Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Landwirtschaft bei einer Weinbau betreibenden Personengesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Ein mit einem Pachtvertrag gekoppelter Bewirtschaftungsvertrag vermittelt dem Verpächter (Eigentümer und Winzer) nur dann Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, wenn die Lieferung des produzierten Weins an den Pächter und die dafür gewährte Vergütung nach den Gesamtumständen des Falles auf einen verdeckten Kaufvertrag und nicht auf einen Dienstleistungsvertrag schließen lassen.
2. Erzielt eine Weinbau betreibende Personengesellschaft auf Grund eines Dienstleistungsvertrags gewerbliche Einkünfte, die nicht von untergeordneter Bedeutung sind, so gilt ihre Tätigkeit in vollem Umfang als Gewerbebetrieb. Die § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu Grunde liegende Abfärbetheorie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
EStG §§ 13, 15 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (EFG 2000, 215) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der Weinkellerei H. Als KG verwaltet und betreibt sie das Weingut A in B.
Die Weinkellerei H hatte 1973 einen Teil (ca. 18 ha) ihrer Weinberge der Sektkellerei C in D (Pächterin) verpachtet und mit der Pächterin zugleich einen "Bewirtschaftungsvertrag" geschlossen, dessen Laufzeit von 10 Jahren der des Pachtvertrags entsprach. Ziel dieser Vertragsgestaltung war es, seitens der Pächterin ―ohne die Weinberge selbst bearbeiten zu müssen― weinrechtlichen Bestimmungen zu genügen, wonach die Kennzeichnungen "Erzeugerabfüllung" und "Weingut" nur verwendet werden dürfen, wenn die verarbeiteten Trauben von Rebflächen des Erzeugerbetriebs stammen, die auch gepachtet sein können.
Nach dem Pachtvertrag stand der Pächterin der gesamte Ernteertrag aus den Pachtflächen zu und sie trug "alle Risiken, die mit dem Ernteertrag verbunden sind" (§ 4 Abs. 2 des Pachtvertrags). Im Übrigen sah der mit einer stillschweigenden Verlängerungsklausel versehene Pachtvertrag vor, dass der Pachtzins eine Verzinsung des im Pachtgegenstand und im anteiligen Gebäudevermögen gebundenen Kapitals der H von jährlich 2 v.H. und einen Ersatz der Abschreibungen auf die Rebanlagen der verpachteten Weinberge von jährlich 4,5 v.H. einschließe. Danach betrug die Jahrespacht 93 000 DM (66 000 DM Kapitalverzinsung und 27 000 DM Kostenersatz für Abschreibungen auf Rebanlagen). Der Vertrag sah eine Wertsicherungsklausel vor, wonach die "mittelfristige Tendenz der Weinpreise, die Entwicklung der Grund- und Bodenpreise für vergleichbare Rebflächen sowie die Rentabilität des Weingeschäftes aus den verpachteten Rebflächen" eine Anpassung rechtfertigen sollten. Nach dem Pachtvertrag hatte die H ferner Nachpflanzungen in den verpachteten Rebflächen sowie Rodungen und Neuanlagen vorzunehmen.
Der Pachtvertrag enthielt bereits die Verpflichtung der H, die Bewirtschaftung der verpachteten Flächen nach Weisung der Pächterin zu gewährleisten. Hierüber wurde dann zusätzlich der Bewirtschaftungsvertrag abgeschlossen, der für die Bewirtschaftungstätigkeit der H bzw. der Klägerin einen Ersatz der auf die bewirtschafteten Flächen entfallenden Kosten nach dem Verhältnis der im Ertrag stehenden Rebflächen vorsah und im Bereich der Kellerwirtschaft eine "Leistungsverrechnung" nach bestimmten Verrechnungssätzen festlegte. Der Bewirtschaftungsvertrag sah ferner ein Weisungsrecht der Pächterin vor und bestimmte in einer ergänzenden Protokollnotiz, dass H die "Garantie für einwandfreie Beschaffenheit und Haltbarkeit der Vertragsweine" zu übernehmen habe.
