Leitsatz (amtlich)

Der beim Versendungsauslagenabzug nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 zu fordernde Nachweis der Begünstigungsvoraussetzungen in der Buchführung (RdF-Erlaß vom 13. Mai 1942, § 54 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 in der ab 13. September 1961 geltenden Fassung) beurteilt sich nach § 14 UStDB 1951. Die zum Buchnachweis bei den Großhandelsbegünstigungen entwickelten Grundsätze sind anwendbar.

 

Normenkette

UStG 1951 § 5 Abs. 4 Nr. 1; UStDB 1951 § 14 Abs. 1, 3, § 54 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Klägerin, Revisionsklägerin), die nach vereinnahmten Entgelten versteuert, setzte in den Streitjahren 1956 bis 1962 gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 die auf dem Sachkonto 493 gebuchten Frachtaufwendungen ab. Auf diesem Konto waren außer den Frachtkosten, die durch den Direktversand an Abnehmer entstanden waren, auch die Frachtkosten verbucht, die bei dem Versand an Auslieferungslager der Steuerpflichtigen und für steuerfreie Lieferungen angefallen waren. Abgesetzt wurden auch die Frachtaufwendungen für rückgängig gemachte Lieferungen und für Lieferungen, die späterhin zu einem Forderungsausfall führten. Soweit direkt an Abnehmer versandt wurde, waren die Frachtaufwendungen in den Rechnungen nicht besonders kenntlich gemacht. Zwischen der Verbuchung der Aufwendungen und dem Zahlungseingang lagen im allgemeinen ein Zeitraum von acht Tagen.

Das Finanzamt – FA – (Beklagter, Revisionsbeklagter) versagte unter Bezugnahme auf den Erlaß des Reichsministers der Finanzen (RdF) vom 13. Mai 1942 (RStBl 1942, 543, USt-Kartei S. 4201, Karte 9) nach einer Betriebsprüfung in Berichtigungsveranlagungen für 1956 bis 1961 und in einer erstmaligen Veranlagung für 1962 den Abzug sämtlicher Versendungsauslagen, weil die begünstigten Versendungsauslagen für steuerpflichtige Direktumsätze der Buchführung nicht eindeutig und leicht nachprüfbar zu entnehmen seien; eine Trennung von den nicht begünstigten Frachtaufwendungen sei nur bei Überprüfung sämtlicher Ausgangsrechnungen möglich. Die Steuerpflichtige hielt die Versendungsauslagen für steuerpflichtige Direktumsätze für absetzbar. Sie schätzte anhand einer Repräsentativermittlung für je ein Quartal der Streitjahre 1960 bis 1962 die absetzbaren Versendungsauslagen.

Einspruch und Berufung (Klage) blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt: § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 lasse nur den Abzug von Auslagen zu. Eine Auslage setze voraus, daß eine für Rechnung eines Dritten eingegangene Verbindlichkeit beglichen werde. § 54 Abs. 1 UStDB 1951 in der bis zum 12. September 1961 geltenden Fassung habe demnach den Abzug davon abhängig gemacht, daß der Unternehmer dem Abnehmer die Versendungsauslagen bei der Abrechnung kenntlich mache. Wenn sich die Steuerpflichtige, die eine Kenntlichmachung unterlassen habe, demgegenüber auf den RdF-Erlaß vom 13. Mai 1942 (a. a. O.) berufe, hätte sie die Voraussetzungen dieses Vereinfachungserlasses beachten müssen. Das sei nicht geschehen. Sie habe die absetzbaren Versendungsauslagen nicht getrennt von den übrigen Versendungsauslagen gebucht. Eine Trennung sei nur bei Rückgriff auf die zahlreichen Einzelrechnungen und mit erheblichem Zeitaufwand möglich. Hinzu komme, daß die Frachtkosten nach dem Soll berechnet worden seien; der Buchnachweis sei aber im Rahmen einer Ist-Versteuerung nach dem Ist zu führen. Eine Schätzung der absetzbaren Versendungsauslagen sei unzulässig. Gleiches gelte für den Zeltraum ab 13. September 1961. Die Neufassung des § 54 Abs. 1 UStDB 1951 ab diesem Zeitpunkt habe die bisherige Rechtslage nicht ändern sollen.

