Leitsatz (amtlich)
1. Eine Erbengemeinschaft ist für das Grunderwerbsteuerrecht selbständiger Rechtsträger und selbst Steuerschuldner. Die Zurechnungsvorschrift des § 11 Nr. 5 StAnpG ist nicht anwendbar.
2. Die personenbezogenen Eigenschaften, die bei den an der Erbengemeinschaft Beteiligten vorliegen, sind auch der Gemeinschaft zuzurechnen. Das gilt auch für den Begriff der "natürlichen Person, die ... einen landund forstwirtschaftlichen Kleinbetrieb ... selbst bewirtschaftet." 3. Zum Umfang der Steuerbefreiung bei gemischtem Austausch von Grundstücken zur besseren Bewirtschaftung.
Normenkette
Baden-Württembergisches II. GrEStLandG 1964 § 1 Abs. 1 Nr. 2; GrEStG 1940 § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, § 15; AO § 97 Abs. 1; StAnpG § 11 Nr. 5
Tatbestand
Die Schwestern A. und B. X. erwarben in Erbengemeinschaft gegen Hingabe ihres ererbeten Grundstücks ein landwirtschaftliches Grundstück, das mit einem um etwa die Hälfte niedrigeren Wert angesetzt war. Der Unterschiedsbetrag war bereits bar gezahlt.
Das FA (Beklagter) setzte eine Grunderwerbsteuer aus dem vollen Wert des hingegebenen Grundstücks fest. Eine beantragte Steuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Baden-Württembergischen Zweiten Gesetzes über Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der inneren Verkehrslage land- und forstwirtschaftlicher Betriebe - II. GrEStLandG - vom 6. April 1964 (Gesetzblatt S. 199) oder gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 lehnte das FA ab. Auf Einspruch erließ das FA einen neuen Steuerbescheid, in dem der Wert der Gegenleistung auf den Wert des erworbenen Grundstücks und die Barzahlung aufgeteilt ist.
Der Einspruch war erfolglos.
Die Klage der Erbengemeinschaft (Klägerin) gegen die Einspruchsentscheidung wies das FG ab. Es teilte die Auffassung des Beklagten, daß einer Erbengemeinschaft als selbständigem Rechtsträger die nur natürlichen Personen zustehende Steuerbefreiung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des II. GrEStLandG nicht zuteil werden könne. § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 sei nicht anwendbar, da wegen zu hoher Zuzahlung ein Austausch von Gründstücken nicht vorliege.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision ist begründet.
...
Es kann dahingestellt bleiben, ob V. in Vertretung der Klägerin einer - wie wohl der Beklagte meint - nur auf die Höhe des Steuerbescheids begrenzten Änderung des ersten Bescheids zugestimmt hat. Der erste Steuerbescheid enthielt hinsichtlich der Besteuerungsgrundlage einen einer offenbaren Unrichtigkeit (§ 92 Abs. 3, ab 1. Januar 1966: Abs. 2 AO) nahekommenden Fehler, der - im Gegensatz zu den anderen Rechtsfragen - sofort und zugunsten der Klägerin ausgeräumt werden konnte. Eine durch den Wortlaut des § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO ("soweit") gedeckte Änderung des Steuerbescheids konnte um so sinnvoller erscheinen (vgl. BFH-Urteil VI 132/63 U vom 16. Oktober 1964, BFHE 81, 93, 98, BStBl III 1965, 32), als durch ein wegen der anderen Fragen zu erwartendes Rechtsbehelfsverfahren die Vollziehbarkeit des Steuerbescheids (§ 242 AO) von vornherein auf den um rund die Hälfte niedrigeren Steuerbetrag beschränkt wurde.
