Leitsatz (amtlich)
Erwarb ein als gemeinnützig anerkannter Sportverein mehrere Grundstücke, um eine Schlittschuhbahn anzulegen, und gehörten diese Grundstücke zu einem Flurbereinigungsgebiet, so erstreckte sich die für diesen Erwerbsvorgang in Betracht kommende Befreiungsvorschrift des § 5 Abs.1 Nr.7 GrEStG RP nicht auf das später im Wege der Landabfindung erworbene, an anderer Stelle gelegene Abfindungsgrundstück.
Orientierungssatz
NV: Ordnungsgemäße Wahl der ehrenamtlichen Richter zum FG: zur Beschlußfähigkeit des Wahlausschusses bei telefonischer Auswechselung des zunächst bestimmten Vertreters der Finanzverwaltung gegen einen anderen Beamten durch den Präsidenten der OFD; zur ordnungsgemäßen Besetzung des Wahlausschusses bei Ernennung eines Beamten, der ständig die FÄ des Bezirks der OFD in Rechtsstreitigkeiten vor dem FG zu vertreten hatte, als Vertreter der Finanzverwaltung im Wahlausschuß; zur Verletzung des Gleichberechtigungsgebots des Art. 3 Abs. 2 GG, wenn die Vorschlagsliste nicht gleich viele Namen von Frauen wie von Männern enthält; zur Art der Durchführung der Wahl der ehrenamtlichen Richter; zum Unterschreiben der Niederschrift über die Wahl der ehrenamtlichen Richter; zur Bestimmung der Reihenfolge, in der die ehrenamtlichen Richter heranzuziehen sind, durch das Präsidium des FG; zum gesetzlichen Richter bei Aufnahme der ehrenamtlichen Richter zugleich in die Hauptliste und in die Hilfsliste (Ausführungen und Rechtsprechungshinweise).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 2, Art. 101 Abs. 1 S. 2; GrEStG RP § 2 Abs. 1 Nr. 3; GrEStG RP § 5 Abs. 1 Nr. 7; GrEStG RP § 5 Abs. 3; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 2; FlurbG § 44; FGO §§ 25-26; FlurbG § 68 Abs. 1; FGO §§ 27, 23 Abs. 1-3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein als gemeinnützig anerkannter Sportverein. Um eine Schlittschuhbahn anzulegen, hatte er bereits 1975 vier in Rheinland-Pfalz liegende Grundstücke gekauft. Am 17.Dezember 1976 kaufte er zwei weitere Grundstücke hinzu und beantragte für diesen Erwerbsvorgang Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs.1 Nr.7 des damals geltenden Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG RP). Das Finanzamt (FA) teilte dem Kläger durch Freistellungsbescheid vom 13.Januar 1977 mit, die Überprüfung des Erwerbsvorgangs habe ergeben, daß die vom Gesetz für die Steuerbefreiung geforderten Merkmale gegeben seien. Gleichzeitig wies es ihn darauf hin, daß die Steuer nacherhoben werde, wenn der Grundbesitz nicht bis zum 16.Dezember 1986 zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet worden sein sollte. Werde der steuerbegünstigte Zweck vorher aufgegeben, entstehe die Steuerpflicht im Zeitpunkt der Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks.
Im November 1981 prüfte das FA, ob der Kläger etwa den steuerbegünstigten Zweck inzwischen aufgegeben habe. Es sandte ihm einen entsprechenden Vordruck zu. Der Kläger teilte sinngemäß mit, der Grundbesitz habe noch nicht zu dem begünstigten Zweck verwendet werden können, da er in einem Flurbereinigungsgebiet liege und das Flurbereinigungsverfahren erst 1980 abgeschlossen worden sei; er beabsichtige aber weiterhin, vor Ablauf von zehn Jahren seit dem Erwerbsvorgang, den Grundbesitz dem begünstigten Zweck zuzuführen. Das FA nahm an, daß infolge des Flurbereinigungsverfahrens eine unmittelbare Verwendung zum steuerbegünstigten Zweck nicht mehr möglich sei und somit die Voraussetzungen der beantragten Steuerbefreiung nicht mehr gegeben seien. Es setzte durch Bescheid vom 23.März 1982 die Grunderwerbsteuer auf 691,60 DM fest, den Einspruch wies es zurück.
