Entscheidungsstichwort (Thema)
Kinderbetreuungskosten
Leitsatz (NV)
Die steuerliche Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten zusammen lebender Eltern mit zwei Kindern durch den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf sowie als außergewöhnliche Belastung genügte im Jahr 2002 verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 6, § 33c
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die Klägerin arbeitete an ihrer juristischen Habilitation und hatte negative Einkünfte aus der Tätigkeit als Rechtsanwältin.
Im Streitjahr 2002 entstanden den Klägern durch die Beschäftigung einer Kinderfrau Kosten für die Betreuung ihrer 1989 und 1994 geborenen Töchter in Höhe von insgesamt 16 646,68 €, die auf beide Kinder je zur Hälfte entfielen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Freibeträge für Kinder von 5 808 € je Kind (insgesamt 11 616 €) sowie von Kinderbetreuungskosten gemäß § 33c des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung (2. FamFördG) vom 16. August 2001 (BGBl I 2001, 2074, BStBl I 2001, 533) --EStG-- in Höhe von 1 500 € je Kind (insgesamt 3 000 €) fest. Der Einspruch der Kläger war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, mit der geltend gemacht wurde, § 33c EStG sei verfassungswidrig.
Zur Begründung der Revision beziehen sich die Kläger auf ihre Schriftsätze vom 22. Juli 2004 und 15. Mai 2005 im Einspruchsverfahren, die Klage sowie die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde vom 8. Oktober 2006 und den Schriftsatz vom 31. Oktober 2006. Darin wurde u.a. vorgetragen, § 33c EStG verstoße gegen das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleitende Gebot der horizontalen Steuergleichheit und gegen das Verbot der Benachteiligung von Eltern gegenüber Kinderlosen (Art. 6 Abs. 1 GG). Der Ausschluss eines Abzuges von Betreuungsaufwendungen bei beiderseitiger Berufstätigkeit mindere mittelbar die Berufschancen von Frauen und verstoße damit außerdem gegen den in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG verankerten Gleichheitsanspruch der Frau (Schön, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1999, 1677; Ahmann, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 633, und Hey, NJW 2006, 2001).
Verfassungswidrig sei zunächst die Eigenbelastung von 774 € je Kind und Elternteil, wie dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 16. März 2005 2 BvL 7/00 (BVerfGE 112, 268, BFH/NV 2005, Beilage 4, 356) entnommen werden könne. Dieser Verstoß werde durch den in den Freibeträgen für Kinder nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG enthaltenen Betreuungsfreibetrag nicht neutralisiert, da durch ihn ausschließlich die persönliche Zuwendung abgegolten werde. Eine Anrechnung des Freibetrages für den Betreuungsbedarf im Rahmen der nach § 33c EStG abziehbaren Aufwendungen sei jedenfalls --so Kanzler, Beihefter zu DStR 2002, Heft 11, 15-- dogmatisch und systematisch verfehlt.
Verfassungswidrig sei weiter die gesetzliche Beschränkung auf einen Höchstbetrag von 1 500 € je Kind und Jahr. Verfassungsrechtlich geboten sei die volle Abziehbarkeit der Betreuungskosten jedenfalls dann, wenn diese erwerbsbedingt seien. Falls man dem Gesetzgeber angesichts leerer Staatskassen die Befugnis zur Festsetzung einer Höchstgrenze einräume, hätte diese --wie von Kanzler (a.a.O.) befürwortet-- entsprechend § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG a.F. bei mindestens 9 204 € zu liegen.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2002 vom 16. Juli 2004 die Kinderbetreuungskosten in Höhe von 16 646,68 € im Rahmen des § 33c EStG abzuziehen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Revision ist zulässig, sie erfüllt insbesondere die gesetzlichen Begründungserfordernisse.
Der Revisionskläger hat gemäß § 120 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Revisionsgründe anzugeben. Im Streitfall ist die Revision der Kläger --ausnahmsweise (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 120 FGO Rz 90)-- durch die Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde i.S. des § 120 Abs. 3 FGO ausreichend begründet worden (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 26. September 1995 VII R 29/95, BFH/NV 1996, 385, und vom 30. Juli 2003 X R 63/01, BFH/NV 2004, 36; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 61 f.). Denn die Kläger haben sich im Beschwerdeverfahren mit den Entscheidungsgründen des FG-Urteils auseinander gesetzt und unter Hinweis auf Stimmen in der Literatur und die Rechtsprechung des BVerfG zu den Einschränkungen des § 33c EStG vorgetragen.
