Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Einrichtungsgegenstände einer Gaststätte, die in einheitlichem Stil gehalten sind, verlieren aus diesem Grunde die selbständige Nutzungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen. BHG 1962 § 21.
Normenkette
BHG §§ 21, 19
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Investitionszulage nach § 21 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) in der Fassung vom 26. Juli 1962 - BHG 1962 - (BGBl I S. 492, BStBl I 1962, 997).
Der Revisionsbeklagte hat im Jahr 1962 nach dem 30. Juni für seine Schankstätte Einrichtungsgegenstände (1 Eckbank, 5 Tische, 13 Stühle, 10 Barhocker und 4 Hocker) angeschafft. Die Investitionszulage wurde mit der Begründung abgelehnt, es handle sich bei der Gaststätteneinrichtung um eine Mehrzahl von Wirtschaftsgütern mit Anschaffungskosten von nicht mehr als 600 DM. Der Einspruch blieb erfolglos.
Auf die Berufung setzte das Verwaltungsgericht (VG) die Investitionszulage in der beantragten Höhe fest. Die Entscheidung wurde damit begründet, die Bestandteile der Gaststätteneinrichtung seien einer selbständigen Nutzung nicht fähig; § 6 Abs. 2 EStG sei nicht anzuwenden und deshalb eine Investitionszulage zu gewähren.
Mit der Revision beantragte das Finanzamt (FA) Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückweisung der Berufung. Abgesehen davon, daß § 21 BHG 1962 zur Annahme eines Wirtschaftsguts eine selbständige Nutzungsfähigkeit nicht fordere, lägen die von der Rechtsprechung entwickelten Begriffsmerkmale einer Sachgesamtheit nicht vor. Eine Sachgesamtheit sei nur dann gegeben, wenn die "technische Gestaltung" oder die "technische Verzahnung" eine selbständige Nutzung ausschließe. Eine selbständige Nutzbarkeit liege immer dann vor, wenn das betreffende Wirtschaftsgut ohne Schwierigkeiten und Beeinträchtigung seiner Gestaltung und Funktion aus dem gegenwärtigen Nutzungszusammenhang herausgelöst und in einen anderen Nutzungszusammenhang hineingestellt werden könne (Urteil des BFH IV 76/57 vom 20. November 1958, Der Betrieb 1959 S. 147). Nach dem BFH-Urteil I 201/62 U vom 27. März 1963 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 76 S. 837 - BFH 76, 837 -, BStBl III 1963, 304) genüge eine einheitliche Zweckbestimmung nicht, um ein einheitliches Ganzes anzunehmen.
Der Revisionsbeklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Für die Entscheidung des Streitfalls maßgebend ist § 21 BHG 1962.
Die Terminologie des § 21 BHG 1962 entspricht derjenigen des EStG. Es liegt deshalb nahe, bei der Auslegung der Vorschrift, insbesondere der Umschreibung der in ihr verwendeten Begriffe, an die Auslegung des EStG anzuknüpfen, ohne daß es aber zwingend geboten wäre, die Auslegung vergleichbarer einkommensteuerlicher Vorschriften in allen Einzelheiten zu übernehmen. Das gilt, wie der Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil IV 289/65 vom 21. Juli 1966 im einzelnen ausgeführt hat, insbesondere auch für den Begriff des Wirtschaftsguts. Nach diesem Urteil sind auch die von der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 2 EStG entwickelten Grundsätze über das Vorliegen eines "einheitlichen Ganzen" bei der Auslegung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 anzuwenden.
