Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Ermittlung des bei der Veräußerung eines Wohnhauses entstandenen Spekulationsgewinnes im Sinne des § 23 Abs. 4 EStG dürfen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Veräußerers nicht um die ihm nach § 7 b EStG in der Besitzzeit gewährten erhöhten AfA gekürzt werden.
Normenkette
EStG §§ 7b, 23 Abs. 4
Tatbestand
Der Bg. hat ein teilweise fertiges Wohngebäude zum Preis von 32.000 DM erworben, das Wohngebäude fertiggestellt und es dann zum Preise von 52.000 DM wieder veräußert. Zwischen dem Kauf und dem Verkauf lagen keine zwei Jahre.
Das Finanzamt veranlagte den Bg. zur Einkommensteuer für das Verkaufsjahr 1958 mit einem Spekulationsgewinn. Die Veranlagung erfolgte vorläufig, weil ein Teil des Verkaufspreises von 3.000 DM wegen einer Mängelrüge umstritten war. Den Spekulationsgewinn berechnete das Finanzamt in der Weise, daß es dem nicht umstrittenen Teil des Verkaufspreises (= 49.000 DM) die von dem Bg. für den Kauf und den Ausbau des Gebäudes aufgewendeten Beträge von (32.000 + 8.273 =) 40.273 DM und die Verkaufskosten von 780 DM gegenüberstellte. Es kürzte die Baukosten um die dem Bg. für 1956 bis 1958 gemäß § 7 b EStG gewährten erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) von zusammen 1.736 DM. Der Bg. war demgegenüber der Ansicht, daß diese Kürzung seiner Aufwendungen unzulässig sei; für die Berechnung des Spekulationsgewinns komme es allein auf seine Aufwendungen an. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Berufung des Bg. ermäßigte das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1962 S. 209 abgedruckt ist, die Einkommensteuer, indem es den vom Finanzamt angesetzten Spekulationsgewinn um die erhöhten AfA verminderte. Nach seiner Auffassung dürfen die von dem Bg. für die Anschaffung aufgewendeten Beträge nicht um die erhöhten AfA gemindert werden, weil diese lediglich die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beträfen und sich auch nur hier auswirken könnten.
Mit seiner Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsanwendung.
Der Bg. und der Vorsteher des Finanzamts haben darauf hingewiesen, daß der Streit um den Teilbetrag von 3.000 DM inzwischen beendet sei; der Käufer habe eine Nachzahlung von 2.079 DM geleistet; es seien aber auch noch Kosten von 512,64 DM entstanden. Nach der Auffassung des Finanzamts ist der Spekulationsgewinn für 1958 um den Unterschied von (2.079 ./. 512,64 =) 1.566,36 DM zu erhöhen. Der Bg. meint dagegen, der Betrag könne bei der vorliegenden Veranlagung für 1958 nicht berücksichtigt werden, weil er nicht in das Jahr 1958 falle.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Das Finanzgericht ist mit Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß die dem Bg. nach § 7 b EStG gewährten erhöhten AfA die Herstellungskosten nicht mindern dürfen und den Spekulationsgewinn also auch nicht erhöhen können. Nach § 23 Abs. 4 EStG wird der Spekulationsgewinn durch Gegenüberstellung des Veräußerungspreises sowie der Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der Veräußerungskosten ermittelt. Das Finanzgericht führt ohne Rechtsirrtum aus, daß kein Anlaß bestehe, den Begriff "Anschaffungs- oder Herstellungskosten" hier anders auszulegen als sonst im Einkommensteuerrecht und insbesondere auch im Rahmen des § 7 b EStG. Daß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um die erhöhten AfA nach § 7 b EStG zu kürzen seien, ist weder dem Wortlaut noch dem Sinn des § 23 Abs. 4 EStG zu entnehmen. Die erhöhten Absetzungen haben sich, wie das Finanzgericht zutreffend dargelegt hat, bei den Einkünften des Bg. aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten mindernd ausgewirkt. Der durch die Veräußerung erzielte Spekulationsgewinn hat mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 EStG nichts zu tun, sondern fällt unter die sonstigen Einkünfte der §§ 22 und 23 EStG. Werbungskosten, die nach § 23 Abs. 4 EStG auch bei der Ermittlung des Spekulationsgewinns zu berücksichtigen sind, sind nur die durch die Veräußerung entstandenen Kosten, aber nicht auch die erhöhten AfA, die die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffen. Aus diesem Grunde geht es auch nicht an, die erhöhten AfA als durch die Veräußerung wieder hereingeholt zu betrachten. Das Finanzgericht ist danach zu Recht von den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Bg. ohne Abzug der erhöhten AfA ausgegangen.
Ob dieses Ergebnis voll befriedigt oder ob nicht der Gesetzgeber die Vergünstigung des § 7 b EStG besser davon abhängig machte, daß Gebäude, für die die erhöhten AfA nach § 7 b EStG in Anspruch genommen worden sind, nicht innerhalb kurzer Frist veräußert werden, sind Fragen des gesetzgeberischen Ermessens in der Gestaltung der §§ 7 b und 23 EStG. Auf dieses Problem ist bereits im Urteil des Senats VI 86/55 U vom 12. Dezember 1956 (BStBl 1957 III S. 51, Slg. Bd. 64 S. 133) hingewiesen worden. Der Senat würde die in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes den Gerichten gesetzte Grenze der Rechtsauslegung überschreiten, wenn er entgegen der klaren Gesetzeslage im Sinne des Finanzamts entscheiden würde.
Daß die einem Steuerpflichtigen gewährten Vorteile des § 7 b EStG in gewisser Weise wieder rückgängig gemacht werden, wenn das veräußerte Gebäude zum Betriebsvermögen gehört, ist richtig. Das ergibt sich aus dem Wesen der Gewinnermittlung gemäß §§ 4 und 5 EStG. Dieser Grundsatz kann aber auf die Einkünfte, für die nicht der Gewinn, sondern der überschuß der Einnahmen über die Ausgaben maßgebend ist (ß 2 Abs. 4 Ziff. 2 EStG), nicht übertragen werden.
Daß sich der Veräußerungspreis um die Nachzahlung und die Werbungskosten erhöht hat, ist ein neues tatsächliches Vorbringen, das in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht berücksichtigt werden kann. Wegen der Frage, ob die Beträge erst im Jahr des Zu- oder Abfließens anzusetzen sind, wird auf die Ausführungen des Senats in dem Urteil VI 194/61 U vom 13. April 1962 (BStBl 1962 III S. 306) verwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 410671 |
BStBl III 1963, 116 |
BFHE 1963, 317 |
BFHE 76, 317 |