1. Die Klägerin wendet sich dagegen, daß das FG unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des RFH und des BFH (vgl. die BFH-Urteile II 174/63 U vom 29. Januar 1964, BFHE 78, 413, 415, BStBl III 1964, 160; II 30/61 U vom 10. Juni 1964, BFHE 80, 32, 37, BStBl III 1964, 486 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Urteil II 50/64 vom 27. Juni 1967, BFHE 89, 573) die Erbengemeinschaft als selbständiges Rechtssubjekt behandelt und deshalb die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des II. GrEStLandG - weil auf den Erwerb durch natürliche Personen zugeschnitten - nicht angewandt habe. Die Erbengemeinschaft sei keine juristische Person und werde im Rechtsverkehr auch nicht - wie etwa die Handelsgesellschaften oder der rechtsfähige Verein - einer juristischen Person gleichgestellt. Wenn sogar die eherechtliche allgemeine Gütergemeinschaft, obwohl auf Bestand angelegt und deshalb fester gefügt, grunderwerbsteuerrechtlich nicht als selbständige Rechtspersönlichkeit behandelt werde (vgl. BFH-Urteil II 49/63 vom 4. April 1967, BFHE 88, 388), müsse dies - bei Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 3 GG - auch für die auf Auseinandersetzung eingerichtete Erbengemeinschaft gelten.
Demgegenüber ist jedoch zu beachten, daß bei der ehelichen Gütergemeinschaft jeder Ehegatte für sich erwirbt und daß erst sein Erwerb kraft Gesetzes (§ 1416 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB) in das Gesamtgut fällt. Auch gibt es bei der Gütergemeinschaft keine variablen Anteile, noch sind solche - wie bei der Erbengemeinschaft - veräußerlich. Bei der Erbengemeinschaft dagegen liegen die Anteile zwar fest; jeder Miterbe kann aber über seinen Anteil am Nachlaß verfügen (§ 2033 Abs. 1 BGB), der selbständiger Gegenstand des Rechtsverkehrs ist. Die Erbengemeinschaft ist auch bürgerlichrechtlich derart verselbständigt, daß selbst bei Gleichheit der Personen und der Beteiligungsverhältnisse zwei Erbengemeinschaften nach verschiedenen Erblassern verschiedene Rechtsträger sind. Die Grundstücksübertragung zwischen solchen Erbengemeinschaften bedarf der Auflassung. Zwar schreibt das Grunderwerbsteuergesetz nicht ausdrücklich vor, daß die Erbengemeinschaft im Grunderwerbsteuerrecht als selbständiger Rechtsträger zu behandeln ist, wenn auch die Vorschriften der §§ 5 bis 7 GrEStG 1940 grundsätzlich davon ausgehen (vgl. zum steuerfreien Wechsel im Personenstand und zu § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG 1940 auch BFHE 80, 36 zu II 2). Die grunderwerbsteuerrechtliche Selbständigkeit folgt vielmehr aus den obigen Vorgegebenheiten des bürgerlichen Rechts und verbietet deshalb (wie schon mehrfach entschieden; BFHE 78, 415 mit Nachweisen) die Anwendung der Zurechnungsvorschrift des § 11 Nr. 5 StAnpG, abgesehen davon, daß bei Anwendung dieser Vorschrift bei anderen Gesamthandgemeinschaften mit variablen Anteilen jede Änderung der Zurechnungsquote der Grunderwerbsteuer unterliegen müßte.
Ist die Erbengemeinschaft selbständiger Rechtsträger, so ist sie auch selbst Steuerschuldner im Sinne des § 15 GrEStG 1940, § 97 Abs. 1 AO. Allerdings muß die Erbengemeinschaft, da sie als solche keinen Namen und keinen gesetzlichen Vertreter hat, im Steuerbescheid jedenfalls durch die Angabe der Namen der einzelnen Miterben charakterisiert werden. Der Steuerbescheid ist "an die Erbengemeinschaft Frau A. X. und Fräulein B. X." - beide mit derselben Anschrift - gerichtet. Damit ist jedenfalls im vorliegenden Falle die Steuerschuldnerschaft der Miterben in ihrer erbengemeinschaftlichen Verbundenheit ausreichend gekennzeichnet. Der Einwand, der Steuerbescheid sei unklar an Frau A. X. oder Fräulein B. X. adressiert, greift nicht durch, weil - auch für den schriftkundigen Laien erkennbar - nicht nur ein Schriftvergleich des ganzen Steuerbescheides die Abkürzung "u." (und nicht als ohnehin ungebräuchliche Abkürzung "o." für oder) erkennen läßt, vielmehr auch deshalb, weil der Steuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung Gegenstand des Verfahrens geworden ist (§ 44 Abs. 2 FGO) und weil auch die Einspruchsentscheidung ein maschinengeschriebenes "und" ausweist.