H und später auch die Klägerin erklärten die Einkünfte aus dem Pacht- und Bewirtschaftungsvertrag ebenso wie ihre Einkünfte aus den selbstbewirtschafteten, nicht verpachteten Flächen von weiteren 20 ha als solche aus Land- und Forstwirtschaft.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) sah die Bewirtschaftungstätigkeit der Klägerin nach einer Betriebsprüfung hingegen als gewerblich an, ordnete daher deren gesamte Tätigkeit ab dem Wirtschaftsjahr 1986/87 den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu und erließ u.a. den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid für 1988, dem ein Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1987/88 in Höhe von 72 360 DM zu Grunde lag.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 215 veröffentlichten Begründung statt. Darin führte es u.a. aus:
Die Klägerin habe keinen Gewerbebetrieb, sondern einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten. Mit dem Weinbau habe sie Urproduktion betrieben. Dies gelte jedenfalls für die Jahre bis zur Verpachtung, denn auch die Herstellung des Weines werde von dem Begriff Weinbau erfasst. Der Pacht- und auch der Bewirtschaftungsvertrag hätten hieran nichts geändert, obwohl die Klägerin insoweit nicht (mehr) auf eigene Rechnung gewirtschaftet habe.
Die Verpachtung selbst ändere nichts an der Einkunftsart Land- und Forstwirtschaft, solange nicht die Betriebsaufgabe erklärt werde (Senatsurteil vom 13. Februar 1997 IV R 57/96, BFH/NV 1997, 649). Aber auch die mit dem Bewirtschaftungsvertrag verbundenen Dienstleistungen führten nicht zur Annahme gewerblicher Einkünfte, weil diese Tätigkeit ihrem Gesamtbild nach dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen sei. Allerdings könne die Frage nicht dahinstehen, ob die Leistungen aufgrund des Bewirtschaftungsvertrags gewerblich seien, denn diese Leistungen seien nicht für einen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern für einen Gewerbebetrieb, die Sektkellerei, erbracht worden, weshalb die Vereinfachungsregelung in Abschn. 135 Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1987 nicht anwendbar sei. Zwar betrügen die aus dem Bewirtschaftungsvertrag erzielten Umsätze weniger als ein Drittel des Gesamtumsatzes; eine analoge Anwendung einer Vereinfachungsregel der Finanzverwaltung (hier auf die Erbringung von Dienstleistungen auch gegenüber Gewerbebetrieben) sei aber nicht möglich. Daher sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu prüfen, ob die streitige Betätigung gewerblich sei (Abschn. 135 Abs. 6 Satz 3 EStR 1987).
Für die Gesamtwürdigung sei von besonderer Bedeutung, dass die beiden Verträge eine Einheit bildeten (gleiche Laufzeit und inhaltliche Verknüpfung beider Verträge). Es liege kein typisches Pachtverhältnis vor. Dem Pächter werde zwar der unmittelbare Besitz der gepachteten Flächen überlassen, der Bewirtschaftungsvertrag hebe diese Besitzüberlassung aber wieder auf. Denn einerseits habe der Sektkellerei eine bestimmte Fläche kraft Pachtvertrags überlassen werden sollen, andererseits aber habe der Verpächter die Rolle übernommen, die sonst dem Pächter zukomme, nämlich die verpachtete Fläche selbst bewirtschaftet und den Ertrag an den Pächter geliefert. Wirtschaftlich gesehen handele es sich daher um einen Kaufvertrag über den Wein einer genau bestimmten Anbaufläche mit der Folge, dass der Wein als Erzeugnis des Verpächters anzusehen sei, der die Urproduktion betreibe.
Dieser Würdigung widersprächen auch die weinrechtlichen Gründe nicht, die von der Klägerin für diese Rechtskonstruktion angeführt worden seien. Das Weisungsrecht des Pächters sei weinrechtlich erforderlich, es stelle sicher, dass dieser auf die Qualität der Weine für die Sektherstellung Einfluss nehmen könne; zugleich erlange er aber auch hinsichtlich der Kosten eine gesicherte Kalkulationsgrundlage. Dem entspreche andererseits der Vorteil des Verpächters, dessen Absatz zu voraussehbaren Preisen gesichert sei.
