Leitsatz (amtlich)
Leistet ein Pächter dafür, daß er seine Vertragspflicht zum sachgemäßen Unterhalt des Pachtgegenstandes nicht erfüllt hat, an den Verpächter eine Entschädigung, so gehört diese beim Verpächter zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige ist Eigentümer einer Wasserkraftanlage, die seit dem Jahre 1920 an ein Elektrizitätswerk (EW) verpachtet war. Als das Pachtverhältnis im April 1951 endete, übernahm der Steuerpflichtige die Anlage, die bis dahin zum Privatvermögen gehört hatte, in sein Betriebsvermögen. Nach dem Vertrag hatte das EW die Pachtanlage sachgemäß zu unterhalten; es war dieser Verpflichtung jedoch nicht nachgekommen. Ein Gutachten schätzte die Kosten der Nachholung auf 90 030 DM. Die Verhandlungen zwischen dem Steuerpflichtigen und dem EW endeten im Jahre 1955 damit, daß das EW im Wege des Vergleiches 44 200 DM zahlte. Streitig ist, ob und wie dieser Betrag bei der Einkommensteuerveranlagung 1955 zu erfassen ist.
Der Steuerpflichtige verbuchte den Betrag, der auf seinem privaten Sparkonto einging, innerhalb seines Betriebsvermögens erfolgsneutral als Minderung des Buchwertes der Wasserkraftanlage zu Lasten des Kapitalkontos. Das FA folgte dem nicht. Es betrachtete die 44 200 DM als gewerblichen Gewinn des Jahres 1955 und erhöhte diesen entsprechend (in der Einspruchsentscheidung unter Ansatz einer Gewerbesteuerrückstellung von 7 500 DM). Vor dem FG ließ das FA diese Auffassung fallen; es hielt den Betrag nunmehr für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.
Der Steuerpflichtige wandte ein, die für die nicht vertragsmäßige Instandhaltung gezahlte Entschädigung müsse steuerlich bei der gleichen Einkunftsart behandelt werden, zu der die Kraftanlage seit Jahren gehöre, nämlich bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Er beantragte, den bei der Veranlagung festgesetzten Betriebsgewinn unter Auflösung der erhöhten Gewerbesteuerrückstellung um 44 200 DM zu ermäßigen und den Antrag des FA, den Betrag als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu behandeln, abzulehnen.
Die Klage hatte Erfolg. In seinem in EFG 1967, 404 veröffentlichten Urteil verwies das FG auf die zu § 21 EStG ergangenen Entscheidungen des BFH VI 180/61 U vom 9. März 1962 (BFH 74, 591, BStBl III 1962, 219), VI 264/65 vom 22. April 1966 (BFH 86, 148, BStBl III 1966, 395) und führte aus: Entschädigungen, die als Ersatz für vertragswidrig herbeigeführte Beschädigung oder Wertminderung der Pachtsache gezahlt würden, seien keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Nach dem Gutachten seien konkrete Schäden an der Wasserkraftanlage dadurch entstanden, daß das EW seine Instandhaltungspflicht verletzt habe. Da der streitige Betrag zum Ausgleich dieses Schadens bestimmt sei, falle er nicht unter die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Mithin seien die 44 200 DM aus dem betrieblichen Gewinn auszuscheiden, während die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unverändert bestehenblieben.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 21 EStG.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils.