2. Die Klägerin hat es wegen der neueren Rechtsprechung des BFH letztlich selbst dahingestellt gelassen, ob die Erbengemeinschaft Steuersubjekt auf dem Gebiete der Grunderwerbsteuer ist. Dabei ist zwar - worauf die Klägerin hinweist - vergleichsweise bemerkenswert, daß Ertragsteuersenate des BFH z. B. Gesellschaftern einer Personengesellschaft (KG) die Sonderabsetzungen nach § 7b EStG (BFH-Urteil IV 185/65 S vom 25. November 1965, BFHE 84, 246, BStBl III 1966, 90) und einen niedrigeren Steuersatz des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG zugebilligt haben, wenn sich natürliche Personen in ihrer Verbundenheit als OHG an der Kapitalgesellschaft beteiligten (BFH-Urteil I 173/60 S vom 2. November 1960, BFHE 72, 20, BStBl III 1961, 9). Die dort ausdrücklich als maßgebend bezeichneten ertragsteuerrechtlichen Grundsätze können aber nicht unbesehen auf die Grunderwerbsteuer übernommen werden, die als Steuer vom Rechtsverkehr den ihr eigenen Gesetzlichkeiten folgt (vgl. BFH-Beschluß II B 9/68 vom 9. Juli 1968, BFHE 92, 293, 296, BStBl II 1968, 590; BFH-Urteil II R 141/67 vom 2. März 1971, BFHE 102, 129, 132, BStBl II 1971, 532). Wenn auch das Grunderwerbsteuerrecht die Erbengemeinschaft als selbständigen Rechtsträger behandelt, so ändert dies allerdings nichts daran, daß bürgerlich-rechtlich das Eigentum dieser Gemeinschaft Eigentum der Miterben, wenn auch in gesamthänderischer Bindung ist. Der Grundsatz der selbständigen Rechtsträgerschaft der Erbengemeinschaft für das Grunderwerbsteuerrecht findet also dort seine Grenze, wo es das Wesen dieser Gemeinschaft als eines letztlich personenrechtlichen Verhältnisses und der Sinn und Zweck der jeweils in Betracht kommenden Grunderwerbsteuervorschrift fordern. Jedenfalls müssen die personenbezogenen Eigenschaften, die bei den an der Gemeinschaft Beteiligten vorliegen, auch der Gemeinschaft zugerechnet werden. Das gilt z. B. für den Begriff des Vertriebenen (BFH-Urteil II 109/64 vom 21. März 1968, BFHE 92, 517, BStBl II 1968, 619) oder für das Verwandtschaftsverhältnis bei Gesellschaftern der OHG (BFH-Urteil II 142/63 vom 25. Februar 1969, BFHE 95, 292, 296 f., BStBl II 1969, 400 mit weiteren Nachweisen). Es ist kein Grund ersichtlich, daß für den Begriff der "natürlichen Person", die einen "Betrieb ... selbst bewirtschaftet" (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 des II. GrEStLandG), anderes gelten sollte. Sind die Miterben Landwirte und bewirtschaften sie in Erbengemeinschaft einen den Erfordernissen des Gesetzes entsprechenden Betrieb, so ist nicht einzusehen, weshalb der Zweck des Gesetzes, die "Verbesserung der inneren Verkehrslage land- und forstwirtschaftlicher Betriebe" (siehe Überschrift des Gesetzes), nicht auch durch einen Aufstockungserwerb durch Landwirte in ihrer Verbundenheit als Erbengemeinschaft erfüllt werden könnte. Dieses Ergebnis liegt im Rahmen des möglichen Wortsinnes des aus sich selbst heraus auszulegenden Gesetzes. Es handelt sich um einen mehrfach geänderten Initiativgesetzentwurf (Landtag von Baden-Württemberg, 3. Wahlperiode 1960 bis 1964, Beilagen Bd. VII, Beilage 3255, Bd. VIII, Beilage 3741, Bd. VIII a, Beilage 3815, Bd. IX, Beilage 4081). Subjektive Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten sind nicht entscheidend (vgl. die Nachweise der Rechtsprechung auch des BVerfG bei Boruttau-Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., Vorbemerkung vor § 1 Tz. 15), also auch nicht die vom FG zitierten Ausführungen eines Abgeordneten (Landtag von Baden-Württemberg, 3. Wahlperiode, Protokollband VI, 108. Sitzung S. 7364/5). Die gegenteilige Auffassung des Finanzministeriums Baden-Württemberg in dem Erlaß vom 8. September 1966 S 4506 A-5/66 Tz. 11 (vgl. schon den Erlaß des Finanzministeriums vom 5. Mai 1964 S 4504 A - St 442, Tz. 11.12), auf den das FG noch verweist, entspricht der damals noch mehr formalen Betrachtung des Begriffs des selbständigen Rechtsträgers.
