Leitsatz (amtlich)
Ein der Aufnahme des Studiums an einer Ingenieurschule vorangegangenes Arbeitsverhältnis des Steuerpflichtigen als Fernmeldehandwerker bei der Deutschen Bundespost, das vor Beginn des Studiums gelöst wurde, steht der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 EStG der an ihn von der Bundespost mit der Verpflichtung zur späteren Dienstleistung bei ihr gezahlten Studienbeihilfen nicht entgegen.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 11; LStDV § 6 Nr. 9
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat bei der Deutschen Bundespost vier Jahre als Fernmeldehandwerker gearbeitet und ist dort am 8. September 1968 ausgeschieden. Im Streitjahr 1969 besuchte er als Student der Nachrichtentechnik Ingenieurschulen in A und B. Auf Grund eines formularmäßigen "Vertrages über die Gewährung einer Studienbeihilfe" vom 25. November 1968 hat er im Streitjahr 3 846 DM an Studienbeihilfen erhalten, von denen die Oberpostdirektionen C und D Lohnsteuer einbehalten haben. Beim gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich mit seiner Ehefrau beantragte er, die Studienbeihilfen steuerfrei zu belassen; ferner machte er Aufwendungen für Berufsausbildung von 975 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) behandelte die Studienbeihilfen als steuerpflichtige Arbeitseinkünfte und zog als Sonderausgaben Ausbildungskosten in Höhe von 886 DM ab.
Die Klage, mit der der Kläger erneut die Steuerfreiheit der Beihilfen geltend machte, hatte nur insoweit geringen Erfolg, als das FG Ausbildungskosten bis zum Höchstbetrag von 1 200 DM gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 berücksichtigte. In seinem in EFG 1972, 169 veröffentlichten Urteil führte das FG aus, daß die streitigen Studienbeihilfen nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 11 EStG (§ 6 Nr. 9 LStDV) fielen. Die Bundespost habe mit den Beihilfen die Ausbildung des Klägers nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar gefördert, weil für sie im Vordergrund gestanden habe, den Kläger nach seiner Ingenieurausbildung wieder in ihre Dienste zu bekommen. Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 44 EStG komme ebenfalls nicht in Betracht, weil der Kläger zu einer künftigen Arbeitsleistung verpflichtet worden sei. Das FG schließe sich der bereits in Urteilen der FG vertretenen Auffassung an, daß die Beihilfen vorweggenommene Einnahmen aus einem künftigen Dienstverhältnis seien. § 19 EStG betreffe die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Streitfall komme hinzu, daß der Kläger schon vor seinem Studium als Fernmeldehandwerker bei der Bundespost beschäftigt gewesen sei, von der er anschließend die Beihilfen erhalten habe. Aus dem Zusammenhang des bisherigen Dienstverhältnisses als Fernmeldehandwerker mit dem vertraglich konkret festgelegten künftigen Dienstverhältnis als technischer Fernmeldeinspektor-Anwärter erhielten die gezahlten Studienbeihilfen den Charakter von Arbeitslohn. Die nur subsidiär geltende Vorschrift des § 22 EStG komme hier nicht in Betracht. Die Beihilfen seien auch kein Darlehen, wie im Urteil EFG 1970, 113 angenommen worden sei. Mit einer derartigen Auslegung würde der Absicht der Beteiligten, laufende Studienbezüge im Hinblick auf ein künftiges Arbeitsverhältnis zu vereinbaren, Gewalt angetan. Demgemäß seien die Studien kosten auch Sonderausgaben, denn sie dienten unmittelbar nur der Ausbildung, nicht der Erlangung der Studienbeihilfen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 19 EStG und beantragt, die Studienbeihilfen steuerfrei zu belassen. Er habe die Beihilfen gemäß dem Vertrag über die Gewährung einer Studienbeihilfe für Studierende an Ingenieurschulen erhalten. Diese würde nicht im Hinblick auf das spätere Dienstverhältnis gewährt, denn sie werde auf die späteren