Leitsatz (amtlich)
Stühle einer Gaststätte, deren Rückenlehnen mit den Zeichen einer Brauerei und anderen auf die Brauerei hinweisenden Schnitzereien versehen sind, stehen mit dem Gewerbebetrieb, in dem nur das Bier dieser Brauerei verkauft werden darf, in so engem wirtschaftlichen Zusammenhang, daß sie in ihrer Gesamtheit ein einheitliches Ganzes bilden.
Normenkette
BHG 1962 § 21 Abs. 2 S. 2; EStG § 6 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin, eine Großgaststätten GmbH, schaffte im Jahre 1962 Einrichtungsgegenstände für einen Gaststättenbetrieb in Berlin (West) an. Sie beantragte für die Anschaffungskosten einer Beleuchtungsanlage und von Holzstühlen, deren Rückenlehnen an der Vorderseite mit den Buchstaben eines Brauereizeichens und anderen auf die Brauerei hinweisenden Schnitzereien ("Brauereistühle") verziert waren, die Investitionszulage nach § 21 BHG 1962 (BGBl I 1962, 492, BStBl I 1962, 997).
Das FA lehnte die Gewährung der Zulage für diese Gegenstände ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG gab der Klage statt. Es führte aus, die Stühle seien wegen ihrer besonderen Form außerhalb der Gaststätte der Klägerin nicht zu verwenden. Die einzelnen Stühle seien keine selbständigen Wirtschaftsgüter. Sie beeinflußten in ihrer Gesamtheit den Charakter des Lokals und seien eine Sachgesamtheit. Ebenso bildeten die einzelnen Leuchtkörper eine Sachgesamtheit "Lichtanlage". Die schmiedeeisernen Beleuchtungsträger, die die Säulen des Saales umgeben, müßten mit den Beleuchtungskörpern zusammengefaßt und als Einheit behandelt werden. Zu der einheitlichen Anlage gehörten auch die in die Decke eingelassenen Scheinwerfer und Lampen, da sie von einer Anlage aus gesteuert würden und dazu bestimmt seien, durch Beleuchtungseffekte eine Gesamtwirkung hervorzurufen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision, mit der das FA die Verletzung von Bundesrecht rügt, hat zum Teil Erfolg.
1. Brauerei - Stühle als wirtschaftliche Einheit
Für Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten 600 DM nicht übersteigen, wird auf Grund einer in Angleichung an § 6 Abs. 2 EStG von der Rechtsprechung vollzogenen Auslegung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 eine Investitionszulage nicht gewährt, wenn die Wirtschaftsgüter einer selbständigen Nutzung fähig sind (Urteile des BFH IV 289/65 vom 21. Juli 1966, BFH 87, 180, BStBl III 1967, 59; VI 302/65 vom 29. Juli 1966, BFH 87, 310, BStBl III 1967, 151). Für die Entscheidung, ob ein Wirtschaftsgut einer selbständigen Nutzung fähig ist, sind die von der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 2 EStG entwickelten Grundsätze, insbesondere über die Zugehörigkeit zu einem einheitlichen Ganzen, anzuwenden (BFH-Urteil IV R 138/66 vom 29. Juli 1966, BFH 87, 186, BStBl III 1967, 61). Danach ist ein Wirtschaftsgut einer selbständigen Nutzung nicht fähig, wenn es mit einem anderen Wirtschaftsgut derart verbunden ist, daß es nur zusammen mit dem anderen Wirtschaftsgut, dessen Teil es ist, genutzt werden kann.
Der Senat hat in der Entscheidung VI R 249/66 vom 24. November 1967 (BFH 91, 63, BStBl II 1968, 258) über die Zulagefähigkeit von Flachpaletten ausgesprochen, daß auch Wirtschaftsgüter, die weder ständig noch vorübergehend miteinander verbunden sind, im Einzelfall eine wirtschaftliche Einheit und damit ein einheitliches Ganzes bilden können. Die Brauerei-Stühle gehören zu den Einrichtungsgegenständen der Gaststätte. Auch wenn solche Einrichtungsgegenstände in einem einheitlichen Stil gehalten sind oder in ihrer Gestaltung zueinander passen, verlieren sie ihre selbständige Nutzungsfähigkeit doch nur in Ausnahmefällen (BFH-Urteile I 286/56 S vom 16. Dezember 1958, BFH 68, 198, BStBl III 1959, 77; IV R 138/66, a. a. O.), z. B. wenn sie in besonderer Weise der Ausstattung der Gasträume angepaßt und für die Gasträume besonders angefertigt worden sind, so daß sie in Räumen von anderer Einteilung und anderen Ausmaßen nicht oder nicht ohne wesentliche Änderung zu verwenden sind.
