Leitsatz (amtlich)
Eine Vollmacht des Abtretenden von Steuererstattungsansprüchen zur Unterzeichnung der Abtretungsanzeige an das FA setzt auch dann die nachgewiesene Kenntnis des Vollmachtgebers von dem amtlich vorgeschriebenen Anzeigenvordruck voraus, wenn es sich um eine widerruflich erteilte Vollmacht handelt und die Forderung tituliert ist (Anschluß an BFHE 137, 150, BStBl II 1983, 123).
Orientierungssatz
Die Anzeige der Abtretung von Steuererstattungsansprüchen auf einem privaten Vordruck ist jedenfalls dann nicht ordnungsmäßig, wenn dieser Vordruck von dem "amtlich vorgeschriebenen Vordruck" in relevanter Weise abweicht.
Normenkette
AO 1977 § 46 Abs. 3, 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) --ein Versicherungsunternehmen-- erwirkte am 10.November 1980 beim Amtsgericht gegen die Eheleute E einen Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung von 339,30 DM zuzüglich Zinsen. Die Eheleute E traten an den Kläger ihre Steuererstattungsansprüche für 1980 bis 1999 ab. Zugleich bevollmächtigten sie die Rechtsbeistände des Klägers, in ihrem Namen "entsprechend § 46 AO dem zuständigen Finanzamt diese Abtretung anzuzeigen". Am 4.Januar 1982 ging beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eine Abtretungsanzeige ein, die weitgehend dem durch Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 20.Oktober 1975 (BStBl I 1975, 1070) vorgeschriebenen Vordruck entspricht. Danach haben die Eheleute E ihre Ansprüche aus Lohnsteuer-Jahresausgleich und Einkommensteuerveranlagungen 1980/81 an den Kläger abgetreten. Die Abtretungsanzeige hat einer der Rechtsbeistände des Klägers sowohl für die Abtretenden als auch für den Abtretungsempfänger unterschrieben. Das FA lehnte es mit Bescheid vom 24.August 1982 ab, die Abtretung zu berücksichtigen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab:
Die Abtretung sei nicht wirksam angezeigt worden. Nach § 46 Abs.3 Satz 2 AO 1977 sei die Anzeige vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu unterschreiben. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.November 1982 VI R 205/81, BFHE 137, 150, BStBl II 1983, 123, müsse der Abtretende den Anzeigenvordruck zwar nicht persönlich unterschrieben haben; es müsse aber feststehen, daß er von dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck Kenntnis genommen habe. Das müsse auch dann feststehen, wenn die Vollmacht, für den Abtretenden die Anzeige abzugeben, wie hier nicht unwiderruflich sei. Denn jedenfalls sei der Schutzzweck des § 46 Abs.2 und 3 AO 1977 nur erreicht, wenn feststehe, daß der Abtretende die warnenden Hinweise auf dem amtlichen Vordruck zur Kenntnis genommen habe. Daß dies geschehen sei, habe der Kläger nicht einmal selbst behauptet. Alle Indizien sprächen auch gegen eine solche Kenntnisnahme.
Etwas anderes gelte hier nicht etwa deswegen, weil der Kläger einen vollstreckbaren Titel gegen die Eheleute E habe. Es sei kein Widerspruch, daß beim Pfändungs- und Überweisungsbeschluß der Schuldner nicht noch einmal eingeschaltet werde, während dies bei der Abtretung durch die Abtretungsanzeige geschehen solle. Werde ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß beantragt, so sei der Schuldner durch § 46 Abs.6 AO 1977 in anderer Weise geschützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Klageanträge könnten allenfalls dann Erfolg haben, wenn die Abtretung der Erstattungsansprüche für 1981 auf den Kläger wirksam wäre. Das FG hat zutreffend entschieden, daß das nicht der Fall ist.
1. Nach § 46 Abs.2 i.V.m. Abs.3 Satz 1 AO 1977 ist eine Abtretung unwirksam, wenn sie nicht auf einem "amtlich vorgeschriebenen Vordruck" angezeigt wurde. Im Streitfall ist ein Privatvordruck verwendet worden, der weitgehend dem amtlichen Muster entspricht (vgl. BStBl I 1975, 1070 und BStBl I 1982, 690 und 900). Eine Anzeige auf einem solchen Vordruck ist jedenfalls dann nicht ordnungsmäßig, wenn dieser Vordruck vom amtlichen in relevanter Weise abweicht. Im vorliegenden Fall stimmt der verwendete Vordruck äußerlich und inhaltlich mit dem amtlichen Muster nicht völlig überein. In Abschnitt II (Abtretungsempfänger) des Vordrucks fehlt in der Rubrik "Anschrift" dieses Wort und ist Name und Anschrift der Rechtsbeistände des Klägers eingetragen. Überdies enthält der verwendete Vordruck gedruckte Zusätze wie z.B. den rot eingedruckten Hinweis auf die Notwendigkeit, bei Zahlungen usw. die Aktennummer der Rechtsbeistände anzugeben. Ob diese Abweichungen vom amtlich vorgeschriebenen Vordruck im Hinblick auf den Schutzzweck des § 46 Abs.3 AO 1977 schädlich sind (BFHE 137, 150, 153, BStBl II 1983, 123; vgl. auch Grosse, Verwendung "privater" Vordrucke bei Abtretung von Steuererstattungsansprüchen, Betriebs-Berater --BB-- 1985, 1662), braucht der Senat aber nicht zu entscheiden. Die Abtretung ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil es an einer ausreichenden Unterschrift des Abtretenden auf der Anzeige fehlt.