Die Preisgestaltung zeige ebenfalls, dass die Verträge eine Einheit seien. Denn während bei reinen Pachtverhältnissen der Pachtzins entweder fest oder von der Ernte abhängig vereinbart werde, sei das Pachtentgelt im Streitfall auf eine Vergütung der zu liefernden Weine ausgerichtet. So sei im Pachtzins eine Verzinsung u.a. auch des im anteiligen Gebäudevermögen gebundenen Kapitals der Klägerin enthalten, obgleich die Betriebsgebäude nicht Gegenstand der Nutzungsüberlassung seien. Auch die Regelung des Kostenersatzes spreche dafür, dass die Klägerin mit vollem Ernterisiko gearbeitet habe, da eine Vergütung nur entsprechend der verarbeiteten Traubenmenge angefallen sei.
Zwar trage die Pächterin nach § 4 Abs. 2 des Pachtvertrags alle mit dem Ernteertrag verbundenen Risiken; dies entspreche aber den Verhältnissen bei reinen Pachtverträgen mit einem festen Hektar-Pachtzins, die ebenfalls nicht zum Verlust der Einordnung der Einkünfte des Verpächters als land- und forstwirtschaftliche führten.
Das einer Weinlieferungsvereinbarung entsprechende Gesamtbild werde auch durch die Gewährleistungsregelung in Ziff. 13 der ergänzenden Protokollnotiz bestätigt, wonach die Klägerin die Garantie für einwandfreie Beschaffenheit und Haltbarkeit der Weine für die Dauer von zwei Jahren zu übernehmen habe. Bei dieser Sachlage könne dahinstehen, ob die sog. Abfärbetheorie in § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verfassungswidrig sei.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und kommt zu dem Ergebnis, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei die von der Klägerin auf der Grundlage des Bewirtschaftungsvertrags ausgeübte Tätigkeit mit der Folge als gewerblich zu beurteilen, dass ihre gesamten Einkünfte nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb umqualifiziert würden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, zumindest teilweise trage auch sie das Risiko der Urproduktion, denn der Kostenersatz sei nach dem Bewirtschaftungsvertrag davon abhängig, dass die Rebanlagen tatsächlich Erträge bringen, und die Verrechnungspreise würden nur entsprechend der verarbeiteten Menge in Rechnung gestellt, so dass die Vergütung produktionsabhängig sei.
Die Regelung zum Pachtentgelt sei zwar ungewöhnlich, aber als Bestandteil der Preisvereinbarung für den zu liefernden Wein ohne weiteres verständlich. Die mit dem Pachtverhältnis nicht zusammenhängende Einbeziehung der Abschreibungen des Gebäudevermögens sei nur als Preisbestandteil für die Gesamtleistung, die Lieferung des Weins nämlich, zu erklären. Für die Frage der Zurechnung des Ernterisikos sei der ortsübliche Pachtzins jedenfalls nicht entscheidungserheblich.
Beide Verträge seien als Einheit zu betrachten, die letztlich auf den Verkauf des Weins gerichtet seien. Die unübliche Gestaltung sei allein aus weinrechtlichen Gründen gewählt, die auch ein Weisungsrecht des Pächters voraussetzten. Deshalb sei der gewollte Kaufvertrag nur formal in einen Pacht- und Bewirtschaftungsvertrag gekleidet worden.
Voraussetzung für die Zurechnung land- und forstwirtschaftlicher Einkünfte sei nicht das "Risiko der Urproduktion" sondern lediglich das Unternehmerrisiko. Insoweit unterscheide sich die Land- und Forstwirtschaft nicht vom Gewerbebetrieb. Als Abgrenzungsmerkmal zwischen einzelnen betrieblichen Einkunftsarten sei das Unternehmerrisiko ungeeignet. Sie, die Klägerin, habe Urproduktion betrieben, denn die allgemeine Bezeichnung der Einkunftsart Land- und Forstwirtschaft werde durch Typusbegriffe ergänzt. Dazu gehöre der Weinbau, den sie betrieben habe.
Demgegenüber habe sie keine gewerblichen Leistungen erbracht. Auch in anderen Fällen sei anerkannt, dass landwirtschaftliche Tätigkeiten, die für fremde Rechnung durchgeführt würden, den land- und forstwirtschaftlichen Charakter der Einkünfte nicht in Frage stellten; so etwa bei der Pensionstierhaltung oder bei der Erzeugung sog. Pachttrauben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht die Schlussfolgerung, der mit einem Bewirtschaftungsvertrag verbundene Pachtvertrag sei wirtschaftlich gesehen ein Kaufvertrag über den von der Klägerin erzeugten Wein.
