Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs i.S. des § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG; keine Einbeziehung nachträglicher Kaufpreiserhöhung in die ursprüngliche Steuerfestsetzung; Wirksamkeit einer mündlich erteilten Vollmacht zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrags; Entscheidungsbefugnis über Klageantrag hinaus
Leitsatz (NV)
1. Ein Erwerbsvorgang ist i.S. des § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG verwirklicht, wenn das auf ihn abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht.
2. Die Steuer für eine nachträglich vereinbarte Erhöhung der Gegenleistung ist in einem selbstständigen Bescheid und nicht durch Änderung des Steuerbescheids für den ursprünglichen Erwerbsvorgang festzusetzen.
3. Eine Vollmacht zur Übertragung oder zum Erwerb eines Grundstücks bedarf nicht schon deshalb notarieller Beurkundung, weil der Vollmachtgeber entschlossen ist, die widerruflich erteilte Vollmacht nicht zu widerrufen, oder weil er dem Bevollmächtigten keinen eigenen Entscheidungsspielraum lässt.
4. Durfte ein angefochtener Bescheid insgesamt nicht ergehen, ist er auch dann aufzuheben, wenn der Kläger nur die Herabsetzung der festgesetzten Steuer beantragt hat.
Normenkette
GrEStG § 9 Abs. 2 Nr. 1, § 23 Abs. 4 S. 1; BGB § 167 Abs. 2, §§ 168, 313, 311b; FGO § 96 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte mit Vertrag vom 21. Dezember 1996 ein Grundstück zum Preis von 83 950 000 DM. Sie wurde dabei aufgrund einer mündlich erteilten Vollmacht von B vertreten. Eine notariell beglaubigte Vollmacht wurde im Januar 1997 ausgestellt. Im Jahr 1997 vereinbarten die Vertragspartner eine Erhöhung des Kaufpreises um 2 300 000 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte für den Kaufvertrag zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Grunderwerbsteuer nach einem Steuersatz von 2 v.H. in Höhe von 1 679 000 DM und nach durch Bescheide vom 7. Dezember 2000 und 6. Dezember 2001 erfolgten Erhöhungen in der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2003 nunmehr aufgrund einer Bemessungsgrundlage von 86 250 000 DM (ursprünglicher Kaufpreis zuzüglich der im Jahr 1997 vereinbarten Erhöhung) nach einem Steuersatz von 3,5 v.H. in Höhe von 3 018 750 DM (1 543 462 €) fest.
Das Finanzgericht (FG) wies die auf Herabsetzung der Steuer auf den ursprünglichen Betrag gerichtete Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 361 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, der Kaufvertrag sei erst durch die Erteilung der notariell beglaubigten Vollmacht im Jahr 1997 wirksam geworden, so dass der ab diesem Jahr auf 3,5 v.H. erhöhte Steuersatz anzuwenden sei. Das FA habe auch die Bemessungsgrundlage der Steuer zutreffend ermittelt.
Mit der Revision hält die Klägerin an ihrer Auffassung fest, der Steuersatz betrage lediglich 2 v.H. Der Vertrag sei aufgrund der dem B mündlich erteilten Vollmacht am 21. Dezember 1996 wirksam geworden.
Die Klägerin beantragt, unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 6. Dezember 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2003 einen Steuersatz von 2 v.H. anzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Grunderwerbsteuerbescheide vom 7. Dezember 2000 und vom 6. Dezember 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2003 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG beträgt der Steuersatz für den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis lediglich 2 v.H. und durfte die im Jahr 1997 vereinbarte Kaufpreiserhöhung nicht in die Bemessungsgrundlage der festgesetzten Grunderwerbsteuer einbezogen werden.
