Entscheidungsstichwort (Thema)
Beifügung unterzeichneter Vollmacht heilt Mangel der nicht unterschriebenen Klage
Leitsatz (NV)
Ist eine Klageschrift nicht unterschrieben, so wird der Mangel der Unterschrift dadurch geheilt, daß der Klage eine vom Kläger unterzeichnete Vollmacht beigefügt wird, die sich auf dieselben Steuerarten und dieselben Veranlagungszeiträume bezieht.
Normenkette
FGO § 64 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Über das Vermögen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH & Co. KG, ist mit Beschluß des Amtsgerichts vom ... 1991 der Konkurs eröffnet worden. Das Konkursverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
In den Jahren 1983 und 1984 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 1976 bis 1981 statt, aufgrund derer der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die gesonderten und einheitlichen Feststellungen der Einkünfte 1976 bis 1980 änderte und für 1981 erstmalig einen Feststellungsbescheid erließ. Darüber hinaus änderte das FA die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1978, den 1. Januar 1980 und den 1. Januar 1981. In gleicher Weise ergingen auch geänderte Umsatzsteuerbescheide 1976 bis 1980 sowie ein erstmaliger Festsetzungsbescheid für die Umsatzsteuer 1981. Ferner setzte das FA die Gewerbesteuermeßbeträge 1976 bis 1981 entsprechend den geänderten Feststellungen fest.
Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben im wesentlichen erfolglos. Gegen die Einspruchsentscheidungen erhob der frühere Bevollmächtigte der Klägerin am 23. Dezember 1985 Klage. Die Klageschrift trägt seinen Briefkopf und ist am Ende des Textes mit einem Stempelabdruck mit dem Wortlaut "Wirtschaftsprüfer, Steuerberater" versehen. Unterschrieben ist die Klageschrift nicht. Der Klageschrift angeheftet war eine vom gesetzlichen Vertreter der Klägerin unterzeichnete Prozeßvollmacht vom 20. Dezember 1985.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage wegen des Fehlens der Unterschrift als unzulässig ab (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1995, 35).
Hiergegen richtet sich die vom FG zuge lassene Revision der Klägerin, mit der die unrichtige Anwendung des § 64 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerügt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der noch anhängigen Gewinnfeststellungs- und Einheitswertsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung über die Gewinnfeststellung 1976 bis 1981 sowie die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1978, 1. Januar 1980, 1. Januar 1981 (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das FG hat die Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen. Zwar fehlt der Klageschrift die gemäß § 64 Abs. 1 FGO erforderliche Unterschrift. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. November 1973 GrS 2/72 (BFHE 111, 278, BStBl II 1974, 242) sind Verfahrensvorschriften jedoch im Zweifel so auszulegen, daß sie -- wenn irgend vertretbar -- eine Entscheidung der materiellen Rechtsfrage ermöglichen. Der BFH hat daher in mehreren Urteilen entschieden, daß dem Zweck des § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO auch in anderer Weise entsprochen werden kann, als durch eine eigenhändige Unterzeichnung des maßgebenden Schriftsatzes durch dessen Verfasser (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1986 III R 207/81, BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131). Es muß allerdings feststehen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht um einen Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist.
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen hat der I. Senat des BFH entschieden, daß die Beifügung einer vom Kläger unterzeichneten Vollmacht, die sich auf die gleichen Steuerarten und die gleichen Veranlagungszeiträume wie die Klage bezieht, den Mangel der fehlenden Unterzeichnung der Klageschrift heilt (Urteil vom 18. Juli 1990 I R 22--23/87, BFHE 161, 379, BStBl II 1990, 1088). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an (ebenso Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 64 Rdnr. 30). Denn es ist in einem solchen Fall ohne Beweisaufnahme erkennbar, daß es sich nicht um einen bloßen Entwurf handelt. Einem Entwurf eine unterschriebene Vollmacht beizufügen, wäre sinnlos (Urteil des FG Hamburg vom 28. Februar 1990 VI 298/87, EFG 1990, 434). Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, daß die Vollmacht -- insoweit abweichend von dem im Urteil in BFHE 161, 379, BStBl II 1990, 1088 entschiedenen Fall -- nicht dasselbe Datum aufwies wie die Klageschrift, sondern daß die beiden Daten um drei Tage differierten.
Die Klage ist auch nicht durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin unzulässig geworden; denn Rechtsstreitigkeiten wegen Gewinnfeststellung und Einheitswert des Betriebsvermögens gehören zu den konkursfreien Angelegenheiten (Senats-Beschluß vom 12. November 1992 IV B 83/91, BFHE 169, 490, BStBl II 1993, 265 m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 421001 |
BFH/NV 1996, 332 |