Mit seiner Klage hat der Kläger begehrt, den Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Beide Verwaltungsakte seien rechtswidrig: Der Freistellungsbescheid vom 13.Januar 1977 habe nicht geändert werden dürfen, denn die Tatsache, daß die erworbenen Grundstücke in einem Flurbereinigungsgebiet lagen und infolgedessen die Voraussetzungen für die beantragte Steuerbefreiung nicht erfüllt werden konnten, sei den für die Steuerfestsetzung zuständigen Beamten des FA schon zur Zeit des Freistellungsbescheids bekannt gewesen oder hätte ihnen bekannt sein müssen.
Das Finanzgericht (FG) hat durch Urteil vom 9.November 1984 4 K 254/82 die Klage abgewiesen. Es hat festgestellt, daß die Flurbereinigung am 19.Juli 1973 angeordnet worden war, der Kläger für die in das Verfahren eingebrachten sechs Altgrundstücke ein neues Grundstück (Abfindungsgrundstück) erhalten hat, Alt- und Neuflächen nicht identisch sind und der neue Rechtszustand am 7.Juli 1980 eingetreten ist. Nach Ansicht des FG durfte das FA die Grunderwerbsteuer nacherheben, weil mit Eintritt des neuen Rechtszustandes die erworbenen Grundstücksflächen nicht mehr zu dem begünstigten Zweck verwendet werden konnten, der Kläger daher vorzeitig den begünstigten Zweck habe aufgeben müssen. Die Steuerbefreiung erstrecke sich nicht auf das Abfindungsgrundstück. Ob der Freistellungsbescheid vom 13.Januar 1977 zu Unrecht ergangen sei, sei für die Entscheidung ohne Belang, da nicht er, sondern der Nacherhebungsbescheid vom 23.März 1982 zu beurteilen sei. Das FG hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Vorschriften, die den gesetzlichen Richter betreffen (Art.101 Abs.1 Satz 2 des Grundgesetzes --GG-- und §§ 116, 118, 119 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG sei bei seiner Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil die bei der Urteilsfindung mitwirkenden ehrenamtlichen Richter nicht ordnungsgemäß gewählt worden seien. Im übrigen wiederholt er seine bisherige Rechtsansicht. Er beantragt,
das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung und den
Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).
1. Die Besetzungsrügen sind teils unbegründet, teils unzulässig.
1. Die Besetzungsrügen sind teils unbegründet, teils unzulässig. ++/ Das FG war mit den beiden ehrenamtlichen Richtern X und Y, die an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt haben, vorschriftsmäßig besetzt. Diese ehrenamtlichen Richter haben ihr Amt durch gültige Wahl erlangt; ihre Teilnahme an der Sitzung, in der die Sache des Klägers verhandelt und entschieden wurde, fand ihre Grundlage in einer Liste, die das Präsidium des FG vor Beginn des Geschäftsjahres aufgestellt und in der es die Reihenfolge bestimmt hatte, in der die ehrenamtlichen Richter heranzuziehen sind (§ 27 FGO).
a) Der Kläger meint, der beim FG Rheinland-Pfalz bestellte Ausschuß zur Wahl der ehrenamtlichen Richter (§ 23 Abs.1 FGO) sei bei seiner Sitzung am ... nicht beschlußfähig gewesen, weil der als Vertreter der Finanzverwaltung zunächst bestimmte Z von der Oberfinanzdirektion (OFD) ... nicht zu der Sitzung erschienen und daraufhin "telefonisch ausgewechselt" worden sei gegen A.
Diese Ansicht ist unzutreffend.
Die vom Gesetz vorgeschriebene Beschlußfähigkeit des Wahlausschusses (§ 23 Abs.3 FGO) wurde dadurch hergestellt, daß der Präsident der OFD anstelle des "offenbar ... durch die ungünstige Wetterlage" und die Entfernung zwischen ... und ... am rechtzeitigen Erscheinen gehinderten Z telefonisch A als Vertreter der Finanzverwaltung bestimmte. Das Gesetz schreibt nicht vor, daß dies hätte schriftlich geschehen müssen. Eine sachfremde, d.h. auf willkürlichen Erwägungen beruhende Einflußnahme der Exekutive auf die rechtsprechenden Organe ist darin nicht zu sehen.
b) Der Kläger meint ferner, der Wahlausschuß sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil A "ständiger Vertreter der FÄ der OFD ... beim FG" gewesen sei und noch sei und "somit die Funktion eines Parteivertreters des beklagten Finanzamtes" ausgeübt habe. Diese Funktion sei mit den Aufgaben eines Mitglieds des Ausschusses zur Wahl von ehrenamtlichen Richtern nicht vereinbar gewesen. Denn als Mitglied des Wahlausschusses habe er die Möglichkeit gehabt, auf die Auswahl der ehrenamtlichen Richter aus den Vorschlagslisten der Berufsvertretungen Einfluß zu nehmen.
