Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

An dem in der Entscheidung IV 39/51 vom 13. März 1952 aufgestellten Rechtssatz, daß während des Währungsverfalls die Höchstwertvorschrift des § 6 Ziffer 5 EStG nicht anzuwenden ist, wenn die Anschaffung der als Einlage behandelten Wirtschaftsgüter ohne jede Beziehung zu dem Betriebsvermögen stattgefunden hat, wird festgehalten.

Zur Frage der Auslegung einer Gesetzesvorschrift gegen ihren Wortlaut.

 

Normenkette

EStG § 6 Ziff. 5; StAnpG § 1 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Gewinne und Gewerbeerträge für die Steuerabschnitte 1946 bis I/1948 sind auf Grund einer Fahndungsprüfung im Wege des Vermögensvergleichs geschätzt worden. Den festgestellten Vermögensvergleich von 14 468 RM hat der Steuerpflichtige (Stpfl.) u. a. zum Teil mit dem Erlöse von 10 000 RM aus dem Verkauf von drei Brillantringen zu erklären versucht, die er 1928 geerbt habe. Die Herkunft und der Verkauf der Ringe im Rahmen der gewerblichen Betätigung ist nicht bestritten. Die Beurteilung des Sachverhaltes durch die Vorinstanzen gibt in dieser Beziehung zu Bedenken auch keinen Anlaß. Streitig ist nur noch, mit welchem Werte die als Einlage behandelten Ringe bei der Einbringung anzusetzen sind.

Während das Finanzamt unter Hinweis auf den Wortlaut des § 6 Ziffer 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG), in Verbindung mit § 5 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) den Anschaffungswert im Jahre 1928 mit 600 Mark zugrunde gelegt wissen will, hat das Finanzgericht in Anlehnung an das Schrifttum die Auffassung vertreten, die wörtliche Auslegung des § 6 Ziff. 5 EStG entspreche nur dann dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, wenn das Anschaffungsgeschäft von vorn herein für Betriebszwecke gedacht war, oder nach den Umständen des Falles diese Absicht angenommen werden könne; im übrigen sei jedoch der Teilwert am Einbringungstage maßgebend, die Höchstwertvorschrift müsse außer Betracht bleiben. Es hat deshalb den Teilwert der drei Ringe vom Vermögenszuwachs abgesetzt, deren Wert mangels fehlender und auch nicht mehr zu beschaffender Unterlagen auf 5 000 Mark geschätzt (ß 217 der Reichsabgabenordnung - AO - ) und entsprechende Gewinnberechnungen und Steuerfestsetzungen vorgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die auf Aufhebung der Vorentscheidung und Anerkennung der finanzamtlichen Auffassung gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamtsvorstehers kann keinen Erfolg haben.

In der zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung des erkennenden Senats IV 39/51 U vom 13. März 1952 hat dieser ausgesprochen, daß die Höchstwertvorschrift des § 6 Ziff. 5 EStG für die Zeit des Währungsverfalles dann keine Anwendung finden kann, wenn der Erwerb der eingebrachten Wirtschaftsgüter ohne jede Beziehung zu dem Betriebe stattgefunden hat. Auf die Gründe dieses Urteils wird verwiesen. An dem Rechtssatz der Entscheidung hält der Senat fest. Es ist zwar zutreffend, daß die hier gegebene Auslegung des § 6 Ziff. 5 EStG dem Wortlaut nicht entspricht. Angesichts der Tatsache jedoch, daß in Fällen der vorliegenden Art die wortgetreue Anwendung zu einer Versteuerung von Wertsteigerungen führen würde, die außerhalb der gewerblichen Sphäre entstanden sind, muß die Zugrundelegung der Anschaffungswerte außer Betracht bleiben. Die Auffassung des Finanzamts, als Einbringungstag sei der Tag der Erbschaft (1928) anzusehen, entspricht nicht dem Sachverhalt; unbestritten haben die drei Ringe bis zur Veräußerung nicht zum gewerblichen Betriebe gehört. Wie bei allen Gesetzesvorschriften muß auch bei der Auslegung der Bestimmung des § 6 Ziff. 5 EStG die Entwicklung der Verhältnisse berücksichtigt werden. Der Wortlaut der Vorschrift führt nur bei etwa gleichbleibenden Währungsverhältnissen zu einer befriedigenden Lösung. ändern sich diese in einem Umfange, wie es in den hier streitigen Jahren der Fall gewesen ist, dann muß auch bei der Auslegung der steuerlichen Vorschriften diesen wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung getragen werden. Grundsätzlich ist und muß allerdings der klare Wortlaut des Gesetzes maßgebend bleiben. Widerspricht jedoch das Ergebnis jeder wirtschaftlichen Vernunft, und führt eine wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis, dann ist es Aufgabe des Richters, den wirklichen Sinn des Gesetzes zu ermitteln und diesem gegenüber dem Wortlaut den Vorrang einzuräumen. Daß das nur in Ausnahmefällen und mit der gebotenen Vorsicht zu geschehen hat, bedarf keiner Ausführung. So liegen die Dinge hier. Auch der Gewinnbegriff ist nichts endgültig Feststehendes. Es widerspricht den Grundsätzen des Einkommensteuergesetzes, Wertsteigerungen von Wirtschaftsgütern in die Gewinnberechnung einzubeziehen, wenn einwandfrei feststeht, daß die Anschaffung dieser Güter ohne jede Beziehung zu dem Betriebsvermögen stattgefunden hat. Es kommen hier ähnliche Gedankengänge zu Raum wie sie der Oberste Finanzgerichtshof und der Bundesfinanzhof bei der Bewertung von Wirtschaftsgütern auf dem Schwarzen Markt und beim Erwerbe zu überhöhten Preisen angestellt hat (siehe Gutachten des Obersten Finanzgerichtshof IV (VI) D 1/48 vom 23. März 1948, Steuerrechtskartei - StRK -, EStG § 4 Rechtsspr. 2a - c; Entscheidung IV 87/49 vom 28. Februar 1950, StRK, EStG § 4 Rechtsspr. 10a - b; Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 243/50 vom 9. März 1951, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 122 F StRK, BStG § 4 Rechtsspr. 13a - b; I 81/51 vom 23. Oktober 1951, BStBl. 1951 III S. 224, StRK. EStG § 6 Ziff. 1 Rechtsspr. 3). Ebenso wie hier den damals nur einmal gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen die entsprechende Beurteilung in bezug auf die Gewinnermittlung zuteil geworden ist und zuteil werden mußte, gilt das entsprechend auch für die Auslegung des § 6 Ziff. 5 EStG. Den Ausführungen der Vorentscheidung kann daher mit der Einschränkung beigetreten werden, daß sie nur für die Zeit eines Währungsverfalles gelten.

Gegen die Schätzung des Einbringungswertes selbst sind Einwendungen nicht erhoben, sie können auch mit Erfolg nicht geltend gemacht werden. Es handelt sich um die Würdigung tatsächlicher Verhältnisse, an die der Senat bei der beschränkten Natur der Rb. gebunden ist (§§ 288, 296 AO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 407412

BStBl III 1952, 164

BFHE 1953, 420

BFHE 56, 420

BB 1952, 454

DB 1952, 752

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