Leitsatz (amtlich)
Herstellungskosten für Garagen, für die die Vergünstigung des § 7b Abs. 2 EStG 1961 nicht gewährt werden kann, weil sie unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 7b Abs. 6 EStG 1961 für sich betrachtet nicht zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dienen, können als nachträgliche Herstellungskosten an der Vergünstigung des § 7b Abs. 1 EStG für das Gebäude, zu dem sie gehören, teilnehmen.
Normenkette
EStG 1961 § 7b
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) hat 1956 ein Einfamilienhaus errichtet und hierfür die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG in Anspruch genommen. Im Jahre 1961 errichtete er auf dem Grundstück zwei Garagen. Er sah die Aufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten an und begehrte die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG. Das FA lehnte dies ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage hatte Erfolg. Das FG verneinte zwar die Voraussetzungen des § 7b Abs. 2 EStG, nahm aber nachträgliche Herstellungskosten an. Unzutreffend sei die Auffassung der Finanzverwaltung, daß bei Zubauten, Ausbauten und Umbauten, die den Voraussetzungen des § 7b Abs. 2 EStG 1961 entsprächen, auch die Annahme nachträglicher Herstellungskosten ausgeschlossen sei. Es sei wohl der Sinn und Zweck des Gesetzes gewesen, Zubauten, Ausbauten und Umbauten an bestehenden Gebäuden im selben Umfang zu begünstigen wie Wohngebäude, vorausgesetzt, daß sie zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dienten. Für solche neu hergestellten Gebäudeteile bedeute § 7b Abs. 2 EStG 1961 eine Erweiterung des Abs. 1, weil die Zubauten usw. hierdurch ohne Rücksicht auf den Charakter des bereits bestehenden Gebäudeteils und ohne Beschränkung auf die Laufzeit einer 7 b-Vergünstigung für die bereits bestehenden Gebäudeteile begünstigt würden. Aus dem Gesetz lasse sich aber keineswegs eine abschließende und die Berücksichtigung nachträglicher Herstellungskosten im Rahmen des § 7b Abs. 1 EStG einschränkende Regelung für solche Zubauten usw. entnehmen, die nicht zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dienten und auf die § 7b Abs. 2 EStG 1961 deshalb nicht anwendbar sei. Eine solche Einschränkung erscheine auch wenig sinnvoll; denn es sei nicht einzusehen, weshalb allgemein nachträgliche Herstellungskosten günstiger behandelt werden sollten als Umbauten usw., obwohl in den letzten Fällen u. U. sogar neuer Wohnraum - wenn auch zu weniger als 80 v. H. des Zubaus usw. - hergestellt werde, während Herstellungskosten anderer Art naturgemäß nichts mit der Schaffung neuen Wohnraums zu tun hätten, weil sie sonst als Zubau usw. zu betrachten wären.
Mit der Revision beantragt der Revisionskläger (FA) Aufhebung der Vorentscheidung. Er rügt Verletzung des geltenden Rechts: Bei den nachträglich erstellten Garagen handele es sich um Zubauten, die nur nach Maßgabe des § 7b Abs. 2 EStG 1961 begünstigt seien. Wollte man die Zu-, Aus- und Umbauten über den Rahmen des § 7b Abs. 2 EStG hinaus begünstigen, indem man sie als nachträgliche Herstellungskosten des bereits bestehenden Gebäudes behandle, und die Begünstigung lediglich von dem Wohnzwecken dienenden Anteil am Gesamtgrundstück abhängig machen, so könnten bei dieser Handhabung auch Zu-, Aus- oder Umbauten begünstigt werden, die überhaupt nicht Wohnzwecken dienten. Eine derartige Begünstigung sei jedoch vom Gesetzgeber nicht gewollt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet. Der Senat tritt der Auffassung des FG bei.
