Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs.3 GrEStG kann nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar, darüber hinaus auch teils unmittelbar, teils mittelbar erfolgen (Anschluß an BFHE 116, 406, BStBl II 1975, 834).
2. Für die Entscheidung, ob eine Anteilsvereinigung vorliegt, ist es ohne Bedeutung, ob an dem Handelsgewerbe einer Gesellschaft eine stille Beteiligung besteht.
Normenkette
GrEStG BE § 1 Abs. 3; GrEStG 1983 § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
FG Berlin (Entscheidung vom 05.03.1987; Aktenzeichen I 33/85) |
Tatbestand
Die X-AG war 1975 Eigentümerin von Grundbesitz in Berlin.
An der X-AG beteiligt waren die Y-GmbH zu 50 v.H., die Z-GmbH zu 48 1/3 v.H. und A zu 1 2/3 v.H. Gesellschafter der Z-GmbH waren der Kläger und B je zur Hälfte des Stammkapitals von 100 000 DM. A war im übrigen als atypisch stiller Gesellschafter an dem Handelsgewerbe der Z-GmbH beteiligt (mit 1/3 am Ergebnis und mit 15 v.H. an den stillen Reserven für den Fall der Auflösung). Der Kläger erwarb am 3.Oktober 1975 von der Y-GmbH die ihr gehörigen Aktien der X-AG. Er erwarb ferner durch notariell beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrag vom 8.November 1975 die Anteile des B an der Z-GmbH, wodurch er Alleingesellschafter der Z-GmbH wurde.
Das beklagte Finanzamt (FA) sah in der Anteilsabtretung vom 8.November 1975 grunderwerbsteuerrechtlich eine mittelbare Anteilsvereinigung hinsichtlich der Aktien der X-AG im Ausmaß von 98 1/3 v.H. Es setzte durch den angefochtenen Steuerbescheid Grunderwerbsteuer nach der unstreitigen Bemessungsgrundlage fest.
Nach erfolglosem Einspruch hat der Kläger Klage erhoben und geltend gemacht, daß er mit dem Anteilserwerb vom 8.November 1975 keinen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang verwirklicht habe. Er begründete dies damit, daß seine Beteiligung an der grundstücksbesitzenden X-AG unter Berücksichtigung der stillen Beteiligung des A an der Z-GmbH höchstens 93,94 v.H., also weniger als die erforderlichen 95 v.H. betrage. Im übrigen wende er sich auch dagegen, daß das FA die Besteuerung auf § 1 Abs.3 Nr.2 des Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG Berlin) gestützt habe. Da ein obligatorisches Rechtsgeschäft vorausgegangen sei, sei der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs.3 Nr.1 GrEStG Berlin zu besteuern. Der angefochtene Bescheid sei deshalb inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und dahin entschieden, daß der Grunderwerbsteuerbescheid aufgehoben werde (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1987, 631).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Der erkennende Senat hält an seiner Auffassung fest, daß auch eine teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung zur Verwirklichung des Steuertatbestandes des § 1 Abs.3 Nr.1 GrEStG führen kann (vgl. das Senats-Urteil vom 11.Juni 1975 II R 38/69, BFHE 116, 406, BStBl II 1975, 834). Da sowohl die unmittelbare als auch die nur mittelbare Anteilsvereinigung unter § 1 Abs.3 GrEStG Berlin fällt, gilt für die Mischform der teils unmittelbaren, teils mittelbaren Anteilsvereinigung nichts anderes. Daß, entgegen der Auffassung des FG, auch die nur mittelbare Anteilsvereinigung unter § 1 Abs.3 GrEStG Berlin fällt, ergibt sich aus folgendem:
Die Anwendung des § 1 Abs.3 GrEStG Berlin kommt nach seinem Einleitungssatz bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen immer dann in Betracht, wenn zum Vermögen einer Gesellschaft, deren Anteile vereinigt werden, ein Grundstück "gehört". Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß ein Grundstück nicht nur dann der Gesellschaft "gehört", wenn es in deren Eigentum steht, sondern auch, wenn hinsichtlich dieses Grundstücks ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs.1 bis 3 GrEStG Berlin verwirklicht worden ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.März 1966 II 70/63, BFHE 86, 158, BStBl III 1966, 378, und vom 28.Juni 1972 II 77/64, BFHE 106, 138, BStBl II 1972, 719, vgl. auch Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, 12.Aufl., § 1 Tz.723). Das bedeutet, daß auch eine mittelbare Anteilsvereinigung unter § 1 Abs.3 GrEStG Berlin fällt. Denn das Grundstück "gehört" über § 1 Abs.3 GrEStG der Gesellschaft, deren Anteile i.S. des § 1 Abs.3 GrEStG Berlin vereinigt werden.
Der Senat vermag auch der Auffassung des Klägers nicht zuzustimmen, daß eine zur Steuerpflicht führende Anteilsvereinigung deshalb nicht vorliege, weil A stiller Gesellschafter der Z-GmbH sei. Diese Rechtsstellung ist eine rein schuldrechtliche. Sie ist im Rahmen des § 1 Abs.3 GrEStG ebensowenig zu berücksichtigen, wie im Rahmen der §§ 5, 6 GrEStG, wo die Vorschriften auf stille Gesellschaften ebenfalls nicht angewendet werden (vgl. das BFH-Urteil vom 30.November 1983 II R 131/81, BFHE 139, 442, BStBl II 1984, 160).
Der Senat hat mit dem FG auch keine Bedenken, daß der angefochtene Steuerbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Wesentlich ist, daß sich aus dem Inhalt des Bescheides eindeutig ergibt, versteuert werden soll die Anteilsvereinigung, die durch den Vertrag vom 8.November 1975 eingetreten ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das FA sich deshalb auf § 1 Abs.3 Nr.2 GrEStG gestützt hat, weil es nicht erkannte, daß der Vertrag vom 8.November 1975 auch einen schuldrechtlichen Inhalt hat (vgl. auch das Senatsurteil vom 7.Juni 1978 II R 97/77, BFHE 125, 397, BStBl II 1978, 568). Entscheidend ist, daß das FA in seinem Bescheid den richtigen Lebenssachverhalt (Vertrag vom 8.November 1975) angeführt hat. Hierbei ist auch nicht hinderlich, daß als Veräußerin des an diesem Tage erworbenen GmbH-Anteils die Y-GmbH genannt wird, während nach den Feststellungen des FG B der Veräußerer war. Ausreichend ist, daß der Lebenssachverhalt durch den die Anteilsvereinigung eingetreten ist, so genau bezeichnet worden ist, daß sie der Kläger nachvollziehen konnte. Das ist der Fall.
Das angefochtene Urteil unterliegt danach der Aufhebung. Der Senat ist in der Lage durchzuerkennen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA hat die Steuer zu Recht aus 140 v.H. der Grundstückseinheitswerte errechnet (§ 20 Abs.2 Nr.2, § 22 GrEStG, § 121a des Bewertungsgesetzes). Es tritt nicht deswegen eine Kürzung ein, weil nur eine Anteilsvereinigung zu 98 1/3 v.H. vorliegt. Denn besteuert wird die Herrschaftsmacht über das gesamte Grundstück, weil das Gesetz den fremden Zwerganteil für bedeutungslos hält.
Fundstellen
Haufe-Index 62282 |
BStBl II 1988, 550 |
BFHE 153, 63 |
BFHE 1989, 63 |
DStR 1989, 42 (KT) |
HFR 1988, 463 (LT1-2) |