Leitsatz (amtlich)
Die in § 5 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 1. HypSichDV getroffene Regelung bezieht sich grundsätzlich nur auf Grundstücke, die Gegenstand einer selbständigen Nutzung durch Vermietung (Verpachtung) oder einer selbständigen Eigennutzung sind, nicht aber auf Grundstücke, die nur als Teile eines gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Bedeutung haben.
Die Eigentümer selbstgenutzter gewerblicher oder land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke können nicht vom Erlaß von Umstellungsgrundschuld-Leistungen aus Härtegründen im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 1. HypSichDV ausgeschlossen werden.
Normenkette
HypSichDV § 5 Abs. 4
Tatbestand
Der - nichtbuchführende - Landwirt A. L. ist bis zu seinem Todestag, dem 10. Januar 1953, Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in U. zur Größe von 11 ha Acker und Wiesen sowie 9 ha Wald gewesen. Er hatte für das Kalenderjahr 1950 Erlaß von 531,56 DM Zinsen und Aussetzung von 95,74 DM Tilgungsleistungen auf die seine land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke belastende Umstellungsgrundschuld beantragt. Das Finanzamt hat den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Ablehnungsbescheid des Finanzamts ist erfolglos geblieben. Gegen die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion hat der Antragsteller Berufung an das Finanzgericht eingelegt, nach seinem Tode ist seine Ehefrau Anna L., die ihren Ehemann kraft Testaments allein beerbt hat, in das Berufungsverfahren eingetreten. Auch die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde begehrte die Ehefrau (Alleinerbin des Antragstellers) erneut für das Kalenderjahr 1950 Erlaß der Zinsen und Aussetzung der Tilgungsleistungen, und zwar sowohl wegen ungünstiger Ertragslage als auch aus Gründen offenbarer Härte (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 und 2 der Badischen Ersten Landesverordnung zur Durchführung des Hypothekensicherungsgesetzes vom 23. Juni 1949, Gesetz- und Verordnungsblatt S. 239 = § 5 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 und 2 der Ersten Durchführungsverordnung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets vom 7. September 1948, - Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl. - S. 88 -). Der Senat hat mit Rücksicht auf die Bedeutung der beim Erlaß von Umstellungsgrundschuld-Leistungen strittigen Fragen für die zu § 129 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) zu erlassende Rechtsverordnung den Bundesminister der Finanzen um Beitritt zum Verfahren ersucht. Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten und hat sich wie folgt geäußert:
"§ 1 Abs. 4 Satz 1 der VO kennt zwei selbständige Voraussetzungen für einen Billigkeitserlaß: Im ersten Halbsatz die ungünstige Ertragslage des Grundstücks und im zweiten Halbsatz eine offenbare Härte aus sonstigen Gründen. Bei ungünstiger Ertragslage des Grundstücks (Halbsatz 1) wird ein Rechtsanspruch auf einen Erlaß von Leistungen angenommen, bei einer Härte aus anderen Gründen (Halbsatz 2) ein in das Verwaltungsermessen gestellte Entgegenkommen.
Mit der Regelung, die im ersten Halbsatz von § 1 Abs. 4 Satz 1 der VO getroffen ist, können nur Grundstücke gemeint sein, die Gegenstand einer selbständigen Nutzung durch Vermietung oder einer selbständigen Eigennutzung sind, aber nicht Grundstücke, die nur als Teile eines gewerblichen oder eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs wirtschaftliche Bedeutung haben und nur im Rahmen eines solchen Betriebs vom Betriebsinhaber eigengenutzt bzw. zusammen mit dem gesamten Betrieb verpachtet sind. Das ergibt sich zunächst aus der amtlichen Begründung zu § 5 der 1. HypSichDV (öffentlicher Anz. 1948 Nr. 8 vom 24. 9. 1948). Dort ist gesagt, daß - in erster Linie bei Bomben- und anderen Kriegsschäden, dann auch in anderen Fällen - die mangelnde Rentabilität des Grundstücks Berücksichtigung finden solle und daß fällige Leistungen, die aus dem Grundstück - zu ergänzen: aufzubringen wären und - nicht aufgebracht werden können, erlassen werden können. Bei Grundstücken, die nur als Teile eines gewerblichen oder eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Bedeutung haben, kann aber von einer selbständigen Rentabilität des Grundstücks und einer Ermittlung selbständiger Grundstückserträge nicht die Rede sein. Entsprechend den Absichten, die in der Begründung zum Ausdruck kommen, trifft sodann § 5 Abs. 4 Satz 1 der 1. HypSichDV bzw. § 1 Abs. 4 Satz 1 der VO vom 23. 6. 1949 im ersten Halbsatz eine Regelung, bei der es auf die bei den vorgenannten Arten von Grundstücken nicht vorhandenen "Erträge des Grundstücks" ankommt. Eine zusätzliche Regelung für die Fälle, in denen nur Ergebnisse eines gesamten Betriebs feststellbar sind, hat der Gesetzgeber im Gegensatz zu der Verzichtsregelung in dem durch das spätere änderungsgesetz vom 10. August 1949 (WiGBl. S. 232) eingefügten § 3 c HypSichG also bewußt unterlassen.