Auch diese Ansicht ist unzutreffend.
Der Präsident der OFD war rechtlich nicht gehindert, zum Vertreter der Landesfinanzverwaltung im Wahlausschuß A zu bestimmen (vgl. § 23 Abs.2 Satz 1 FGO). Selbst wenn es zuträfe, daß dieser ständig die FÄ des Bezirks der OFD in Rechtsstreitigkeiten vor dem FG zu vertreten hatte, rechtfertigte dieser Umstand allein nicht die Befürchtung, er werde im Wahlausschuß einen sachfremden Einfluß auf die Wahl der ehrenamtlichen Richter ausüben, zumal da A keinen Einfluß darauf hatte, welcher ehrenamtliche Richter mit welcher Streitsache befaßt werden würde.
c) Der Kläger ist der Ansicht, die Vorschlagsliste der ehrenamtlichen Richter (§ 25 FGO) sei nicht ordnungsgemäß aufgestellt worden, weil in ihr "die Vertreter der Gewerkschaften überdurchschnittlich gegenüber anderen Bevölkerungskreisen enthalten" und "Frauen entgegen dem Gleichheitsgrundsatz des GG unterrepräsentiert" seien. Diese Ansicht ist aus folgendem Grunde unrichtig: Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vorschrift des § 36 Abs.2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), wonach die Vorschlagsliste für Schöffen, die bei der Verhandlung und Entscheidung in Strafsachen mitwirken, "alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigen" soll, sinngemäß anzuwenden ist auf die Vorschlagsliste für ehrenamtliche Richter, die bei der Urteilsfindung in finanzgerichtlichen Sachen mitwirken (§ 155 FGO). Denn selbst wenn man das bejahte, würde ein Verstoß gegen diese bloße Sollvorschrift keinen Einfluß haben auf die Ordnungsgemäßheit der Wahl. Der Umstand, daß die vom Präsidenten des FG aufgestellte Vorschlagsliste nicht gleich viele Namen von Frauen wie von Männern enthält, verletzt nicht das Gleichberechtigungsgebot des Art.3 Abs.2 GG, wonach der Geschlechtsunterschied keinen beachtlichen Grund für Differenzierungen im Recht abgeben darf (vgl. statt vieler Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 3.Dezember 1985 1 BvL 29/84, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1986, 658). Denn es sind keine Anhaltspunkte erkennbar und vom Kläger auch nicht angeführt, die den Schluß zuließen, der Präsident habe wegen des Geschlechtsunterschieds mehr Männer als Frauen in der Vorschlagsliste benannt.
d) Der Kläger rügt, die ehrenamtlichen Richter seien nicht unmittelbar, geheim und mit Stimmzetteln gewählt worden. Zwar schreibe § 26 FGO kein bestimmtes Wahlverfahren vor, aber aus § 4 FGO i.V.m. der Vorschrift des § 21b Abs.3 GVG über die Wahl von Richtern zum Präsidium folge, daß eine Wahl ummittelbar, geheim und mit Stimmzetteln vorgenommen werden müsse und daß derjenige gewählt sei, der die meisten Stimmen auf sich vereinige.
Diese Rüge greift nicht durch.