1. Gemäß § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende, als gewerbliches Unternehmen i.S. des EStG zu verstehende Gewerbebetrieb. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG liegt jedoch ein Gewerbebetrieb dann nicht vor, wenn die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft anzusehen ist. Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zählen auch die Einkünfte aus dem Weinbau (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG), der die Herstellung von Trauben durch Bodenbewirtschaftung zum Gegenstand hat. Zu dieser Form der Urproduktion zählt auch die Verarbeitung der Trauben zu Wein (Keltern, kellermäßige Behandlung; Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Februar 1987 III R 270/83, BFH/NV 1988, 85, und vom 11. Oktober 1988 VIII R 419/83, BFHE 155, 298, BStBl II 1989, 284). Der diese Tätigkeit abschließende Verkauf der Produktion ist dann landwirtschaftliches Hilfsgeschäft und nicht gewerblicher Handel.
Erbringt der Winzer diese Arbeiten jedoch aufgrund eines mit einem anderen Landwirt geschlossenen Dienstleistungsvertrags, so kann insoweit eine gewerbliche Tätigkeit vorliegen, die bei einer Personengesellschaft zu einer Umqualifizierung aller ihrer Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb führt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Die Abgrenzung der land- und forstwirtschaftlichen von der gewerblichen Betätigung nimmt die Finanzverwaltung nach einer Regelung in Abschn. 135 Abs. 6 der für das Streitjahr geltenden EStR 1987 vor. Danach wird auf die Prüfung, ob eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt, verzichtet, wenn die Dienstleistungen ausschließlich für andere land- und forstwirtschaftliche Betriebe erbracht werden und die Einnahmen daraus nicht mehr als ein Drittel des Gesamtumsatzes des eigenen Betriebs betragen; andernfalls ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden, ob die Tätigkeit und damit der gesamte Betrieb hier der Personengesellschaft den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb zuzuordnen ist.
2. a) Zutreffend hat das FG entschieden, dass die Vereinfachungsregelung in Abschn. 135 Abs. 6 EStR 1987 im Streitfall schon deshalb keine (unmittelbare) Anwendung findet, weil die Dienstleistungen ―sollten solche vorliegen― gegenüber einem gewerblichen Unternehmen, der Sektkellerei der Pächterin, erbracht worden sind, und dass aber auch eine analoge Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift ausscheidet. Gegenstand rechtsanwendender Auslegung oder Rechtsfortbildung, etwa durch Analogie, ist nur ein Gesetzestext. Danach aber kann für das Verständnis einer Verwaltungsvorschrift nicht maßgebend sein, wie das Gericht eine solche Bestimmung verstünde, wenn sie etwa Gesetz wäre; entscheidend ist vielmehr, wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Dürfen die Gerichte daher Verwaltungsanweisungen nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (s. nur BFH-Urteil vom 24. Oktober 2000 VI R 65/99, BFHE 193, 361, BStBl II 2001, 109, m.w.N. zu 3. der Entscheidungsgründe), so folgt die Unzulässigkeit einer Analogie verwaltungsbehördlicher Regelungen bereits aus dieser Beschränkung der Auslegungsbefugnis.