§ 17 der Erlaßrichtlinien stützt sich demgemäß, soweit er für Grundstücke mit einer wirtschaftlichen Bedeutung nur im Rahmen eines Gewerbebetriebs oder eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs gilt, überhaupt nicht auf die einen Rechtsanspruch gewährende Regelung in § 1 Abs. 4 Satz 1 erster Halbsatz, sondern auf die lediglich ein Billigkeitsermessen der Verwaltung offenlassende Regelung im zweiten Halbsatz dieser Vorschrift. Daß die Bestimmung, die eine objektive Erlaßvoraussetzung (Ergebnis des Betriebs) und außerdem eine vielleicht als subjektive anzusprechende Voraussetzung (Existenzgefaehrdung) enthält, mit Rücksicht auf die zunächst zu prüfende objektive Voraussetzung unter die Bestimmungen wegen ungünstiger Ertragslage (§§ 3 bis 18) gestellt worden ist, ändert nichts daran, daß sie die Ermächtigung nach dem zweiten Halbsatz von § 1 Abs. 4 Satz 1 ausfüllt. Stützt sie sich aber auf diese Vorschrift, so setzt sie sich nicht mit dem ersten Halbsatz des § 1 Abs. 4 Satz 1 in Widerspruch."
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Das Finanzgericht hat im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung, zutreffend das Vorliegen eines Rechtsanspruchs auf Erlaß von Umstellungsgrundschuld-Leistungen verneint. Dem Bundesminister der Finanzen muß darin zugestimmt werden, daß sich die in § 1 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 der Badischen Verordnung (§ 5 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 der Verordnung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets) getroffene Regelung nur auf Grundstücke bezieht, die Gegenstand einer selbständigen Nutzung durch Vermietung bzw. Verpachtung sind, im allgemeinen aber nicht auf solche, die Teile eines land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebs und im Rahmen eines solchen Betriebs vom Betriebsinhaber eigengenutzt bzw. zusammen mit dem ganzen Betrieb verpachtet sind. Die Frage, ob in Abweichung hiervon die Regelung des Halbsatzes 1 a. a. O. Platz greift a) bei landwirtschaftlichen Betrieben, von denen nur die Hofstelle dem Betriebsinhaber gehört (die bewirtschafteten Grundstücke sämtlich gepachtet sind), oder b) im Falle der Mindestbewertung eines landwirtschaftlichen Betriebs (beide Male unter der Voraussetzung, daß die Umstellungsgrundschulden auf der Hofstelle lasten), kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen. Im Falle der Zugehörigkeit eines Grundstücks zu einem land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betrieb lassen sich jedenfalls für den Normalfall der landwirtschaftlichen Bewertung die Erträgnisse dieses Grundstücks aus dem Ertrag des (gesamten) Betriebs nicht herauslösen, es sei denn im Fall der Vermietung (Verpachtung) eines betriebszugehörigen Grundstücks. Eine nur schätzungsweise Ermittlung der Erträgnisse des betreffenden Grundstücks, die zudem mehr oder weniger auf unsicheren Grundlagen beruhen würde, könnte nicht genügen, da es bei der nach Halbsatz 1 a. a. O. geforderten Gegenüberstellung von Erträgnissen und Lasten sowie bei dem Ausnahmecharakter der Vorschrift auf eine zuverlässige genaue Feststellung der Erträgnisse ankommt. Hiernach kann ein Erlaß von Umstellungsgrundschuld-Leistungen nach Halbsatz 1 a. a. O. für betriebszugehörige und nicht vermietete (verpachtete) Grundstücke nicht begehrt werden, weil selbständige Erträgnisse solcher Grundstücke nicht vorliegen, sie vielmehr in dem Gesamtertrag des Betriebs aufgehen. Demnach war im vorliegenden Falle auch kein Raum für den vom Finanzgericht gemachten Versuch, ausgehend von dem nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) ermittelten landwirtschaftlichen Gewinn des Antragstellers zahlenmäßig eine etwaige Existenzgefährdung des Antragstellers im Sinne von § 17 zu b) der Badischen Erlaß- Richtlinien für Umstellungsgrundschuld-Leistungen vom 9. Mai 1951 (Ministerialblatt der Landesregierung Baden S. 157) = § 17 zu b) der Erlaß-Richtlinien des Bundesministers der Finanzen vom 8. März 1951 (Bundessteuerblatt Teil I S. 262) feststellen zu wollen, um daraus auf eine Anwendbarkeit des Halbsatzes 1 a. a. O. zu schließen. § 17 zu b) der genannten Erlaß-Richtlinien bezieht sich im übrigen