Das Gesetz (§ 26 FGO) schreibt nicht vor, daß die Wahl der ehrenamtlichen Richter in der gleichen Weise vorzunehmen sei wie die der Richter zum Präsidium nach § 4 FGO i.V.m. § 21b Abs.3 GVG und der Wahlordnung für die Präsidien der Gerichte vom 19.September 1972 (BGBl I, 1821). Dem in § 26 Abs.1 FGO enthaltenen Wort "wählt" ist zu entnehmen, daß das Gesetz lediglich ein nicht vom Zufall abhängiges Ergebnis will (z.B. nicht ein Auslosen), sondern eine Wahl als bewußte individuelle und konkret-personenbezogene Entscheidung der Mitglieder des Wahlausschusses (Kissel, NStZ 1985, 490). Diesem Erfordernis war dadurch genügt, daß der Wahlausschuß seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, aus der vom Präsidenten des FG aufgestellten Vorschlagsliste mit ... Namen einstimmig ... bestimmte Personen, darunter den X und den Y, in das Amt eines ehrenamtlichen Richters zu berufen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 19.Juni 1985 2 StR 197/85, 2 StR 98/75, NJW 1985, 2341, betreffend eine Schöffenwahl; zustimmend Kissel, a.a.O., S.491).
e) Die "Niederschrift über die Wahl der ehrenamtlichen Richter des Finanzgerichts" brauchte --entgegen der Ansicht des Klägers-- nicht von allen Mitgliedern des Wahlausschusses unterschrieben zu werden; es genügte --mangels einer entgegenstehenden Vorschrift--, daß der Präsident des FG als Vorsitzender des Wahlausschusses (§ 23 Abs.2 Satz 1 FGO) sie unterschrieb.
f) Zu Unrecht beanstandet der Kläger, "daß auf der Wahlliste unter dem Abschnitt "Bemerkungen" die Namen der vorgeschlagenen Personen handschriftlich mit einem Vermerk versehen sind, welchem Senat sie zugeteilt werden sollten". Das sei nicht Aufgabe des Wahlausschusses, sondern des Präsidiums, das den Geschäftsverteilungsplan aufstellt. Dabei übersieht der Kläger, daß die erwähnten Vermerke unverbindliche Vorüberlegungen waren und als solche nicht die Zuständigkeit des Präsidiums beeinträchtigen konnten, vor Beginn des Geschäftsjahres für jeden Senat eine Liste mit mindestens zwölf Namen aufzustellen und die Reihenfolge zu bestimmen, in der die ehrenamtlichen Richter heranzuziehen sind (§ 27 FGO).
g) Der Kläger behauptet, es seien zunächst die Personen ausgesucht worden, die bereits in der abgelaufenen Wahlperiode ehrenamtliche Richter gewesen seien; die Reihenfolge ergebe sich aus den Geschäftsverteilungsplänen 1976 und 1982, die er beizuziehen beantrage. Auf diese Rüge kann der erkennende Senat nicht eingehen, weil sie unzulässig ist: Der Kläger hat nicht genügend Einzeltatsachen angegeben, z.B. die betroffenen ehrenamtlichen Richter nicht namentlich bezeichnet, auch nicht die von ihm erwähnten Geschäftsverteilungspläne vorgelegt oder zumindest dargelegt, daß er sich um sie vergeblich bemüht hat (vgl. BGH-Beschluß vom 26.März 1986 III ZR 114/85, NJW 1986, 2115). Im übrigen ist nicht erkennbar, inwiefern die behauptete Tatsache die Ordnungsmäßigkeit der Wahl beeinträchtigen könnte.
h) Der Kläger rügt schließlich, in der für den ... Senat des FG aufgestellten Hauptliste für 1984 seien Personen enthalten gewesen, die zugleich auf der Hilfsliste als ehrenamtliche Richter geführt worden seien. Da ein Richter aus der Hilfsliste nur bei vorübergehender Verhinderung eines Richters der Hauptliste herangezogen werden dürfe, dürfe ein Richter der Hauptliste nicht zugleich als Richter auf der Hilfsliste stehen.
Diese Rüge ist unbegründet.
Die Verfassungsvorschrift des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, wird nicht dadurch verletzt, daß in der Hilfsliste ehrenamtliche Richter aufgeführt sind, die zugleich auf der Hauptliste stehen. Zwar kann diese Geschäftsverteilung dazu führen, daß derselbe Richter an zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen teilnimmt, wenn er nach der Teilnahme an einer Sitzung als Richter der Hauptliste die nächste Sitzung als Richter der Hilfsliste wahrnimmt, weil ein in der Hauptliste für diese Sitzung vorgesehener ehrenamtlicher Richter verhindert ist. Der gesetzliche Richter ist dann der Richter der Hilfsliste (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 27.März 1968 V C 036/65, VRspr 20. Bd. S.122). /++