b) Entgegen der Auffassung der Revision hängt die Entscheidung, ob gewerbliche oder landwirtschaftliche Einkünfte erzielt wurden, auch nicht von der Frage ab, wer das Risiko der Urproduktion getragen hat. Zu Unrecht macht das FA deshalb geltend, das Risiko der Urproduktion falle der Pächterin zu, weil sie nach dem Pachtvertrag alle mit dem Ernteertrag verbundenen Risiken zu tragen habe, wohingegen das von der Klägerin zu tragende Risiko demgegenüber nicht ins Gewicht gefallen sei. Es ist zwar richtig, dass derjenige, der landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringt, nicht die mit dem Ernteertrag verbundenen Risiken trägt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Fälle landwirtschaftlicher Einkünfteerzielung, in denen der Unternehmer nicht mit dem Risiko des Ernteertrages belastet ist, so etwa beim verpachteten landwirtschaftlichen Betrieb oder wenn es demjenigen, der auf eigenem oder gepachtetem Grund und Boden landwirtschaftliche Produkte erzeugt, gelingt, das Risiko eines schlechten Ertrages auf den Erwerber der Ernte abzuwälzen. Zu Recht hat die Klägerin deswegen eingewandt, dass das "Risiko der Urproduktion" kein Tatbestandsmerkmal landwirtschaftlicher Betätigung ist. Voraussetzung ist lediglich das auch in den Merkmalen des § 15 Abs. 2 EStG angesprochene Unternehmerrisiko, das aber deshalb kein taugliches Abgrenzungsmerkmal der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft ist, weil es sowohl der gewerbliche Unternehmer als auch der Landwirt tragen muss. Daraus folgt aber zugleich, dass der Umfang der den Vertragsbeteiligten zugewiesenen Unternehmerrisiken kein Maßstab für die Beurteilung der Frage sein kann, welcher Einkunftsart die Pachteinnahmen und Bewirtschaftungsentgelte der Klägerin zuzurechnen sind.
c) Der erkennende Senat kann dem FG jedoch nicht darin folgen, dass bereits die beabsichtigte Einheit von Pacht- und Bewirtschaftungsvertrag, ihr weinrechtlicher Hintergrund und die in beiden Verträgen geregelte Vergütung der Klägerin die Annahme rechtfertigen, die Vereinbarungen seien wirtschaftlich auf den Verkauf der Ernte gerichtet.
Das FG hat hierzu festgestellt, dass der Pachtzins eine Verzinsung des im Pachtgegenstand und im anteiligen Gebäudevermögen gebundenen Kapitals der Klägerin enthalte und zusätzlich einen pauschalierten Kostenersatz für Nachpflanzungen vorsehe. Daraus folgt ein jährlich gleichbleibender, allenfalls an die Geldwertverhältnisse anzupassender Betrag, der allein nicht den Schluss auf einen Verkauf der Ernte zulässt, die von Jahr zu Jahr in unterschiedlicher Qualität und Menge anfällt und marktabhängigen Preisschwankungen unterliegt. Allerdings hängt die Leistungsverrechnung nach dem Bewirtschaftungsvertrag weitgehend von der Erntemenge ab. Dies gilt sowohl für die außenwirtschaftliche Bearbeitung der Rebflächen, als auch für den Bereich der Kellerwirtschaft. Nach den Feststellungen des FG handelt es sich dabei aber um einen bloßen Kostenersatz, der keine für einen Kaufvertrag typische Gewinnspanne vorsieht.
3. Bei erneuter Verhandlung wird das FG daher festzustellen haben, ob das gegebene Vertragsgeflecht doch eine mengenabhängige Preisgestaltung vorsieht oder ob langfristig geschlossene Kaufverträge mit garantierten, mengenunabhängigen Preisen und festen Abnahmeverpflichtungen branchentypisch sind, so dass unter Umständen auch eine mengenunabhängige Vergütung im Streitfall für einen Verkauf der Ernte sprechen könnte.
a) Sollte das FG nach erneuter Verhandlung zu dem Schluss gelangen, die Verträge seien nach dem Willen der Vertragsparteien tatsächlich auf den Verkauf der Ernte gerichtet und in dieser Weise abgewickelt worden, so hätte sich die Klägerin ―wie zuvor insgesamt und später (bei Außerachtlassen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) hinsichtlich ihrer nicht verpachteten 20 ha Rebflächen― auch weiterhin insgesamt landwirtschaftlich betätigt.
b) Ist hingegen nicht von einem Verkauf der Ernte auszugehen, weil die Verträge neben einem festen Pachtzins lediglich einen Kostenersatz als Bewirtschaftungsentgelt vorsehen, so hätte die Klägerin eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet, die nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auch ihre übrigen Einkünfte zu gewerblichen Einkünften machen würde.