Die Brauerei-Stühle treten äußerlich wegen ihrer konstruktiven Eigenart als Einheit in Erscheinung. Ihre besondere auffallende Gestaltung verbindet sie mit diesem besonderen Gaststättenbetrieb. Ihre Verwendung in dem Betrieb hängt mit dem Vertrieb von Bieren einer bestimmten Brauerei zusammen. Die Bestuhlung ist also den Besonderheiten des Wirtschaftsbetriebs der Klägerin angepaßt. Der einzelne Stuhl ist außerhalb dieser Gaststätte nicht in der ihm zugedachten Funktion selbständig nutzungsfähig und kann innerhalb der Gaststätte nur zusammen mit einer größeren Zahl gleicher Stühle genutzt werden. Unter diesen Umständen konnte das FG ohne Rechtsverstoß zu der Feststellung kommen, daß die Gesamtheit der Brauerei-Stühle in den Räumen der Gaststätte der Klägerin eine wirtschaftliche Einheit und ein einheitliches Ganzes bildete.
Das FG hat zwar nicht festgestellt, daß die Klägerin für die Stuhle in ihrer Gewinnbilanz nicht die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG in Anspruch genommen hat. Im Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 7. April 1966 ist aber vorgetragen worden, daß die Klägerin eine Abschreibung nach § 6 Abs. 2 EStG nicht vorgenommen habe. Das FA hat dem nicht widersprochen, so daß der Vortrag der Klägerin als richtig unterstellt werden kann.
2. Beleuchtungsanlagen
Hinsichtlich der Lichtanlage folgt der Senat indessen der Vorentscheidung nicht. Die Lichtanlage besteht aus zwei selbständigen Gruppen, namlich der Raum- und der Deckenbeleuchtung. Die einheitliche technische Steuerung macht beide Gruppen nicht zu einem einheitlichen Ganzen.
Die vom FG festgestellten Tatsachen lassen erkennen, daß die Deckenbeleuchtung mit dem Gebäude verbunden und damit Teil des Hauses ist. Eine Beleuchtungsanlage gehört zu allen Räumen, in denen Menschen sich dauernd aufhalten sollen. Nach ihrem Einbau in ein Haus kann eine solche Anlage darum nicht mehr als selbständige "bewegliche" Sache betrachtet werden. Da aber nur "bewegliche" Anlagegüter nach § 21 Abs. 2 BHG 1962 begünstigt sind, ist die Deckenbeleuchtung nicht investitionszulagefähig (BFH-Urteil I 86/65 vom 9. August 1966, BFH 87, 195, BStBl III 1967, 65). Unerheblich ist dabei, daß im Streitfall die Deckenbeleuchtung so ausgestaltet ist, daß mit ihr besondere, dem Raum angepaßte Lichteffekte erzielt werden können. Diese Besonderheit ist angesichts der Tatsache, daß die Anlage zur Beleuchtung der Räume bestimmt ist, ohne Bedeutung.
Die Beleuchtungsträger und Beleuchtungskörper der Raumbeleuchtung sind selbständig nutzungsfähig. Das FG hat nicht dargetan, warum die schmiedeeisernen Beleuchtungsträger außerhalb des Betriebs der Klägerin nicht oder nur nach wesentlicher Änderung verwendet werden können. Anders als die Brauerei-Stühle sind die Beleuchtungsträger auf den besonderen wirtschaftlichen Charakter dieser Gaststätte nicht so bezogen, daß sie nicht auch einzeln in anderen betrieblichen Räumen benutzt werden könnten. Das gleiche gilt für die Beleuchtungskörper. Beide Gruppen von Gegenständen sind weder in besonderer Weise der Ausstattung der Gasträume angepaßt noch für sie besonders gefertigt. Ihre selbständige Nutzungsfähigkeit verlieren sie nicht dadurch, daß sie in einer Gaststätte mit besonderem Gepräge verwendet werden.
Da das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Investitionszulage auf 6 974, 91 DM festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 68076 |
BStBl II 1968, 567 |
BFHE 1968, 386 |