Die Steuerpflichtige rügt mit der Revision Verletzung des § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 und macht geltend: Sie habe einen Rechtsanspruch auf Abzug ihrer echten Versendungsauslagen. Seien bei der buchmäßigen Erfassung der Versendungsauslagen Fehler unterlaufen, müßten diese ggf. durch Schätzung berichtigt werden. Es widerspreche Sinn und Zweck des § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951, in einem solchen Fall die Absetzbarkeit in vollem Umfang zu versagen. Eine Herausschätzung der nicht absetzbaren Beträge sei insbesondere deswegen gerechtfertigt, weil diese in allen Streitjahren geringfügig seien (etwa 0,3 % der Umsätze). Die Anforderungen an eine leichte Nachprüfbarkeit im Rahmen der Großhandelsprivilegien sei nicht auf § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951, der keinen Buchnachweis vorsehe, zu übertragen. Die Versendungsauslagen hätten bei der Masse der Auslieferungen nicht nach dem Ist festgehalten werden können. Zwischen Rechnungserteilung und Geldeingang liege nur ein kurzer Zeitraum. Im übrigen hätten der RdF-Erlaß vom 13. Mai 1942 (a. a. O.) und § 54 Abs. 1 UStDB 1951, auch ohne dies ausdrücklich zu erwähnen, eine Sollverbuchung erlaubt. In ihnen werde auf die Buchhaltung verwiesen; es gehöre zum Wesen einer Buchführung, alle Geschäftsvorfälle lautend und nicht erst beim Zahlungseingang zu erfassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 können die Auslagen des Unternehmers für die Versendung von Gegenständen nach näherer Bestimmung der Bundesregierung vom Entgelt für steuerpflichtige Umsätze abgesetzt werden. Die Absetzbarkeit kann nicht bereits deswegen versagt werden, weil keine Auslagen gegeben seien; denn rechtsirrig ist die Auffassung des FG, eine Auslage liege nur vor, wenn eine für Rechnung eines Dritten eingegangene Verbindlichkeit beglichen werde. Der Senat hat in dem Urteil V 251/58 U vom 17. Dezember 1959 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 70 S. 264 – BFH 70, 264 –, BStBl III 1960, 97) anhand der Entstehungsgeschichte des § 54 UStDB dargelegt, daß der Begriff der Auslage wie „Ausgabe” zu verstehen ist. Daran wird festgehalten.

Die Anwendung des § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 setzt jedoch weiterhin voraus, daß der Unternehmer bis zum 12. September 1961 dem Abnehmer die Versendungsauslagen bei der Abrechnung kenntlich gemacht (§ 54 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 a. F.) und ab 13. September 1961 die Auslagen in der Buchführung nachgewiesen hat (§ 54 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 in der Fassung der Zwölften Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 8. September 1961, Bundesgesetzblatt I 1961 S. 1660, BStBl I 1961 624). Der Buchnachweis richtet sich für den Zeitraum ab 13. September 1961 nach § 14 UStDB 1951. Diese Vorschrift gilt, wie sich aus ihrem Abs. 1 ergibt, für jeglichen Buchnachweis im Rahmen der Umsatzbesteuerung. Wenn die Bestimmung auch vornehmlich für die Großhandelsprivilegien Bedeutung hat, kann ihre Anwendung auf andere Begünstigungstatbestände deshalb nicht eingeschränkt werden. Es ist lediglich zu beachten, daß der Erwerb und der Zusammenhang zwischen Erwerb und Veräußerung im Rahmen des § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 keine Begünstigungsvoraussetzungen sind und demgemäß auch nicht buchmäßig nachzuweisen sind. Die in § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 und in § 54 Abs. 1 UStDB 1951 genannten Voraussetzungen müssen hingegen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu entnehmen sein (§ 14 Abs. 3 UStDB 1951).

Diese Grundsätze gelten im Falle des Steuerpflichtigen auch für den Zeitraum bis zum 12. September 1961. Die Steuerpflichtige hat die Versendungsauslagen nicht – wie es § 54 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 a. F. fordert – gegenüber ihren Abnehmern kenntlich gemacht. Sie kann eine Abzugsfähigkeit allenfalls über den RdF-Erlaß vom 13. Mai 1942 (a. a. O.) erreichen, den der Senat in ständiger Rechtsprechung als einen nach Treu und Glauben zu beachtenden Vereinfachungserlaß bezeichnet hat (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – V 251/58 U vom 17. Dezember 1959, a.a.O.; V 83/62 vom 6. Mai 1965, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Umsatzsteuergesetz, § 5 Abs. 4, Rechtsspruch 15). Der Erlaß gestattet einen Abzug von Versendungsauslagen auch ohne Kenntlichmachung bei der Abrechnung, wenn die Auslagen der Buchführung des Unternehmers eindeutig und leicht nachprüfbar entnommen werden können. Diese Anordnung stimmt wörtlich mit § 14 Abs. 3 UStDB 1951 überein.

Gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951, § 54 Abs. 1 UStDB 1951 sind nur die Versendungsauslagen abzugsfähig, die auf steuerpflichtige Lieferungen entfallen. Die Steuerpflichtige hat diese Versendungsauslagen zusammen mit anderen Versendungsauslagen verbucht (Vorfrachten, Frachten für steuerfreie Lieferungen u. ä.). Eine Trennung wäre – wie die Steuerpflichtige selbst einräumt – nur mit unverhältnismäßigem Zeitaufwand möglich. Es müßte auf die einzelne Ausgangsrechnung zurückgegangen werden. Unter diesen Umständen kann nicht davon gesprochen werden, daß die auf steuerpflichtige Lieferungen entfallenden Versendungsauslagen eindeutig und leicht nachprüfbar der Buchführung entnommen werden können. Überdies sind die Ausgangsrechnungen nicht mehr Teil der Buchführung, sondern Buchführungsbelege, mit denen der Nachweis nicht geführt werden kann.