aa) Die von den Vertragsbeteiligten beabsichtigte Abhängigkeit beider Verträge voneinander stünde dieser Würdigung nicht entgegen. Die der Einheit von Pacht- und Bewirtschaftungsvertrag zu Grunde liegenden wein- und bezeichnungsrechtlichen Besonderheiten fanden allein im Interesse der Pächterin Berücksichtigung. Über die Zupachtung von Rebflächen erwirbt der Pächter das Recht, sich als "Erzeuger" zu bezeichnen (Art. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2238/93 vom 26. Juli 1993, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 200 S. 10) und die Weine als Erzeugerabfüllung zu deklarieren (Art. 2 Abs. 3 Buchst. f der Verordnung (EWG) Nr. 2392/89 vom 24. Juli 1989, ABlEG Nr. L 232 S. 13 "Weinbezeichnungs-Verordnung", und Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 3201/90 vom 16. Oktober 1990, ABlEG Nr. L 309 S. 1 "Bezeichnungs-Verordnung AVO"), und erhöht damit seine Vermarktungschancen (s. auch Schild, Die Information über Steuer und Wirtschaft ―Inf― 1997, 549). Diese Gütegarantie "von der Rebe bis zur Flasche" (s. Koch, Weinrecht, 4. Aufl., Frankfurt/Main 1995/2000, Erzeuger 3.1.) bedingt auch das im Streitfall vereinbarte Weisungsrecht der Pächterin. Die betriebswirtschaftlichen Vorteile dieser Konstruktion für die Klägerin sind kontinuierliche Traubenlieferungen und garantierte Preise, sowie eine optimale Ausnutzung ihrer Produktionskapazitäten. Diese Erwägungen ändern indessen nichts daran, dass der Bewirtschaftungsvertrag als Dienstleistungsvertrag zu würdigen sein könnte.
bb) In diesem Fall wären auch die Einnahmen aus dem Pachtvertrag den gewerblichen Einkünften zuzurechnen. Das FG hat zwar zutreffend ausgeführt, dass die Nutzungsüberlassung allein nicht zu einer Umqualifizierung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft führen würde, wohl aber eine damit verbundene gewerbliche Betätigung. Allerdings könnten die Verpachtungsgrundsätze entgegen der Auffassung des FG im Streitfall deshalb keine Anwendung finden, weil die Klägerin nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet hatte, sondern weitere 20 ha nicht in die Verpachtung einbezogen hatte.
cc) Eine Annahme gewerblicher Einkünfte würde auch verfassungsmäßige Rechte der Klägerin nicht verletzen. Wie der BFH mehrfach entschieden hat, führt die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern, denn der Eintritt der Abfärbewirkung kann durch Ausgliederung der gewerblichen Tätigkeit auf eine personenidentische zweite Gesellschaft vermieden werden (BFH-Urteile vom 10. August 1994 I R 133/93, BFHE 175, 357, BStBl II 1995, 171, und vom 8. Dezember 1994 IV R 7/92, BFHE 176, 555, BStBl II 1996, 264; in gleichem Sinne zur früheren Rechtslage Senatsurteil vom 13. Oktober 1977 IV R 174/74, BFHE 123, 505, BStBl II 1978, 73). Daran ist auch im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG vom 23. Juli 1997 IV 317/91 (EFG 1997, 1456) an das Bundesverfassungsgericht festzuhalten. Die unterschiedliche Behandlung von Einzelunternehmern und Personengesellschaften ist sachlich gerechtfertigt. Das Steuerrecht folgt nämlich den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, die auf der Vorstellung beruhen, dass Personengesellschaften nur eine einheitliche Tätigkeit ausüben können und dass diese insgesamt kaufmännisch anzusehen ist, wenn diese Voraussetzungen auch nur partiell erfüllt sind (s. nur Senatsurteil vom 13. November 1997 IV R 67/96, BFHE 184, 512, BStBl II 1998, 254, m.w.N., zu 2. d der Entscheidungsgründe). Nur bei einem sehr geringen und im Streitfall wohl auszuschließenden Anteil der gewerblichen Tätigkeit greift die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht ein (BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229).
Fundstellen
Haufe-Index 676144 |
BFH/NV 2002, 573 |
BStBl II 2002, 221 |
BFHE 197, 400 |
BFHE 2002, 400 |
BB 2002, 712 |
DB 2002, 977 |
DStRE 2002, 411 |
HFR 2002, 493 |
StE 2002, 120 |