§ 7b EStG 1961 kann vom Bauherrn wie vom Ersterwerber sowohl für die (ursprünglichen) Anschaffungsbzw. Herstellungskosten als auch für spätere (nachträgliche) Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. die Urteile VI 189/60 U vom 23. Juni 1961, BFH 73, 378, BStBl III 1961, 404; VI 169/62 U vom 4. Dezember 1962, BFH 76, 335, BStBl III 1963, 122, und VI 326/64 U vom 23. April 1964, BFH 82, 368, BStBl III 1965, 381). Die grundsätzliche Möglichkeit einer Berücksichtigung nachträglicher Herstellungskosten ergibt sich auch aus der Sonderregelung in § 7b Abs. 5 EStG 1961.
Eine besondere Regelung wurde für Zubauten, Ausbauten und Umbauten geschaffen. Nach § 7b Abs. 2 EStG 1961 gelten die Vorschriften des Abs. 1 entsprechend für Aufwendungen für Zubauten usw. an bestehenden Gebäuden, wenn die neu hergestellten Gebäudeteile zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dienen. Nach der als zutreffend anzusehenden Auslegung durch die Finanzverwaltung in Abschn. 54 Abs. 3 EStR 1961 ist der Begriff "Ausbauten" § 17 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes) - II. WoBauG - i. d. F. vom 1. August 1961 (BGBl I 1961, 1121, BStBl I 1961, 548) zu entnehmen. "Zubauten" sind Erweiterungen im Sinn des § 17 Abs. 2 des II. WoBauG. Als begünstigter Zubau usw. ist, worauf in Abschn. 54 Abs. 3 letzter Satz EStR 1961 zutreffend hingewiesen wird, auch die nachträgliche Errichtung von Garagen anzusehen, wenn diese unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 7b Abs. 6 EStG 1961 zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dienen. Hierzu wird in § 7b Abs. 6 EStG 1961 bestimmt, daß zum Gebäude gehörende Garagen ohne Rücksicht auf ihre tatsächliche Nutzung als Wohnzwecken dienend zu behandeln sind, soweit in ihnen nicht mehr als ein Pkw für jede in dem Gebäude befindliche Wohnung untergestellt werden kann. Räume für die Unterstellung weiterer Kraftwagen sind stets als nicht Wohnzwecken dienend zu behandeln.
Die Voraussetzung des § 7b Abs. 6 EStG 1961 ist im Streitfall unstreitig nicht erfüllt. Zu dem eine Wohnung enthaltenden Haus wurden zwei Garagen errichtet. Der die zwei Garagen umfassende Zubau dürfte also nur zu etwa 50 v. H. Wohnzwecken dienen.
Nach der Auslegung durch die Finanzverwaltung (Abschn. 58 Abs. 1 EStR 1961) sind nachträgliche Herstellungskosten durch einen Zubau, Ausbau oder Umbau im Sinn des § 7b Abs. 2 EStG 1961 stets für sich zu behandeln. Das würde einerseits bedeuten, daß bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 7b Abs. 2 EStG 1961 (der Zubau, Ausbau oder Umbau dient zu 80 v. H. Wohnzwecken) der Bauherr oder Ersterwerber für den Zubau, Ausbau oder Umbau eine selbständige 7 b-Abschreibung für diesen in Anspruch nehmen kann. Das würde aber andererseits bedeuten, daß, wenn die bezeichnete Voraussetzung nicht erfüllt ist, eine Inanspruchnahme des § 7b EStG überhaupt nicht in Betracht kommen könnte.
Diese Auffassung vermag der Senat in Übereinstimmung mit der Vorentscheidung nicht zu teilen. Sie wird nach seiner Ansicht dem Willen des Gesetzgebers nicht gerecht. Der Gesetzgeber wollte nach Auffassung des Senats mit § 7b Abs. 2 EStG 1961 eine zusätzliche Vergünstigung schaffen. Sie besteht darin, daß für einen Zubau, Ausbau oder Umbau, der den Voraussetzungen des § 7b Abs. 2 EStG 1961 entspricht, im Jahr der Fertigstellung und im darauffolgenden Jahr die erhöhten Abschreibungssätze (nach § 7b Abs. 1 EStG 1961 7,5 v. H.) in Anspruch genommen werden können. Diese Regelung kann aber nicht zur Folge haben, daß Zubauten, Ausbauten oder Umbauten, die § 7b Abs. 2 EStG 1961 nicht entsprechen, an der Vergünstigung des § 7b EStG überhaupt nicht teilnehmen könnten. Sie nehmen vielmehr an dieser Vergünstigung für den Zeitraum und mit dem Prozentsatz teil, die für die übrigen (ursprünglichen) Herstellungskosten maßgebend sind (Urteile des BFH VI 189/60 U, VI 169/62 U und VI 326/64 U). Etwas anderes ist auch aus dem Urteil des Senats VI 176/63 vom 7. August 1964 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 7 b, Rechtsspruch 92) nicht zu entnehmen.