Der Senat hat im Urteil IV 360/53 U vom 19. November 1953 (BFH 58, 271, BStBl III 1954, 18) ausgeführt, ohne daß es für die Entscheidung des Falles auf diese Ausführungen ankam, im Schrifttum sei die Frage aufgeworfen worden, ob die bei der Neugründung von Betrieben angeschafften Einrichtungen für Läden, Gaststätten, Büroräume usw. eine Sachgesamtheit darstellten. Die Frage sei zu bejahen, wenn es sich um einheitlich gekaufte, in einem bestimmten Stil gehaltene oder nach einem einheitlichen Plan den räumlichen und besonderen Zwecken des Betriebs angepaßte und zu einem einheitlichen Ganzen vereinigte Einrichtungsgegenstände handle. Eine so weite Fassung des Begriffs der Sachgesamtheit (des einheitlichen Ganzen) steht mit den in späteren Urteilen entwickelten Grundsätzen (vgl. insbesondere BFH-Urteile I 286/56 S vom 16. Dezember 1958, BFH 68, 198, BStBl III 1959, 77 und I 13/61 U vom 28. Februar 1961, BFH 73, 318, BStBl III 1961, 383) nicht voll in Einklang. Der BFH hat im Urteil I 286/56 S ausgeführt, die Fälle, in denen das Bild eines einheitlichen Ganzen nur auf einem bestimmten Stil beruhen solle, würden verhältnismäßig selten sein. Der Senat habe Bedenken, die selbständige Nutzungsfähigkeit einzelner Möbelstücke nur deshalb zu verneinen, weil sie auch den gleichen Stil aufwiesen oder in ihrer Gestaltung zueinander paßten. Mit dieser Begründung könnte die Bewertungsfreiheit nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen verneint werden.
Der Senat schließt sich diesen Ausführungen unter Aufgabe seiner im Urteil IV 360/53 U vertretenen weitergehenden Auffassung an. Ein Fall, in dem bei zum gleichen Zeitpunkt angeschafften, in einem einheitlichen Stil gehaltenen Einrichtungsgegenständen einer Gaststätte ein einheitliches Ganzes zu sehen ist, kann z. B. vorliegen, wenn die Möbelstücke in besonderer Weise der Ausstattung der Gasträume angepaßt sind und wenn außerdem wesentliche Teile der Einrichtung für die Verhältnisse der Gasträume besonders angefertigt sind, so daß sie in Räumen von anderer Einteilung und anderen Ausmaßen nicht oder nicht ohne wesentliche änderung Verwendung finden können.
Aus dem von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt läßt sich für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles nichts entnehmen. Es geht daraus lediglich hervor, daß die streitigen Möbelstücke zugleich angeschafft worden sind. Es kann deshalb unterstellt werden, daß sie einen einheitlichen Stil oder doch ein einheitliches Aussehen haben. Es handelt sich aber mit Ausnahme der Eckbank um frei bewegliche Möbelstücke. Bei einer so geringen Zahl frei beweglicher Möbelstücke (5 Tische, 13 Stühle, 14 Barhocker) kann ohnehin nicht die Rede davon sein, daß wesentliche Teile der Gaststätteneinrichtung für die Verhältnisse des Raumes besonders angefertigt worden seien. Es liegen hiernach - ohne daß es einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bedürfte - keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, daß es sich bei den fraglichen Möbelstücken ausnahmsweise um Teile eines einheitlichen Ganzen handeln würde. Die Möbelstücke dienen wohl einem gemeinsamen Zweck, nämlich der Benutzung in der Gaststube, für die sie angeschafft worden sind. Das genügt aber, wie der BFH schon im Urteil I 201/62 U entschieden hat, nicht für die Annahme eines einheitlichen Ganzen. Es ist ein wesentlich anderer Sachverhalt gegeben als etwa bei einem Kinogestühl (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 389/38 vom 28. September 1938, RStBl 1939, 84). Hier tritt die Summe der Sitze schon äußerlich als einheitliches Ganzes in Erscheinung und der einzelne Sitz ist mit den anderen Sitzen einer Reihe auch technisch verbunden. Nach der Herauslösung aus der Verbindung verliert der einzelne Sitz die selbständige Nutzungsfähigkeit. Das kann aber von den einzelnen Einrichtungsgegenständen der Gaststätte des Revisionsbeklagten nicht gesagt werden. Sie können vielmehr ohne weiteres auch einzeln oder in anderer Zusammenstellung anderweitig verwendet werden.
Die Vorentscheidung war danach aufzuheben und die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412221 |
BStBl III 1967, 61 |
BFHE 1967, 186 |
BFHE 87, 186 |