Leitsatz (amtlich)
Zur Tarifierung von Sweatshirts.
Normenkette
GZT Tarifnr 60.05 Tarifst A-2-b-4-bb; GZT Tarifnr 60.05 Tarifst A-2-b-4-ll
Tatbestand
Die Klägerin stellte bei der Beklagten (Oberfinanzdirektion --OFD--) den Antrag auf Erteilung von verbindlichen Zolltarifauskünften (vZTA) für sechs verschiedene Waren, die sie als "Trainingsshirt/Sweatshirt" bezeichnete und aus Portugal einzuführen beabsichtigt. Es handelt sich um kurz über die Taille reichende langärmelige verschiedenfarbige Kleidungsstücke, die durch Zusammennähen zugeschnittener Teile aus 1,4 mm dicken, einfarbigen, innen gerauhten, weder gummielastischen noch kautschutierten Gewirken konfektioniert worden sind. Die Gewebe bestehen nach den Angaben der Klägerin in drei Fällen aus 100 % Baumwolle, in den drei anderen Fällen aus 50 % Baumwolle und 50 % Polyester. Die Kleidungsstücke weisen einen runden, zum Teil leicht halsfernen Halsausschnitt, einen verengenden Bund am unteren Rand und verengende Ärmelbündchen auf. In zwei Fällen besitzen die Waren einen bis zur Brustmitte reichenden Reißverschluß, in zwei anderen Fällen eine bis zur Brustmitte reichende Einschnittöffnung mit Kordelverschluß. Zwei der Waren sind im Bereich der Ärmeleinsätze mit aufgesetzten Gewebestreifen verziert. Die Waren weisen keine Merkmale auf, aus denen auf den Trägerkreis (Männer oder Frauen) geschlossen werden kann.
Die OFD erteilte am 6. und 9.Juli 1984 der Klägerin die sechs vZTA Nrn.897 bis 902/1984. In ihnen wies sie sämtliche Waren der Tarifst. 60.05 A II b 4 bb 22 fff des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu.
Gegen diese vZTA wandte sich die Klägerin mit folgender Begründung: Die Waren gehörten als "andere Oberkleidung" zur Tarifst. 60.05 A II b 4 ll 44 GZT. Die strittigen Waren seien Sweatshirts und keine Pullover. Die Waren seien zumindest im wesentlichen dazu bestimmt, bei der Ausübung eines Sports getragen zu werden.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind nicht begründet.
Der rechtliche Ausgangspunkt der OFD ist nicht zu beanstanden und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Streitig ist lediglich, ob die zu tarifierenden Waren in der Tarifst. 60.05 A II b 4 zu Absatz bb ("Pullover, Slipover, Twinsets, Westen und Strickjacken") oder zu Absatz ll ("andere Oberkleidung") gehören.
Nach der Brockhaus-Enzyklopädie (Stichworte Pullover, Sweater und Jumper) ist ein Pullover eine modische, über den Kopf zu ziehende gestrickte Oberkörperbekleidung, die als Sportkleidung schon vor 1918 als Sweater bekannt war. Der Sweater ist am Ende des 19. und am Anfang des 20.Jahrhunderts der meist auf einer Schulter zu knöpfende, nur zum Sport getragene Pullover. Koch/Satlow (Großes Textil-Lexikon, 1965, Stichworte Pullover und Jumper) setzen Pullover und Jumper (*= Schlupfbluse) gleich. Jumper ist danach die etwa 1920 gebrauchte Bezeichnung für die gestrickten und gewirkten Überziehblusen, die ursprünglich Sweater hießen und seit etwa 1930 Pullover genannt werden.
In diesem Sinne ist der tarifliche Begriff "Pullover" zu verstehen. Dafür sprechen auch die Systematik der Tarifnr. 60.05 GZT und die Erläuterungen zum GZT. Der Begriff Pullover findet sich in der Tarifnr. 60.05 sowohl in Absatz A I als auch in Absatz A II b 4 bb. Der erstgenannte Absatz umfaßt, wie sein Wortlaut deutlich macht, die schwereren Pullover mit einem hohen Anteil an Wolle. Daraus ergibt sich, daß als Pullover i.S. des Absatzes A II b 4 bb auch Oberkleidung leichterer Art anzusehen ist, die zu sportlichen Zwecken gebraucht werden kann. Das belegt zusätzlich noch der Umstand, daß im letztgenannten Absatz neben Pullovern auch "Slipover" genannt sind.
Diese Auffassung wird durch die Erläuterungen zum GZT bestätigt. Diese sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des erkennenden Senats maßgebliche Erkenntnismittel bei der Auslegung der Begriffe des GZT. Nach diesen Erläuterungen zur Tarifst. 60.05 A II b 4 bb (ErlZT zur Tarifnr. 60.05 Teil II Rdnr.15) gehört hierher
"Oberkleidung, den oberen Teil des Körpers bedeckend, mit Ärmeln oder ohne
Ärmel, mit Halsausschnitten aller Art, mit oder ohne Kragen, mit oder ohne
Taschen. Diese Kleidungsstücke reichen bis zur Taille und darüber hinaus
...".
Ähnliches besagen auch die weiteren Erläuterungen zum GZT (ErlZT zu Tarifnr. 60.05 Teil II Rdnrn.20 und 21), in denen es heißt, daß zur genannten Tarifstelle z.B. gehören
"Pullover und Slipover mit V-Ausschnitt, halsnahem, rundem oder U-förmigem
Ausschnitt oder mit Rollkragen oder hohem Kragen ohne Öffnung, die über
den Kopf angezogen werden und im allgemeinen weder eine Öffnung am
Halsausschnitt noch einen Verschluß haben" ... sowie "Kleidungsstücke,
ähnlich den ... beschriebenen, mit oder ohne Kragen, jedoch mit einer
nicht durchgehenden Öffnung am Halsausschnitt, z.B. auf der Vorderseite
oder auf der Schulter, die durch Knöpfe oder ein anderes Verschlußsystem
geschlossen wird."
Aus diesen Erläuterungen ergibt sich, daß es für die Tarifierung nach dieser Tarifstelle auf den Nutzungszweck des jeweiligen Kleidungsstücks (z.B. zum Sport, Wärmeschutz) nicht ankommt, sondern lediglich auf die besondere Beschaffenheit. Diese Erläuterungen belegen auch, daß unter die Tarifst. 60.05 A II b 4 bb GZT nicht nur schwerere Kleidungsstücke zum Kälteschutz fallen, sondern auch Oberkleidung leichter Art. Für die Richtigkeit dieser Auffassung sprechen schließlich auch noch einige Einzelentscheidungen der EWG (ErlZT zur Tarifnr. 60.05 Teil III Rdnrn.8 bis 11, 16 bis 19, 38 bis 40, 69 bis 72, 87 und 88, 91 und 92, 99 bis 102, 136 und 137).
Die zu tarifierenden Waren erfüllen die aufgeführten Kriterien eines Pullovers der Tarifst. 60.05 A II b 4 bb GZT. Die OFD hat sie daher zu Recht entsprechend tarifiert.
Fundstellen
Haufe-Index 61076 |
BFHE 144, 506 |
BFHE 1986, 506 |
HFR 1986, 146-146 (ST) |