2. Auch die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers auf.
Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist nicht deshalb rechtswidrig, weil dem Kläger zunächst der Freistellungsbescheid vom 13.Januar 1977 erteilt worden war. Denn dieser Freistellungsbescheid war ein materiell vorläufiger Bescheid: Er schob sowohl die Entstehung der Grunderwerbsteuer als auch die Überprüfung der Voraussetzungen für die materiell endgültige Steuerbefreiung hinaus bis nach Schaffung der steuerbegünstigten Einrichtung (Schlittschuhbahn) oder bis zum Aufgeben des begünstigten Zwecks, und zwar auch für den Fall, daß die materiell vorläufige Freistellung fehlerhaft gewesen sein sollte (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13.Februar 1985 II R 74/82, BFHE 143, 163, 165, BStBl II 1985, 374).
Das FG ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger den steuerbegünstigten Zweck "spätestens mit dem Eintritt des neuen Rechtszustandes am 7.Juli 1980" aufgegeben hat. Denn zu diesem Zeitpunkt stand fest, daß das dem Kläger zugeteilte Abfindungsgrundstück sich in einer anderen örtlichen Lage befand als die alten Grundstücke, diese somit vom Kläger nicht mehr unmittelbar zu dem begünstigten Zweck verwendet werden konnten.
Ohne Einfluß auf diese grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung ist die Vorschrift des § 68 Abs.1 des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG). Danach tritt hinsichtlich der Rechte an den alten Grundstücken (und der diese Grundstücke betreffenden Rechtsverhältnisse, die nicht aufgehoben werden) die Landabfindung an die Stelle der alten Grundstücke. Dieser Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung des BGH und des BVerwG "der Gedanke einer ungebrochenen Fortsetzung des Eigentums an einem 'verwandelten' Grundstück zugrunde. Eine Änderung des Eigentumsrechts tritt nicht in der Person des Eigentümers, sondern im Gegenstand des Eigentums ein. Das Abfindungsgrundstück stellt in diesem Sinne - unter dem Leitgedanken der Wertgleichheit der Abfindung - das eingebrachte Grundstück in verwandelter Gestalt dar" (BGH-Urteil vom 13.Januar 1983 III ZR 118/81, BGHZ 86, 226, 230; BVerwG-Urteil vom 30.Oktober 1979 5 C 27.78, BVerwGE 59, 69, 72, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Anknüpfend an diesen Gedanken hat der BFH für das Gebiet der Grundsteuer die Auffassung vertreten, auch das mit dem in die Flurbereinigung eingelegten Grundstück verbundene Grundsteuerprivileg des § 4 Nr.5 Buchst.c des Grundsteuergesetzes (GrStG) 1951 (Grundsteuerfreiheit für Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener) gehe durch die Landabfindung nicht unter; denn die Landabfindung gelte als Surrogat des der Flurbereinigung unterworfenen Grundstücks und übernehme in rechtlicher Hinsicht dessen Eigenschaften (Urteil vom 9.Juli 1971 III R 30/70, BFHE 103, 92, 95, BStBl II 1971, 785, 786; vgl. auch Schoof in Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, 4.Aufl., 1985, § 68 Rdnr.2). Von dem gleichen Gedanken ausgehend hat der BFH einkommensteuerrechtlich die in ein Flurbereinigungsverfahren eingebrachten und die daraus im Zuteilungswege erlangten Grundstücke (soweit insgesamt wertgleich) als "wirtschaftlich identisch" gewertet. Er hat daraus gefolgert, "daß zum einen keine Gewinnrealisierung nach Tauschgrundsätzen eintritt und zum anderen sich die etwaige Betriebsvermögenseigenschaft des eingebrachten Grundbesitzes an den erlangten Grundstücken unverändert fortsetzt, bis diese nach den dafür allgemein maßgeblichen Grundsätzen entfällt" (BFH-Urteil vom 13.März 1986 IV R 1/84, BFHE 146, 538, 540, BStBl II 1986, 711). Schon früher hatte er erkannt, daß ein Spekulationsgeschäft i.S. des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht nur dann vorliegen kann, wenn ein und dasselbe Grundstück angeschafft und veräußert wird, sondern auch dann, "wenn Land im Zuge eines Umlegungsverfahrens ausgetauscht wird". Aus der wirtschaftlichen Identität von eingebrachtem und zugeteiltem Grundstück hat er gefolgert, "daß für die Anwendung des § 23 EStG als Zeitpunkt des Erwerbs des veräußerten Grundstücks nicht der Tag der Zuteilung dieses Grundstücks zugrunde gelegt werden kann, sondern der Zeitpunkt, in dem das in die Umlegung einbezogene Grundstück erworben wurde" (BFH-Urteil vom 15.Januar 1974 VIII R 63/68, BFHE 112, 31, 34, BStBl II 1974, 606).
