Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Festsetzung gesonderter Einheitswerte je für das Grundstück und das Gebäude auf Grund geltend gemachten wirtschaftlichen Miteigentums am Gebäude
Leitsatz (NV)
1. Zur Verneinung des Vorhandenseins einer wirtschaflichen Einheit ,,bebautes Grundstück" im Hinblick auf geltend gemachtes wirtschaftliches Miteigentum am Gebäude.
2. Bei der Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1974 ist für die Frage, ob für das Grundstück einerseits und für das Gebäude andererseits ein gesonderter Einheitswert festzustellen ist, weil das Gebäude nicht voll dem Grundstückseigentümer gehört, materiell-rechtlich die Rechtslage vor dem Inkrafttreten der AO 1977 maßgebend.
3. Die nicht erschöpfende Aufzählung in § 11 StAnpG stellt einen beispielhaften Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens dar, daß ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer Zurechnungssubjekt von Wirtschaftsgütern ist, wenn er die wirtschaftliche Herrschaft ausübt, deren gewöhnlicher Ausdruck das Eigentum ist.
4. Zum besitzlosen wirtschaftlichen Eigentum.
5. Zur Unmöglichkeit eines zivilrechtlich wirksamen Treuhandverhältnisses an einer nichtsonderrechtsfähigen Sache (§§ 93, 94 Abs. 1 BGB).
6. Zum quotalen wirtschaftlichen Eigentum.
Normenkette
AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1; BewG § 2 Abs. 2, § 70 Abs. 1, 3, § 94; BGB §§ 93, 94 Abs. 1; EGAO 1977 Art. 97 § 1; StAnpG § 11
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klin. erwarb im Jahre 1969 das Grundstück T-Straße. Die Mittel zur Bezahlung des Grundstückskaufpreises wurden ihr von der Beigeladenen zur Verfügung gestellt. Die Klin. und die Beigeladene, deren persönlich haftende Gesellschafter jeweils den Kaufmann H als alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer hatten, haben hierzu im . . . 1969 eine Vereinbarung getroffen, nach deren Inhalt die Geschäftsleitung beider Vertragsparteien daran interessiert ist, an der B-Allee ein Grundstück zu erwerben und mit einem Wohn- und Geschäftshaus im Rahmen des § 14 BHG zu bebauen. Aus verschiedenen Gründen sei es erforderlich, daß die Klin. nach außen als Käuferin auftrete. Da jedoch eine Bebauung nach § 14 BHG nur dann für die Klin. sinnvoll sei, wenn die gewerbesteuerliche Einheit der Vertragsparteien anerkannt werde, behalte sich die Beigeladene vor, im Fall der Nichtanerkennung der Einheit sich direkt an dem Bauvorhaben zu beteiligen. Sie stelle dafür Mittel für das Bauvorhaben zur Verfügung. Am . . . 1969 wurde zwischen der Klin. und der Beigeladenen u. a. vereinbart, daß die Durchführung des Vorhabens vorerst auf Rechnung der Klin. erfolge, die Beigeladene jedoch das Recht habe, jederzeit durch einseitige Erklärung zu bewirken, daß die Baumaßnahme zu Teilen, jedoch höchstens zu 75 v. H., auf ihre Rechnung als durchgeführt gilt. Dabei sollte die Beigeladene die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers an dem Gebäude erlangen, die Klin. insoweit als ihre Treuhänderin tätig sein, wenn auch die Treuhandschaft nach außen nicht in Erscheinung treten solle.