Daß § 7b Abs. 2 EStG eine besondere, über die nach allgemeinen Grundsätzen hinaus zulässige Abschreibungsmöglichkeit und damit eine Sondervergünstigung beinhalten soll, folgt auch daraus, daß durch das Gesetz zur Einschränkung des § 7b EStG vom 16. Mai 1963 (BGBl I 1963, 319) die besondere Begünstigung der Zubauten, Ausbauten und Umbauten aufgehoben wurde. Aus diesem Gesetz ist, wie der Senat im Urteil VI R 149/66 vom 21. Februar 1967 (BFH 88, 174, BStBl III 1967, 314) dargelegt hat, zu entnehmen, daß eindeutig die erhöhten Absetzungsmöglichkeiten weiter eingeengt werden sollten. Eine der vom Gesetzgeber getroffenen Maßnahmen war eben die Beseitigung der Sondervergünstigung für Zubauten, Ausbauten und Umbauten. Hierdurch wurde aber auch nach Auffassung der Verwaltung nicht schlechthin jede Möglichkeit der Teilnahme von Aufwendungen für Zubauten, Ausbauten und Umbauten an der Vergünstigung des § 7b EStG beseitigt. In Abschn. 235 Abs. 3 Satz 3 EStR 1963 wird vielmehr zutreffend ausdrücklich betont, daß erhöhte Absetzungen bei diesen Baumaßnahmen deshalb (nur) in Betracht kommen, wenn die dafür aufgewendeten Kosten nachträgliche Herstellungskosten sind.
Aus alledem ergibt sich, daß Baumaßnahmen, die den Voraussetzungen des § 7b Abs. 2 EStG 1961 entsprechen, nach dieser Vorschrift und nur nach dieser Vorschrift begünstigt sind, daß dagegen Baumaßnahmen, die diesen Voraussetzungen nicht entsprechen, an der Vergünstigung des § 7b Abs. 1 EStG 1961 teilnehmen, wenn sie nachträgliche Herstellungskosten sind. Eine 7 b-Abschreibung kommt für sie hiernach nur in Betracht, wenn die Baumaßnahmen in einem Jahr durchgeführt worden sind, in dem dem Bauherrn oder Ersterwerber noch eine erhöhte Absetzung nach § 7b Abs. 1 EStG 1961 für das ursprüngliche Gebäude zusteht.
Diese Grundsätze gelten auch für Garagen; denn sie gehören - allerdings mit der Einschränkung des § 7b Abs. 6 EStG 1961 - zu den Wohnzwecken dienenden Räumen. Daß Aufwendungen für die nachträgliche Erstellung von Garagen im Sinn des § 7b EStG nachträgliche Herstellungskosten sein können, hat der Senat schon im Urteil VI 326/64 U (a. a. O.) ausgesprochen, ohne daß es allerdings damals für die Entscheidung hierauf ankam.
Nach den Feststellungen des FG bilden die im Jahre 1961 errichteten Garagen mit dem Wohngebäude eine wirtschaftliche Einheit und dient das Gesamtobjekt zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken. Es ist deshalb der Vorentscheidung darin beizutreten, daß die Herstellungskosten der Garagen an der erhöhten Absetzung nach § 7b Abs. 1 EStG bis zum Ende der Laufzeit der Vergünstigung für das Einfamilienhaus und im selben Umfang wie dieses teilnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 68819 |
BStBl II 1970, 41 |
BFHE 1970, 69 |