1. Der ursprüngliche Kaufpreis von 83 950 000 DM unterliegt nach § 11 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in der im Jahr 1996 geltenden Fassung dem Steuersatz von 2 v.H., da der Erwerbsvorgang bereits im Jahr 1996 verwirklicht wurde und daher der durch Art. 7 Nr. 6 i.V.m. Art. 32 Abs. 3 des Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I, 2049) mit Wirkung ab 1. Januar 1997 auf 3,5 v.H. erhöhte Steuersatz nicht anwendbar ist (§ 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG i.d.F. des Art. 7 Nr. 12 JStG 1997). Ein Erwerbsvorgang ist i.S. des § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG verwirklicht, wenn das auf ihn abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden sind, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst oder nicht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 2005 II R 23/04, BFHE 210, 531, BStBl II 2006, 137).
Der ursprüngliche Erwerbsvorgang war danach mit Abschluss der durch § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in der seinerzeit geltenden Fassung (vgl. jetzt § 311b BGB) vorgeschriebenen notariellen Beurkundung des Kaufvertrags vom 21. Dezember 1996 verwirklicht. Die Vertragsparteien waren von diesem Zeitpunkt an im Verhältnis zueinander gebunden. Dem steht nicht entgegen, dass B nur mündlich zum Vertragsabschluss bevollmächtigt worden war. Diese Vollmacht war dennoch wirksam.
a) Nach § 167 Abs. 2 BGB bedarf die Erklärung über die Erteilung einer Vollmacht nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht. Diese Vorschrift wird von der Rechtsprechung im Rahmen von Geschäften, die nach § 313 BGB a.F., § 311b BGB n.F. beurkundungsbedürftig sind, einschränkend ausgelegt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss eine Vollmacht zum Abschluss eines solchen Geschäfts notariell beurkundet sein, wenn die erteilte Rechtsmacht unwiderruflich sein soll. Kann die Vollmacht zwar widerrufen werden, tritt aber nach der Vorstellung des Vollmachtgebers schon eine tatsächliche Bindungswirkung ein, weil das Rechtsgeschäft ausschließlich den Interessen des Bevollmächtigten dient und dieser die Möglichkeit hat, die erteilte Vollmacht unverzüglich zu seinen Gunsten zu verwerten, bejaht die Rechtsprechung die Formbedürftigkeit ebenfalls (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 29. Februar 1996 IX ZR 153/95, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1996, 1467, unter II.2.c, m.w.N.).
Eine Vollmacht zur Übertragung oder zum Erwerb eines Grundstücks bedarf demgegenüber nicht schon deshalb notarieller Beurkundung, weil der Vollmachtgeber entschlossen ist, die widerruflich erteilte Vollmacht nicht zu widerrufen (BGH-Urteil vom 23. Februar 1979 V ZR 171/77, NJW 1979, 2306), oder weil er sich nicht in unübersehbarer Weise dem Willen des Bevollmächtigten ausliefern will und diesem deshalb keinen eigenen Entscheidungsspielraum lässt (BGH-Urteil vom 1. April 1998 XII ZR 278/96, BGHZ 138, 239, unter A.3.e). Wie der BGH in dieser Entscheidung dargelegt hat, findet die gegenteilige --auch vom FG vertretene-- Auffassung in der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG) keine Stütze. Dem vom FG angeführten RG-Urteil vom 3. Januar 1920 V 254/19 (RGZ 97, 332) lag ein Fall zugrunde, in dem der Grundstücksveräußerer einen Prokuristen der Grundstückserwerberin zum Abschluss des Kaufvertrags bevollmächtigt hatte.
b) Die dem B mündlich erteilte Vollmacht war danach wirksam. Das FG hat nicht festgestellt, dass sie unwiderruflich gewesen sei. Wie sich aus den Regelungen des § 168 Sätze 1 und 2 BGB ergibt, kann die Widerruflichkeit einer Vollmacht nicht durch einseitige Erklärung des Vollmachtgebers, sondern nur durch Vereinbarung in dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis ausgeschlossen werden (BGH-Urteile vom 26. Februar 1988 V ZR 231/86, NJW 1988, 2603, und vom 9. März 1990 V ZR 244/88, BGHZ 110, 363; Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 14. März 1996 2Z BR 121/95, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport Zivilrecht 1996, 848). Der Grundstückskaufvertrag hat auch nicht ausschließlich den Interessen des B gedient, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Formbedürftigkeit der Vollmacht nicht begründet werden kann.