Einkünfte nicht angerechnet. Nach dem Bundesbesoldungsgesetz werde er anderen Bewerbern gleichgesetzt, die eine Studienbeihilfe nicht erhalten hätten. Es bestehe auch kein Zusammenhang zwischen der Zuwendung und einem künftigen Dienstverhältnis; nach den vertraglichen Vereinbarungen seien weder er noch die Bundespost gehalten, ein künftiges Arbeitsverhältnis zu begründen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Der Senat hat in dem Urteil vom 15. Juni 1973 VI R 295/69 (BFHE 109, 522, BStBl II 1973, 734) die entsprechenden von der Deutschen Bundespost an einen Studenten einer Technischen Universität gezahlten Studienbeihilfen als steuerfreie Bezüge im Sinn des § 3 Nr. 11 EStG 1965 angesehen. Der Senat hat es dabei dahingestellt sein lassen, ob und welcher Einkunftsart im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG die streitigen Studienbeihilfen zuzurechnen wären. Der vorliegende Streitfall hat nach den gleichen Grundsätzen von der Bundespost gewährte Studienbeihilfen zum Gegenstand, die ebenfalls mit der Verpflichtung zu einem künftigen Dienstverhältnis beim Geber gewährt worden sind; sie waren ebenfalls mit der Rückzahlungsverpflichtung belastet, falls das Dienstverhältnis nicht aufgenommen oder nicht über die vorgesehene Dauer aufrechterhalten werden sollte. Von diesen Grundsätzen ist auch beim vorliegenden Rechtsstreit auszugehen. Auf die Entscheidungsgründe im Urteil VI R 295/69 wird insoweit Bezug genommen. In beiden Fällen wurden Bezüge aus öffentlichen Mitteln als Beihilfen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG zu dem Zwecke gewährt, eine Ausbildung unmittelbar zu fördern. Daß die vorliegende Förderungsmaßnahme der Bundespost dem Kläger nicht uneigennützig gewährt wurde, weil sie die Anwerbung einer qualifizierten Arbeitskraft bezweckte, steht der rechtlichen Würdigung als "unmittelbare" Förderung nicht entgegen (Urteil VI R 295/69).
Der vorliegende Streitfall gibt zu keiner anderen Würdigung und etwa der Zurechnung der Beihilfen zu den Bezügen oder Vorteilen aus früheren Dienstleistungen im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG deshalb Anlaß, weil der Kläger vor der Aufnahme seiner Ingenieurausbildung und dem Abschluß des Studienförderungsvertrages bereits vier Jahre bei der Bundespost in einem festen Arbeitsverhältnis gestanden hatte. Ebenso wie in allen hier bekanntgewordenen Fällen der Studienförderung durch öffentliche Verwaltungen im Rahmen der bestehenden Richtlinien wurde der Förderungsvertrag nach formularmäßigen allgemeinen Mustern abgeschlossen, nachdem das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Bundespost arbeitsrechtlich vollständig gelöst worden war und keine innere Grundlage für die Studienförderung gebildet hat. Auch in dem BFH-Urteil vom 29. Juni 1973 VI R 267/69 (BFHE 109, 532, BStBl II 1973, 736), das die Studienförderung eines Medizinstudenten durch die Bundeswehr betrifft, hat der Senat die Beihilfen nicht als Bezüge im Sinne des § 19 EStG angesehen, die ihre Grundlage in dem mit der Ernennung zum Reserveoffizier abgeschlossenen Wehrdienstverhältnis gehabt hätten.
Das Urteil des FG steht mit der rechtlichen Beurteilung der sich nach § 3 Nr. 11 EStG ergebenden Steuerfreiheit der Studienbeihilfen nicht im Einklang; es war deshalb gemäß §§ 118 Abs. 1, 126 Abs. 3 FGO aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif; der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Bei der Feststellung der sich nunmehr ergebenden Besteuerungsgrundlagen sind die steuerfreien Studienbeihilfen nicht mehr anzusetzen. Im Hinblick auf ihre Steuerfreiheit können die vom Kläger getragenen Studienaufwendungen nunmehr weder als Werbungskosten noch bei den Sonderausgaben angesetzt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 70611 |
BStBl II 1973, 848 |
BFHE 1974, 242 |