Auf die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts kann sich der erwähnte Gedanke der "Surrogation" aus folgendem Grunde nicht auswirken: Gegenstand der Grunderwerbsteuer sind nicht "Grundstücke" --wie bei der Grundsteuer (§ 2 GrStG, § 70 des Bewertungsgesetzes --BewG--)--, sondern "Erwerbsvorgänge", die sich auf Grundstücke beziehen (§ 2 des damals geltenden GrEStG RP, jetzt § 1 GrEStG 1983). Jeder Erwerbsvorgang bildet einen in sich abgeschlossenen Steuerfall, dessen gesetzliche Tatbestandsmerkmale (auch hinsichtlich eines Befreiungstatbestandes) je für sich gesondert zu würdigen sind (BFH-Urteil vom 28.April 1970 II 119/65, BFHE 99, 402, 404, BStBl II 1970, 670). Demzufolge ist im vorliegenden Falle der Erwerb der Altgrundstücke (1976) zu unterscheiden von dem Erwerb des Abfindungsgrundstücks (1980). Beide Erwerbsvorgänge sind grunderwerbsteuerrechtlich je für sich zu beurteilen. Der Erwerbsvorgang 1976 unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 2 Abs.1 Nr.1 GrEStG RP) und ist aus den vom FG dargelegten Gründen nicht gemäß § 5 Abs.1 Nr.7 GrEStG RP von der Besteuerung ausgenommen. Für den hier nicht zu beurteilenden Erwerbsvorgang 1980 (§ 2 Abs.1 Nr.3 GrEStG RP) war von Bedeutung die Befreiungsvorschrift des § 6 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes vom 18.Mai 1978, Sammlung des bereinigten Landesrechts von Rheinland-Pfalz, Gliederungsnummer 7815-1 (vgl. BFH-Urteil vom 21.April 1982 II R 141/78, BFHE 135, 558, BStBl II 1982, 517, betreffend den Übergang des Eigentums an einem in Hessen liegenden Waldgrundstück durch Abfindung in Land im Flurbereinigungsverfahren, ferner § 1 Abs.1 Nr.3 Satz 2 GrEStG 1983). Eine etwaige "wirtschaftliche Identität" zwischen den Altgrundstücken und dem Abfindungsgrundstück, auf die der BFH in den erwähnten, zur Einkommensteuer ergangenen Urteilen abstellt (BFHE 146, 538, 540, BStBl II 1986, 711, und BFHE 112, 31, 34, BStBl II 1974, 606), erlaubte es grunderwerbsteuerrechtlich nicht, die Befreiungsvorschrift des § 5 Abs.1 Nr.7 GrEStG RP über ihren Wortsinn und ihren Zweck hinaus auf den Erwerb des Abfindungsgrundstücks auszudehnen; denn im Grunderwerbsteuerrecht kann die sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise nur in dem vom GrEStG vorgezeichneten Umfang wirksam werden (vgl. BFHE 99, 402, 404, BStBl II 1970, 670).
Ob den Kläger ein Verschulden daran trifft, daß er den steuerbegünstigten Zweck aufgeben mußte, ist --mangels entgegenstehender Vorschriften-- unerheblich (vgl. BFH-Urteil vom 23.Mai 1973 II R 131/72, BFHE 110, 140, BStBl II 1973, 802, betreffend die Nichteinhaltung der Fünfjahresfrist in Niedersachsen wegen Maßnahmen der Flurbereinigungsbehörde, und BFH-Beschluß vom 10.März 1970 II B 7/70, BFHE 98, 374, BStBl II 1970, 389, betreffend die Nichteinhaltung der Fünfjahresfrist in Niedersachsen wegen Zwangsversteigerung des Grundstücks).
Fundstellen
Haufe-Index 61307 |
BStBl II 1987, 133 |
BFHE 147, 540 |
BFHE 1987, 540 |
DB 1987, 212-212 (ST) |
HFR 1987, 84-85 (ST) |