2. Die im Jahr 1997 vereinbarte Kaufpreiserhöhung unterliegt zwar dem Steuersatz von 3,5 v.H., durfte aber nicht in die Bemessungsgrundlage der festgesetzten Grunderwerbsteuer einbezogen werden.
a) Vereinbaren die Partner eines nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Kaufvertrags über ein Grundstück nachträglich eine Erhöhung der Gegenleistung, ist der darin liegende Erwerbsvorgang in Form der zusätzlich gewährten Gegenleistung i.S. des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in dem Zeitpunkt gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG verwirklicht, in dem die Bindung der Vertragspartner hinsichtlich der zusätzlich gewährten Gegenleistung eingetreten ist (BFH-Urteil vom 26. April 2006 II R 3/05, BFHE 213, 239, BStBl II 2006, 604). Dies war bei der 1997 vereinbarten Erhöhung des Kaufpreises in diesem Jahr und somit nach der Erhöhung des Steuersatzes auf 3,5 v.H. der Fall.
b) Nachträglich gewährte zusätzliche Leistungen i.S. des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG sind nicht durch Änderung desjenigen Bescheides zu erfassen, durch den die Steuer für den ursprünglichen Erwerbsvorgang festgesetzt worden ist. Vielmehr muss die Steuerfestsetzung in einem selbständigen Bescheid erfolgen (BFH-Urteil in BFHE 213, 239, BStBl II 2006, 604).
3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Grunderwerbsteuerbescheide vom 7. Dezember 2000 und vom 6. Dezember 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2003 sind aufzuheben. Dies geht zwar über den Revisionsantrag der Klägerin hinaus, ist aber abweichend von den Vorschriften der § 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO, wonach das Gericht nicht mehr zusprechen darf, als der Kläger begehrt, zulässig und geboten.
Das Begehren des Klägers begrenzt die Entscheidungsbefugnis des Gerichts dann nicht, wenn nur eine Herabsetzung der Steuer begehrt wird, aber der angefochtene Bescheid insgesamt --im Streitfall also die Änderungsbescheide-- nicht hätte ergehen dürfen. Die Bindung muss zurücktreten, wenn andernfalls keine dem Gesetz entsprechende Entscheidung über den Streitpunkt möglich wäre (vgl. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1970 II 167/64, BFHE 100, 56, 65 f., BStBl II 1970, 826, 830, und vom 11. Dezember 1985 I R 31/84, BFHE 146, 196, BStBl II 1986, 474; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz 100).
So verhält es sich im Streitfall. Die ursprüngliche Steuerfestsetzung war rechtmäßig. Eine Rechtsgrundlage für eine Änderung gab es nicht. Die Steuer für die nachträglich vereinbarte Kaufpreiserhöhung ist, wie dargelegt, nach einem Steuersatz von 3,5 v.H. zu bemessen und in einem selbständigen Bescheid festzusetzen. Sie kann daher nicht dem Antrag der Klägerin entsprechend durch Änderung des angefochtenen Bescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf 2 v.H. herabgesetzt werden. Eine solche Herabsetzung stünde einer materiell-rechtlich zutreffenden Steuerfestsetzung entgegen und scheidet daher aus.
Durch die Aufhebung der Grunderwerbsteuerbescheide vom 7. Dezember 2000 und vom 6. Dezember 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung lebt der ursprüngliche Grunderwerbsteuerbescheid wieder auf (BFH-Beschluss vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231, unter III.3.).
Fundstellen
Haufe-Index 1766251 |
BFH/NV 2007, 1537 |