In Vorbereitung der Gesamtbaumaßnahme war auf dem Grundstück B-Allee im . . . 1969 mit den Erdarbeiten begonnen worden. Am . . . 1971 wurde eine Zusatzvereinbarung zur Vereinbarung vom . . . 1969 getroffen, nach deren Inhalt die Betreuung des Bauvorhabens in wirtschaftlicher Hinsicht der Klin. obliegen sollte. Zu allen wesentlichen Vorgängen verpflichtete sie sich, die Zustimmung der Beigeladenen einzuholen, insbesondere für die Genehmigung der Bauplanung, der Baukosten, des Bauzeitenplans und der Baufinanzierung. Die Stellung von Anträgen sollte ebenso wie die Erteilung von Aufträgen mit der Beigeladenen abgestimmt werden. Auch die Zahlungsweise sollte der Genehmigung durch die Beigeladene bedürfen. Die Beigeladene sollte berechtigt sein, auf die Baugestaltung einzuwirken; ihr oblag die technische Betreuung des Bauvorhabens. Zum Zwecke unmittelbarer Einflußnahme war die Übernahme des Bauhauptgewerbes durch die Beigeladene vorgesehen. Beide Parteien verpflichteten sich, eine weitere Zusatzvereinbarung über die Verfahrensweise zur Vermietung und Verwaltung des Bauvorhabens zu gegebener Zeit zu treffen. Mit den eigentlichen Bauarbeiten wurde im Jahre 1971 begonnen. Nachdem die gewerbesteuerliche Einheit zwischen der Klin. und der Beigeladenen nicht anerkannt worden war, machte die Beigeladene im . . . 1972 von ihrem Recht Gebrauch, sich aufgrund der von ihr bereits für das Bauvorhaben zur Verfügung gestellten Mittel mit 66 2/3 v. H. an den Baukosten und der Finanzierung zu beteiligen. Am . . . 1972 wurde eine zweite Zusatzvereinbarung abgeschlossen. Im Anschluß an die Erklärung der Beigeladenen waren sich diese und die Klin. nach deren Inhalt darüber einig, daß das Zweidrittelverhältnis für die Aufteilung von Lasten und Nutzen aus dem Bauvorhaben Gültigkeit haben solle. Die Beigeladene sollte jeweils zum Jahresende eine Gutschrift über 2/3 aller erzielten Einnahmen und eine Belastung über 2/3 aller angefallenen Kosten erhalten. Die Klin. sollte zur Sicherstellung der Ansprüche der Beigeladenen den Auftrag zur ordnungsmäßigen Vermietung und Verwaltung des Objekts nach Maßgabe eines Vordrucks ,,Vollmacht zur Hausverwaltung" erhalten. Zu wesentlichen Vorgängen für die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens, wie größere Mietverträge, Wartungsverträge, größere Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsaufträge, Heizöleinkauf etc., verpflichtete sich die Klin., die Zustimmung der Beigeladenen einzuholen.
Umbaumaßnahmen und Eingriffe in die Substanz des Gebäudes bedurften gesonderter Beschlußfassung beider Parteien. Die Klin. sollte treuhänderisch für die Beigeladene in bezug auf deren Zweidrittelbeteiligung wirken. Der Klin. waren die Veräußerung des Grundstücks, die Vergabe eines Erbbaurechts am Grundstück oder eines sonstigen dinglichen Nutzungsrechts sowie die Belastung des Grundstücks untersagt. Eine unwirksame Vereinbarung sollte durch eine solche ersetzt werden, ,,die dem Willen der beiden Parteien Rechnung trägt", der Beigeladenen ,,zu zwei Dritteln die Bauherreneigenschaft und die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen zu gewährleisten". Die Vereinbarung über die Fruchtziehung sollte für die gesamte Nutzungsdauer des Gebäudes Gültigkeit haben. Für den Fall der zwischenzeitlichen gänzlichen oder teilweisen Veräußerung mit Einwilligung der Beigeladenen sollten dieser zwei Drittel des Veräußerungserlöses, soweit er auf das Gebäude entfällt, gebühren. Die Beigeladene sollte zu zwei Dritteln die Gefahr des Untergangs des Gebäudes tragen. Das FA führte auf den 1. Januar 1974 eine Art- und Wertfortschreibung des Einheitswerts für das genannte Grundstück durch, rechnete das Grundstück der Klin. zu, stellte die Art gemischtgenutztes Grundstück und den Einheitswert auf . . . DM fest. Im Einspruchsverfahren machte die Klin. geltend, der Einheitswert sei zu hoch festgestellt worden. Außerdem sei ein gesonderter Einheitswert je für das Grundstück und für das Gebäude festzustellen, und das Gebäude zu zwei Dritteln der Beigeladenen zuzurechnen, weil sie insoweit wirtschaftlicher Eigentümer sei. Das FA hat die Beigeladene zum Einspruchsverfahren hinzugezogen. In der Einspruchsentscheidung setzte es den Einheitswert auf . . . DM herab, wies aber den Einspruch im übrigen als unbegründet zurück. Der Klage, mit der die Klin. begehrte, den Einheitswertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1974 vom 24. Frebruar 1975 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 1979 aufzuheben, hat das FG stattgegeben. Das Gebäude sei der Beigeladenen nach dem hier anwendbaren § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 zu 2/3 zuzurechnen, denn die Klin. und die Beigeladene hätten mit ausreichender Klarheit alle Vereinbarungen getroffen, die erforderlich seien, um die Beigeladene als wirtschaftliche Miteigentümerin am Gebäude ansehen zu können. Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Aufzuheben ist das angefochtene Urteil deshalb, weil das FG aufgrund unzutreffender Annahme wirtschaftlichen Miteigentums der Beigeladenen die wirtschaftliche Einheit bebautes Grundstück (§ 70 Abs. 1 und 3, § 2 Abs. 2 BewG) verneint hat.
