbrauchsteuer belegt werden, geht ebenfalls fehl. Wie bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit (vgl. auch Urteil des Senats vom 25. April 1972 VII R 19/69, BFHE 105, 554, m.w.N.). Gegen eine Besteuerung von Wasserkraft und Windenergie könnten insbesondere umweltpolitische Gründe vorgebracht werden, da die Ausnutzung dieser natürlichen Energiequellen keine schädlichen Emissionen freisetzt. Der Einführung einer allgemeinen Stromsteuer könnten wirtschaftspolitische Bedenken begegnen, zumal die auf EG-Ebene geführte Diskussion um die gemeinschaftsweite Einführung einer CO2-/Energiesteuer noch nicht abgeschlossen ist. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen verstößt die Besteuerung von Erdgas und die Nichterhebung einer Verbrauchsteuer auf Strom oder Wasserkraft nicht gegen den Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG.
h) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I, 3146) neu in das GG eingeführte Umweltschutz-Staatszielbestimmung keine Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion des Ausschlußtatbestandes oder ein unmittelbarer Anspruch auf die begehrte Steuerbefreiung. Art.20a GG enthält keinen subjektiven Anspruch des einzelnen, sondern richtet sich an den Staat und gebietet diesem den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Das Staatsziel ist vom Verfassungsgeber bewußt zurückhaltend formuliert worden, um zu verhindern, daß es als Grundlage für Rechtsstreitigkeiten über wirtschaftspolitische Maßnahmen herangezogen werden kann (vgl. Batt, Die Grundgesetzreform nach der deutschen Einheit, 1996, 123). Dem Gesetzgeber verbleibt daher zur Konkretisierung des unbestimmt gefaßten Zieles ein weiter Gestaltungsspielraum, in dessen Rahmen die Verwirklichung des Staatszieles nicht justiziabel ist (Murswiek, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, 1996, Art.20a Rdnr.17). Unter dem Gesichtspunkt des effektiven Umweltschutzes sind die Schlußfolgerungen der Klägerin auch nicht zwingend, denn das anerkannte Erfordernis einer Reduktion des CO2-Ausstoßes und der Ressourcenschonung könnte ebenso für eine steuerliche Belastung aller fossilen Energieträger sprechen. Aus diesen Gründen ist Deutschland bei den Verhandlungen im Rahmen der Verbrauchsteuerharmonisierung auch für eine EG-weite Besteuerung von Erdgas eingetreten.
2. Auch unter Zugrundelegung der harmonisierungsbedingten Neufassung des MinöStG durch Art.5 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes mit Wirkung ab 1. Januar 1993 stünden der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
a) Ein Vergütungsanspruch aus § 25 Abs.1 Satz 1 Nr.4 MinöStG i.V.m. § 47 MinöStV und ein Anspruch auf Erteilung einer Verwendererlaubnis nach § 12 MinöStG wären deshalb nicht gegeben, weil die Neufassung des § 8 Abs.3 Nr.3 MinöStG a.F. (nunmehr § 4 Abs.1 Nr.2 MinöStG) keine Änderung der bisherigen Rechtslage herbeigeführt hat. § 4 Abs.1 Nr.2 MinöStG knüpft vielmehr an die Vorgängervorschrift an und gibt deren Inhalt --wenn auch mit verändertem Wortlaut-- wieder. Danach darf Mineralöl nur dann steuerfrei verwendet werden, wenn es zu anderen Zwecken als zur Verwendung als Kraftstoff oder zur Herstellung von Kraftstoff, zum Verheizen oder zum Antrieb von Gasturbinen dient. Auf die unveränderte Rechtslage weist auch die fast wörtliche Übernahme des § 17 Abs.4 MinöStDV in die Neufassung des § 17 Abs.11 MinöStV hin.
b) Die Beibehaltung der Grundkonzeption des MinöStG hinsichtlich der Verwendung von Erdgas steht nicht im Widerspruch zu den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts. Obwohl Erdgas keiner harmonisierten Verbrauchsteuer unterliegt, sieht das Gemeinschaftsrecht dann eine Besteuerung von Erdgas vor, wenn es als sog. Ersatzkraftstoff eingesetzt wird (Art.2 Abs.3 Satz 1 der Richtlinie 92/81/EWG --RL 92/81/EWG-- des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr.L 316/12, vgl. auch Art.3 Abs.3 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren, ABlEG Nr.L 76/1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 94/74/EG des Rates vom 22. Dezember 1994, ABlEG Nr.L 365/46). Da sich der gemeinschaftsrechtliche Kraftstoffbegriff nicht auf Mineralöle beschränkt, die in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden, erfaßt er auch das zum Antrieb von Gasturbinen verwendete Erdgas. Den Mitgliedstaaten ist es jedoch nach Art.8 Abs.2 Buchst.a RL 92/81/EWG freigestellt, die bei der Elektrizitätserzeugung und in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung verwendeten Mineralöle oder Ersatzkraftstoffe steuerlich zu begünstigen.
Insbesondere die Bundesrepublik hat sich bei den Verhandlungen über die Verbrauchsteuerrichtlinien für die Aufnahme der Ermächtigung eingesetzt, um die nationale Besteuerungspraxis und damit die Steuerbegünstigung (in deren Genuß auch die Klägerin gekommen ist) auch nach der Harmonisierung der Verbrauchsteuern beibehalten zu können (vgl. Jatzke, a.a.O., S.93 f.). Der systematische Zusammenhang von § 4 Abs.1 Nr.2 MinöStG und § 3 Abs.3 Nr.1 MinöStG entspricht daher auch nach der harmonisierungsbedingten Umgestaltung des MinöStG der vorherigen Gesetzessystematik.
c) Auch das zu § 3 Abs.1 MinöStG a.F. gewonnene Ergebnis behielte unter Berücksichtigung der Verbrauchsteuerharmonisierung seine Gültigkeit.
Das Herstellerprivileg ist nunmehr ein für alle Mitgliedstaaten verbindlicher Bestandteil des harmonisierten Mineralölsteuerrechts. Dabei wird die Freistellung des zur Mineralölherstellung eingesetzten Mineralöls in Art.4 Abs.3 RL 92/81/EWG steuertechnisch durch eine Verdrängung des Steuerentstehungstatbestands beim Verbrauch von Mineralöl innerhalb eines Mineralölherstellungsbetriebs bewirkt. Auch der in das deutsche Mineralölsteuerrecht in § 4 Abs.1 Nr.1 MinöStG eingeführte Befreiungstatbestand führt im Ergebnis dazu, daß das zur Mineralölherstellung verwendete Mineralöl --wie in allen anderen Mitgliedstaaten-- unversteuert bleibt. Andere Betriebe sind von der Vergünstigung ausgeschlossen, so daß innerhalb der Gemeinschaft von einer gleichen Wettbewerbslage hinsichtlich der begünstigten und der nichtbegünstigten Betriebe auszugehen ist. Die EG-rechtlich geforderte Beibehaltung des Herstellerprivilegs dient sowohl wettbewerbs- als auch integrationspolitischen Zielsetzungen, so daß die von einem sachlichen Differenzierungsgrund getragene Entscheidung des Gesetzgebers nicht gegen den in Art.3 Abs.1 GG normierten Gleichheitssatz verstößt.
Fundstellen
Haufe-Index 65789 |
BFH/NV 1997, 90 |
BFHE 181, 243 |
BFHE 1997, 243 |
BB 1997, 1399-1402 (LT) |
DStRE 1997, 169-173 (LT) |
DStZ 1997, 198-199 (LT) |
HFR 1997, 164-165 (L) |
StE 1997, 18 (K) |