Bei der Vermietung und Verpachtung von privatem Vermögen unterliegt beim Verpächter nach § 21 Abs. 1 EStG der Steuer alles, was er vom Pächter für die Benutzung des Pachtgegenstandes erhält. Der Verpächter kann darüber hinaus gegen den Pächter aber auch Ansprüche erwerben, die auf Handlungen oder Unterlassungen beruhen, die den Kreis des Pachtverhältnisses verlassen, etwa wenn der Pächter die Pachtsache vorsätzlich vernichtet und wegen dieser unerlaubten Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB dem Eigentümer unabhängig von dem Pachtverhältnis Schadensersatz zu leisten hat. Nicht unter einen Schadensersatz in diesem Sinne fallen jedoch in der Regel solche Leistungen, die der Pächter deshalb erbringen muß, weil er Verpflichtungen nicht erfüllt hat, die ihm nach dem Vertrag neben den laufenden Pachtzahlungen als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung oblagen. Nichts anderes besagen die vom FG angezogenen BFH-Entscheidungen VI 180/61 U und VI 264/65 (a. a. O.), insbesondere die letztere, wenn sie in ihrem Rechtssatz von einem „konkreten” Schaden spricht. Steht bei der sogenannten Schadensersatzleistung die Abgeltung der Gebrauchsüberlassung im Vordergrund, so liegt ein Zufluß im Sinne des § 21 EStG vor. Das wird besonders deutlich, wenn man von dem normalen Fall ausgeht, daß der Verpächter die Pachtsache instand hält und einen entsprechend höheren Pachtzins ausbedungen hat. Dann stehen sich beim Verpächter gegenüber auf der einen Seite die vollen Pachteinnahmen und auf der anderen Seite die Absetzung für Abnutzung (AfA) und die Herstellungsbzw. Erhaltungsaufwendungen, letztere sofort als Werbungskosten absetzbar, erstere über eine weitere AfA neben der AfA auf den Altbestand. Hat aber der Pächter die Instandhaltung übernommen, erscheinen beim Verpächter nur die – entsprechend geringeren – Pachtzinseinnahmen, denen die AfA auf die verpachtete Sache gegenübersteht. Der laufende Erhaltungsaufwand des Pächters wirkt sich beim Verpächter steuerlich nicht aus. Nur wenn der Pächter werterhöhende Aufwendungen in das Pachtobjekt gemacht hat, kann beim Verpächter, sobald er die Sache zurückerhält, in Höhe des Mehrwerts eine Einnahme im Sinne von § 21 Abs. 1 EStG gegeben sein (BFH-Entscheidung VI 244/60 vom 1. Dezember 1961, HFR 1962, 161). Hat nun der Pächter entgegen seiner Vertragspflicht auf den Pachtgegenstand keine oder unzureichende Instandhaltungsaufwendungen gemacht und muß er als Ersatz dafür an den Verpächter eine Barzahlung leisten, so wird damit wirtschaftlich durch nachträgliche Anhebung der Einnahmen des Verpächters der Sachverhalt des Normalfalles hergestellt, in welchem der Verpächter – bei entsprechend höherem Pachtzins – die Sache in dem zu dem vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten hat (§ 536 BGB).
Im Streitfall hat das EW eine bare Nachzahlung als Ersatz dafür geleistet, daß es der als Teil seiner Gegenleistung ausbedungenen Pflicht, die Pachtanlagen sachgemäß zu unterhalten, nicht ausreichend nachgekommen war. Die im Jahre 1955 gezahlten 44 200 DM sind daher nachträgliche Einnahmen aus dem im April 1951 abgelaufenen Pachtvertrag. Das angefochtene Urteil, dem eine andere Rechtsauffassung über die 44 200 DM zugrunde liegt, wird aufgehoben.
Der Senat ist in der Lage, abschließend zu entscheiden. Den an den Steuerpflichtigen im Jahre 1955 als Pacht nachgezahlten 44 200 DM stehen in diesem Jahr Werbungskosten einschließlich einer AfA im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht gegenüber, weil die Wasserkraftanlage seit Pachtende als Betriebsvermögen geführt wird und seitdem die mit ihr zusammenhängenden Aufwendungen als Betriebsausgaben in Erscheinung treten. Mithin ist der bei der Veranlagung ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb um 44 200 DM herabzusetzen; dagegen ist der Überschuß aus Vermietung und Verpachtung um den gleichen Betrag zu erhöhen, so daß sich ein gegenüber der Veranlagung unveränderter Gesamtbetrag der Einkünfte ergibt. Eine besondere Rückstellung wegen Gewerbesteuer, wie in der Einspruchsentscheidung geschehen, entfällt, weil die 44 200 DM nach der gegenwärtigen Entscheidung nicht Teil des Betriebsgewinns sind. Die ursprünglich bei der Veranlagung festgesetzten 50 319 DM können jedoch nicht wieder hergestellt werden, weil das FA bei der Einspruchsentscheidung in der Annahme, die 44 200 DM seien Betriebsgewinn, die Gewerbesteuerrückstellung von 7 500 DM zugebilligt und dadurch die Steuer auf 48 483 DM herabgesetzt hat. Diese Festsetzung, gegen die die Klage des Steuerpflichtigen gerichtet ist, darf nicht überschritten werden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Im Ergebnis ist daher die Klage gegen die Einspruchsentscheidung abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 557349 |
BStBl II 1969, 184 |
BFHE 1969, 394 |