nach der dargelegten Rechtslage, wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend hervorhebt, trotz seiner Einbeziehung in den Abschn. "Ertragsrechnung" nicht auf die Fälle des Halbsatzes 1 a. a. O., sondern auf die des Halbsatzes 2 a. a. O.; seine Einreihung in den genannten Abschnitt sieht der Bundesminister der Finanzen darin begründet, daß diese Bestimmung mit Rücksicht auf die für einen etwaigen Erlaß aus Härtegründen geforderte objektive Voraussetzung (Ergebnis des Betriebs) unter die Vorschriften betreffend ungünstige Ertragslage gestellt sei. Darin, daß Land- und Forstwirte oder Gewerbetreibende für ihre betriebszugehörigen nicht vermieteten oder verpachteten Grundstücke einen Erlaß gemäß Halbsatz 1 a. a. O. nicht beanspruchen können, liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), weil nach dem oben Gesagten die Fälle eines selbständig genutzten und eines betriebszugehörigen Grundstücks ungleich sind, also nicht etwa grundgesetzwidrig Gleiches ungleich behandelt wird.
In der Frage, ob vorliegendenfalls ein Erlaß aus Härtegründen zu gewähren ist, hat das Finanzgericht zutreffend ausgeführt, daß allerdings § 19 Abs. 1 Satz 2 der Badischen Erlaß-Richtlinien = § 19 Abs. 1 Satz 2 der Erlaß-Richtlinien des Bundesministers der Finanzen, der Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlich oder gewerblich selbstgenutzten Grundstücks von der Stellung eines Antrags auf Erlaß aus Härtegründen ausschließt, mit der Vorschrift in § 1 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 der Badischen Verordnung = § 5 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 der Verordnung für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet nicht zu vereinbaren und daher rechtsungültig ist. Dies scheint nunmehr auch die Auffassung des Bundesministers der Finanzen zu sein, da andernfalls ein Widerspruch zwischen § 19 Abs. 1 Satz 2 a. a. O. und dem vom Bundesminister der Finanzen, wie oben schon ausgeführt, zutreffend auf die Fälle des Erlasses aus Härtegründen bezogenen § 17 zu b) a. a. O. vorläge. Hiernach ist unbezweifelbar, daß auch einer natürlichen Person, die Eigentümer eines betriebszugehörigen, nicht vermieteten (verpachteten) Grundstücks ist, Erlaß von Umstellungsgrundschuld- Leistungen gewährt werden kann. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das Finanzgericht vorliegendenfalls indessen mit Recht verneint. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht bei Prüfung der Frage, ob der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin (Bfin.) nicht das Existenzminimum erzielt hat, mangels anderer brauchbarer Unterlagen von dem für den Rechtsvorgänger der Bfin. als nichtbuchführendem Landwirt nach Durchschnittsätzen festgestellten landwirtschaftlichen Gewinn ausgegangen ist. Zu Recht hat aber das Finanzgericht bei seiner Feststellung, ob der Rechtsvorgänger der Bfin. das Existenzminimum erzielt hat, dem landwirtschaftlichen Gewinn Beträge für einen bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nicht besonders berücksichtigten Zuchtviehverkauf und Erlös aus Holzverkauf hinzugerechnet. Der Rechtsbeschwerde kann nicht gefolgert werden, wenn sie meint, es müsse die Berechnung "konsequent", d. h. nur nach der VOL durchgeführt werden. Gerade weil der aus dem Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs abgeleitete Gewinn an sich grundsätzlich zu niedrig ist, ist es erforderlich, diesen Gewinn soweit als möglich dem tatsächlichen Gewinn durch Korrektivposten anzunähern. Dahingestellt bleiben kann, ob das Finanzgericht mit Recht zwei Kinder des Antragstellers als im Arbeitsverhältnis zu ihm stehend angenommen und das Existenzminimum um die für diese beiden Kinder anzusetzenden Beträge gekürzt hat, weil auch im anderen Falle die Gesamteinkünfte des Antragstellers das Existenzminimum für ihn und seine Angehörigen so weit überschreiten, daß die Zins- und Tilgungsleistungen auf die Umstellungsgrundschuld aus dem überschießenden Betrag voll erbracht werden können.
Hiernach war die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 307 ff. der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408169 |
BStBl III 1955, 202 |
BFHE 1956, 12 |
BFHE 61, 12 |