2. Die Revision ist aber unbegründet.
a) Nach § 33c EStG können berufstätige Eltern Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung ihrer im Haushalt lebenden Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, als außergewöhnliche Belastung abziehen, soweit die Aufwendungen 1 548 € je Kind übersteigen. Der abzuziehende Betrag darf 1 500 € je Kind nicht übersteigen. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass das FA den § 33c EStG richtig angewandt hat.
b) Der durch das 2. FamfördG eingeführte und durch Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091, BStBl I 2006, 350) wieder aufgehobene § 33c EStG war verfassungsgemäß. Eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht kommt deshalb nicht in Betracht.
aa) Der Senat hat bereits mit Urteil vom 19. Oktober 2006 III R 10/05 (BFH/NV 2007, 662) entschieden, dass § 33c EStG zusammenlebende unverheiratete Eltern im Streitjahr 2002 nicht in verfassungswidriger Weise benachteiligte.
bb) § 33c EStG ist auch insoweit verfassungsgemäß, als er die Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten, die auf der Berufstätigkeit beider Eltern beruhen, beschränkt (für die Verfassungsmäßigkeit z.B. Schmidt/Loschelder, EStG, 26. Aufl., § 33c Rz 3; dagegen Ahmann, NJW 2002, 633; Kanzler, a.a.O.; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33c Rz 21 ff.).
Das BVerfG hat mit Beschluss in BVerfGE 112, 268, BFH/NV 2005, Beilage 4, 356 (betr. Kürzung der Kinderbetreuungskosten Alleinerziehender 1997 bis 1999 um eine zumutbare Belastung) entschieden, dass die durch erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten entstandene tatsächliche Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen sei. Dem Gesetzgeber werde freigestellt, ob er den Abzug wegen der Veranlassung durch die Erwerbstätigkeit den Werbungskosten und Betriebsausgaben zuordne oder als außergewöhnliche Belastung erlaube. Die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten müssten als zwangsläufige Aufwendungen der grundrechtlich geschützten privaten Lebensführung grundsätzlich in realitätsgerechter Höhe abziehbar sein. Der Gesetzgeber könne aber mit einer sachgerechten Pauschalierung eine Obergrenze festlegen und damit bestimmen, wieweit die dem Grunde nach zwangsläufigen Kinderbetreuungskosten im typischen Fall auch der Höhe nach zwangsläufig seien.
Nach diesen Grundsätzen ist § 33c EStG in der für die Jahre 2002 bis 2005 geltenden Fassung im Zusammenspiel mit dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf --BEA-Freibetrag-- (§ 32 Abs. 6 EStG) noch verfassungsgemäß. Der BEA-Freibetrag von 1 080 € je Kind und Elternteil gilt sowohl Betreuungsleistungen der Eltern selbst als auch --bis 2005-- Betreuungsleistungen Dritter ab (Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rz D 4 und A 81; Seiler in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 32 Rz 28). Da der Gesetzgeber mit der neuerlichen Einführung des § 33c EStG über den bisherigen Betreuungsfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG i.d.F. für 2000 und 2001 von 1 512 DM (774 €) hinaus einen Abzug erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten ermöglichen wollte (BTDrucks 14/6160, S. 13), sollte der BEA-Freibetrag im Streitjahr 2002 jedenfalls in Höhe von 774 € je Kind und Elternteil (vgl. den Sockelbetrag in § 33c Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG) auch den Aufwand für Fremdbetreuung abdecken. Bei zusammen lebenden Eltern mit zwei Kindern konnten demnach Betreuungsaufwendungen bis zu 6 096 € (anteiliger BEA-Freibetrag von 3 096 € sowie 3 000 € nach § 33c Abs. 2 EStG) steuerlich berücksichtigt werden. Dieser Betrag reichte aus, um für die beiden acht und dreizehn Jahre alten Kinder der Kläger die wegen ihrer Berufstätigkeit erforderliche Betreuung nach der Schule und in den Ferien zu bezahlen.
Fundstellen
Haufe-Index 2047995 |
BFH/NV 2008, 1822 |