1. Maßgebend für die Frage, ob für das Grundstück einerseits und für das Gebäude andererseits deshalb jeweils ein gesonderter Einheitswert (§§ 94, 70 Abs. 3 BewG) festzustellen ist, weil das Gebäude nicht (voll) der Grundstückseigentümerin zuzurechnen ist (§ 2 Abs. 2 BewG), ist im Streitfall (Einheitswertfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1974) die Rechtslage vor Inkrafttreten der AO 1977; denn Art. 97 § 1 EGAO 1977 betrifft nur das Verfahren, nicht aber die materiell-rechtlichen Vorschriften der Reichsabgabenordnung.
2. Die nicht erschöpfende Aufzählung in § 11 StAnpG (vgl. z. B. Urteil des BFH vom 18. November 1970 I 133/64, BFHE 100, 516, BStBl II 1971, 133) von Fällen, in denen ein Wirtschaftsgut einem anderen als dem zivilrechtlich Berechtigten zuzurechnen war, enthielt einen beispielhaften Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, daß ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer Zurechnungssubjekt von Wirtschaftsgütern ist, wenn er die wirtschaftliche Herrschaft ausübt, deren gewöhnlicher Ausdruck das Eigentum ist (BFH-Urteil vom 29. Juli 1981 I R 62/77, BFHE 134, 264, 268, BStBl II 1982, 107). Danach ist (bzw. bleibt) wirtschaftlicher Eigentümer, wer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut dergestalt ausübt, daß er den rechtlichen Eigentümer ,,für die Dauer" von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann, so daß der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung hat (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1983 IV R 43/80, BFHE 139, 36, BStBl II 1983, 631). Für ein besitzloses wirtschaftliches Eigentum, wie es im vorliegenden Fall von der Klin. zugunsten der Beigeladenen behauptet wird, ist dementsprechend Voraussetzung, daß der Inhaber des zivilrechtlichen Eigentums in bezug auf das Wirtschaftsgut allein den Weisungen des anderen zu folgen verpflichtet ist und dieser jederzeit die Herausgabe des Wirtschaftsgutes (Übertragung des Eigentums an sich) verlangen kann.
Aus den Abreden im Innenverhältnis muß sich ergeben, daß der zivilrechtliche Eigentümer auf Dauer von der Einwirkung auf den Gegenstand ausgeschlossen ist, während der andere für eigene Rechnung zur Verfügung über die Substanz befugt ist (BFH-Urteil vom 21. Dezember 1978 III R 20/77, BFHE 127, 423, BStBl II 1979, 466). Unter solchen Voraussetzungen nämlich ist der andere in die Lage versetzt, gleich einem Eigentümer die wirtschaftliche Herrschaftsmacht über das Wirtschaftsgut auszuüben und erweist sich die zivilrechtliche Eigentümerstellung als ausgehöhlt in der Weise, daß ihr nicht die gewöhnlich mit ihr verbundene Herrschaftsmacht zukommt.
3. Im vorliegenden Fall kann entgegen der Annahme der Klin. ein zivilrechtlich wirksames Treuhandverhältnis schon deshalb nicht begründet worden sein, weil eine sonderrechtsunfähige Sache (§ 94 Abs. 1, § 93 des Bürgerlichen Gesetzbuches) nicht Gegenstand einer Treuhandabsprache sein kann. Der Beigeladenen kommt aber auch nicht die Stellung eines quotalen wirtschaftlichen Eigentümers zu. Zwar sollte die Beigeladene im Innenverhältnis an Aufwand und Ertrag beteiligt sein, und die Klin. war verpflichtet, zu bestimmten Maßnahmen die Zustimmung der Beigeladenen einzuholen. Auch durfte die Klin. über das Grundstück keine Verfügungsgeschäfte (ohne Zustimmung der Beigeladenen) abschließen, und es sollte der Beigeladenen 2/3 eines etwa erzielten Veräußerungserlöses gebühren, soweit er auf das Gebäude entfällt. Diese Vereinbarungen, die dem erklärten Ziel dienten, der Beigeladenen zu 2/3 die Bauherreneigenschaft und die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen zu gewährleisten, statten die Beigeladene jedoch nicht mit den für die Annahme wirtschaftlichen Bruchteilseigentums erforderlichen Machtbefugnissen aus. Denn die Klin. war nach den getroffenen Vereinbarungen im Außenverhältnis weder dazu verpflichtet, Weisungen der Beigeladenen in irgendeiner Weise zu folgen, noch waren irgendwelche Vereinbarungen über die Rechte der Beigeladenen bezüglich der Aufhebung des Vertragsverhältnisses und den daraus folgenden Konsequenzen getroffen. Die Beigeladene war vielmehr lediglich im Innenverhältnis zur Teilhabe am Erfolg berechtigt, ohne daß ihr eine Herrschaftsmacht über einen Gebäudeteil zukam.
Fundstellen
Haufe-Index 414825 |
BFH/NV 1988, 20 |