Aus den unbestrittenen, mit dem den Angaben in der notariellen Urkunde übereinstimmenden Vorbringen der Klägerin - nicht aber aus den Feststellungen des FG - ergibt sich zwar, daß die Miterbinnen Landwirtinnen sind. Das FG hat aber, da bei seiner Beurteilung dazu kein Anlaß bestand, ferner nicht festgestellt, ob die weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des II. GrEStLandG eines Aufstockungserwerbs (in Verbindung mit § 3 Abs. 2 bis 4 dieses Gesetzes) vorliegen. Demnach war die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
3. Auf die Frage der Steuervergünstigung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 ist die Klägerin in dieser Instanz nicht mehr zurückgekommen. Die Entscheidung des FG in diesem Punkt entspricht der Rechtsprechung des BFH, wie sie noch in dem Urteil II 139/64 vom 29. Juni 1966 (BFHE 86, 691, BStBl III 1966, 631), also zur Zeit des Ergehens des FG-Urteils, wiedergegeben ist. Allerdings hat der BFH in einem Aussetzungsverfahren gemäß § 69 FGO (vgl. Beschluß II B 58/69 vom 17. Februar 1970, BFHE 98, 17, BStBl II 1970, 333) es als ernstlich zweifelhaft bezeichnet, ob bei einem gemischten Tausch zur besseren Gestaltung - dort - von Bauland, bei dem die Aufzahlung nicht nur dem Spitzenausgleich dient, die Steuerbefreiung ganz entfällt oder insoweit zu gewähren ist, als für sich allein ein begünstigter Tausch vorläge. Das könnte bedeuten, daß hinsichtlich des mit dem niedrigeren Wert veranschlagten Grundstücks das Tauschelement in vollem Umfang zu bejahen wäre (vgl. auch das allerdings nicht rechtskräftige Urteil des FG Münster IV 943/70 GrE vom 18. Mai 1972, EFG 1972, 556). - Es wäre gegebenenfalls auch noch zu prüfen, ob nicht aus der Sicht des mit der jeweiligen Befreiungsvorschrift verfolgten Zwecks hinsichtlich des hier zu beurteilenden Erwerbsvorganges die Grundsätze der BFH-Urteile II 135/62 vom 16. Februar 1966 (BFHE 85, 298, BStBl III 1966, 318) und II R 96/66 vom 21. Dezember 1966 (BFHE 88, 250, BStBl III 1967, 345) hier eingreifen. (Nach der FA-Akte könnte der Erwerb des Tauschpartners - allerdings wohl nach anderen Vorschriften und möglicherweise nicht endgültig - befreit sein.)
Im Streitfall liegt zwar eine Zweckdienlichkeitsbescheinigung des Landwirtschaftsamtes vor. Beklagter und FG haben die Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 bereits deshalb abgelehnt, weil wegen zu hoher Zuzahlung kein Austausch von Grundstücken vorliege. Weitere Feststellungen hinsichtlich der übrigen von der Finanzverwaltung in eigener Zuständigkeit zu prüfenden Voraussetzungen (vgl. die BFH-Urteile II 70/56 U vom 16. Dezember 1959, BFHE 71, 58, 61, BStBl III 1960, 270; II 153/56 U vom 16. Dezember 1959, BFHE 71, 62, 69, 70, BStBl III 1960, 271, und II 30/59 U vom 14. Dezember 1960, BFHE 72, 281, 284, BStBl III 1961, 105) haben der Beklagte und das FG - bei ihrer Beurteilung - nicht getroffen. Da die Sache bereits aus anderen Erwägungen an das FG zurückzuverweisen war, konnte der BFH in der o.a. Rechtsfrage zu § 4 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrEStG 1940 der Entscheidung des FG nicht vorgreifen, zumal offen ist, ob es auf die Entscheidung dieser Frage überhaupt noch ankommt.
Fundstellen
Haufe-Index 70363 |
BStBl II 1973, 370 |
BFHE 1973, 261 |