2. Der VI.Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 137, 150, 154, BStBl II 1983, 123 entschieden, § 46 Abs.3 Satz 2 AO 1977 fordere nicht die eigenhändige Unterschrift des Abtretenden auf der Anzeige. Der Senat läßt es dahingestellt, ob dieser Auffassung zu folgen ist oder ob der genannten Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck durch Auslegung das Erfordernis der Eigenhändigkeit der Unterschrift zu entnehmen ist. Jedenfalls fehlt es im Streitfall an einer ausreichenden Bevollmächtigung der Rechtsbeistände der Klägerin zur Unterschriftsleistung nach § 46 Abs.3 Satz 2 AO 1977. Eine solche Vollmacht ist, wie der VI.Senat des BFH im zitierten Urteil entschieden hat, nur wirksam, wenn sie in nachgewiesener Kenntnis des amtlichen Vordrucks erteilt worden ist. Der erkennende Senat folgt insoweit dieser Entscheidung und verweist auf ihre Gründe. Wie sich aus den Feststellungen des FG ergibt, fehlt es hier an dieser Voraussetzung.
3. Die Frage, ob die Vollmacht zur Unterschriftsleistung unwiderruflich oder widerruflich erteilt worden ist, ist ohne Bedeutung. Bei Erteilung nur einer widerruflichen Vollmacht besteht zwar die Möglichkeit, daß der Abtretende durch Widerruf dieser Vollmacht seine eigenhändige Unterschrift in der Anzeige nachträglich noch sicherstellt. Diese Möglichkeit ist jedoch im wesentlichen nur theoretischer Natur und stellt auch den Schutz des Abtretenden nicht in ausreichendem Umfang sicher, da dieser die Möglichkeit des Widerrufs im Regelfall nicht kennt und außerdem mit dem Widerruf oft zu spät kommen wird. Dem Urteil in BFHE 137, 150, BStBl II 1982, 123 ist nichts anderes zu entnehmen. Der VI.Senat hatte es nach dem Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde lag, mit einer unwiderruflichen Vollmacht zu tun. Seine Ausführungen sprechen dagegen, daß er beim Vorliegen einer widerruflichen Vollmacht, wie sie hier gegeben ist, anders entschieden hätte.
4. Ohne Bedeutung für die Entscheidung ist entgegen der Auffassung der Revision schließlich auch, daß der Kläger bei der Abtretung im Besitz eines Vollstreckungsbescheids über die Hauptforderung war (so Offerhaus in seiner Anmerkung zum Urteil in BFHE 137, 150, BStBl II 1982, 123 in BB 1983, 623, 624). Der Gesetzgeber wollte Rechtsunsicherheit vermeiden, als er nicht nur die von ihm als schutzbedürftig angesehenen, sondern ausnahmslos alle Fälle der Formvorschrift des § 46 Abs.3 AO 1977 unterwarf (Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 46 Anm.12). Eine Einschränkung dieser Regelung auf nicht titulierte Forderungen scheidet daher aus. Zwar hat der Schuldner (und Abtretende) in einem solchen Fall die Möglichkeit, seine Rechte im zivilgerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Auch mag es zutreffen, daß eine Abtretung für den Schuldner vorteilhafter ist als eine Überweisung des Erstattungsanspruches zur Einziehung an den Gläubiger durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß. Das vermag aber eine (teilweise) Nichtanwendung des § 46 Abs.3 AO 1977 auf Fälle, in denen titulierte Forderungen vorliegen, nicht zu rechtfertigen. Eine solche würde auch das Verfahren komplizieren und stünde daher mit dem Vereinfachungszweck der Vorschrift nicht im Einklang.
Fundstellen
Haufe-Index 61604 |
BStBl II 1988, 178 |
BFHE 151, 115 |
BFHE 1988, 115 |
WPg 1988, 265-265 |
ZfZ 1989, 19 (KT) |