Der Buchnachweis ist nach § 54 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 n. F. und bei der Inanspruchnahme des erleichterten Verfahrens nach dem RdF-Erlaß vom 13. Mai 1942 (a. a. O.) eine materielle Voraussetzung der Steuerbegünstigung. Er muß geführt sein, wenn die Steuerpflichtige den Abzugsanspruch verwirklichen will. Eine Schätzung der auf steuerpflichtige Lieferungen entfallenden Versendungsauslagen oder der sonstigen Frachtkosten kommt nicht in Betracht. Es gilt, was der Senat zu § 14 Abs. 3 UStDB 1951 in bezug auf die Großhandelsprivilegien ausgeführt hat (u. a. BFH-Urteile V 90/62 U vom 28. Januar 1965, BFH 83, 192, BStBl III 1965, 570; V 217/62 U vom 18. Februar 1965, BFH 81, 682, BStBl III 1965, 244; V R 107/66 vom 12. Dezember 1969, BFH 98, 216, BStBl II 1970, 274). Der Unternehmer geht der Vergünstigung insgesamt verlustig, wenn begünstigungsfähige und nicht begünstigungsfähige Versendungsauslagen zusammengefaßt verbucht worden sind und beide Auslagengruppen mit Hilfe der vorhandenen Aufzeichnungen nicht eindeutig und leicht nachprüfbar voneinander abgegrenzt werden können. Es fehlt der Nachweis, daß die einzelne zum Abzug gestellte Versendungsauslage tatsächlich eine begünstigungsfähige Versendungsauslage ist. Der RdF-Erlaß vom 13. Mai 1942 (a. a. O.) verlangt demgemäß auch ausdrücklich eine getrennte Verbuchung der Versendungsauslagen, die sich auf steuerpflichtige Lieferungen beziehen.

Das nicht veröffentlichte Urteil des Senats V 111/53 vom 12. November 1953 (teilweise wiedergegeben in Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B – Eildienst –, 1965 S. 220 – DStZ B 1965, 220 –) hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Dort hatte der Senat der Vorinstanz aufgegeben, zu klären, ob sich Großhandelsumsätze, die mit einigen nicht begünstigten Umsätzen zusammen verbucht worden waren, eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung nachweisen ließen. Soweit sich in diesem Urteil die Bemerkung findet, der Nachweis könne „gegebenenfalls im Wege der Schätzung” erbracht werden, wird an ihm nicht festgehalten.

Die Steuerpflichtige hat entsprechend dem Verfahren, das das FG Hamburg entwickelt hat (DStZ B 1964, 450, ebenso die Oberfinanzdirektion Hamburg, DStZ B 1965, 220), die begünstigten Versendungsauslagen für drei Quartale genau ermittelt und den so gefundenen Prozentsatz auf den übrigen Streitzeitraum übertragen. Dieses Verfahren kann nicht gebilligt werden. Es ist ein Schätzungsverfahren, soweit es sich auf den außerhalb der drei Quartale liegenden Streitzeitraum bezieht. Insoweit tritt eine Wahrscheinlichkeitsberechnung an die Stelle einer genauen Ermittlung. Im übrigen ist ein solches Verfahren nicht leicht nachprüfbar. Die leichte Nachprüfbarkeit muß für den gesamten Streitzeitraum gewährleistet sein; sie kann nicht dadurch umgangen werden, daß nur ein Ausschnitt des Streitzeitraums ins Blickfeld gerückt wird und dann naturgemäß weniger Versendungsauslagen zu betrachten sind, die leichter überprüft werden können. Schließlich hat die Steuerpflichtige auch bei dieser Berechnung auf die Ausgangsrechnungen, die nicht Bestandteil der Buchführung sind, zurückgreifen müssen.

Nicht entschieden zu werden braucht, ob der Buchnachweis auch dann nicht geführt ist, wenn versehentlich nicht begünstigte Versendungsauslagen in geringem Ausmaß zusammen mit begünstigten Versendungsauslagen verbucht werden. Die auf dem Konto 493 verbuchten nicht begünstigten Versendungsauslagen sind nicht geringfügig. Nach der Schätzung der Steuerpflichtigen sind in jedem Streitjahr nicht begünstigte Versendungsauslagen in Höhe von etwa 100 000 DM bis 150 000 DM auf das Konto 493 verbucht worden. Diese Beträge sind auch relativ bedeutend. Es darf nicht – wie es die Steuerpflichtige möchte – ein Bezug zum Gesamtumsatz hergestellt werden. Es sind vielmehr die nicht begünstigten Auslagen mit den Gesamtbuchungen auf dem Konto 493 zu vergleichen. Zutreffend hat das FG auch ausgeführt, daß die Steuerpflichtige, die ihre Entgelte nach dem Ist ermittelt, die Versendungsauslagen nicht nach dem Soll feststellen durfte. Hierzu hätte es jedenfalls der Genehmigung des FA bedurft (RdF-Erlaß vom 13. Mai 1942, a. a. O., Abs. 3, § 14 Abs. 5 UStDB 1951). Eine solche Genehmigung liegt nicht vor.

 

Fundstellen

BFHE 1971, 423

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