Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung des Begriffes "Selbstkosten" in § 4 Ziff. 14 UStG.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 14; UStDB § 41 Abs. 4 Sätze 2-3
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Bf. für die Veranlagungszeiträume 1956 und 1957 die Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 14 UStG in Anspruch nehmen kann.
Der Bf. betreibt eine staatlich genehmigte und beaufsichtigte private Schule. Die Schule dient unstreitig als Ersatz für öffentliche Schulen und ergänzt und fördert durch ihre Arbeit das öffentliche Schulwesen. Streitig ist nur, ob "die Entgelte die für den jeweiligen Zweck erforderlichen Selbstkosten nicht übersteigen", ob also auch die letzte der im Gesetz geforderten Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 14 UStG vorliegt. Das Finanzamt hat diese Frage auf Grund einer beim Bf. durchgeführten Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1956 und 1957 verneint und dementsprechend den Bf. mit den vereinnahmten Entgelten voll zur Umsatzsteuer herangezogen.
Die hiergegen eingelegte Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht berechnete die Selbstkosten wie folgt:
1956 DM 1957 DM
Aufwendungen nach Berichtigung durch die Betriebsprüfung 70 835 77 052
Mehr-Absetzung für Abnutzung (AfA) für Firmenwert und Geschäftseinrichtung 1 800 1 800
Unternehmerlohn 17 244 17 244
Altersversorgung 3 676 3 826
Gesamtbetrag der Selbstkosten 93 555 99 922
Da nach den unbestrittenen Feststellungen des Finanzgerichts die Einnahmen aus dem Schulbetriebe für 1956 115 200 DM und für 1957 110 172 DM betrugen, kam das Finanzgericht zu einem Überschuß der Entgelte über die Selbstkosten im Veranlagungszeitraum 1956 von 21 645 DM, im Veranlagungszeitraum 1957 von 10 250 DM.
Mit der Rb. begehrt der Bf. -- wie schon in den Vorinstanzen -- die Anerkennung weiterer Beträge als Teile der Selbstkosten, nämlich von
je 1 458,72 DM für 1956 und 1957
erhöhte Abschreibungen beim Firmenwert und bei den Einrichtungsgegenständen im Hinblick auf die günstige Entwicklung der Lehranstalt nach ihrer Übernahme durch den Bf.,
je 997,-- DM für 1956 und 1957
Mehr-AfA für Gebäude wegen der gegenüber 1955 gestiegenen Wiederbeschaffungskosten in Anlehnung an die "Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten" (LSP),
1 684,-- DM für 1956 und
1 628,-- DM für 1957
Anpassungs-Rückstellungen (Erneuerungs-Rücklagen) unter Anwendung der "Rücklagenverordnung der Gemeinden",
8 231,04 DM für 1956 und
8 909,08 DM für 1957
Verzinsung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals gemäß den LSP zwecks Schaffung notwendiger wirtschaftlicher Reserven.
Zur Begründung dieser Mehransätze macht der Bf. geltend, die Selbstkosten im Sinne des § 4 Ziff. 14 UStG müßten nach betriebswirtschaftlichen und kameralistischen Grundsätzen kalkulatorisch ermittelt werden.
Außerdem beansprucht der Bf. den Ansatz eines Mehrbetrages von 1 956 DM zu dem vom Finanzgericht mit 17 244 DM bemessenen Unternehmerlohn (Besoldungsgruppe A 14 a der 11. Dienstaltersstufe einschließlich Ortszuschlag .....), weil der Vergleich seiner Tätigkeit mit der eines Oberregierungsrats den gegebenen Verhältnissen nicht gerecht werde. Schließlich verlangt der Bf., daß der sich auch nach seiner Berechnung für das Jahr 1956 ergebende Überschuß der Entgelte über die Selbstkosten (9 119 DM) mit dem sich für 1955 ergebenden Mehr der Selbstkosten gegenüber den Entgelten (20 572 DM) ausgeglichen werde. Bei Berücksichtigung dieses Vorbringens sei -- so führt der Bf. aus -- auch das letzte Erfordernis des § 4 Ziff. 14 UStG, daß nämlich die Entgelte die für den jeweiligen Zweck erforderlichen Selbstkosten nicht übersteigen dürften, gegeben, so daß der Gewährung der Steuerfreiheit nichts im Wege stehe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat keinen Erfolg.
Es ist dem Finanzgericht darin beizupflichten, daß bei der Bestimmung des in § 4 Ziff. 14 UStG verwendeten Begriffes "Selbstkosten" von dem einkommensteuerlichen Begriff "Betriebsausgaben" auszugehen ist. Es besteht keine Möglichkeit, den Begriff "Selbstkosten" in der vom Bf. angestrebten Weise auszuweiten. Nach dem Wortlaut des § 4 Ziff. 14 UStG ergibt sich im Gegenteil eine wichtige Einschränkung gegenüber den "Betriebsausgaben". Denn während zu den Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG alle Aufwendungen gehören, die durch den Betrieb veranlaßt sind, und, wenn sie ernstlich zu dessen Förderung gemacht werden, auf ihre Eignung oder Notwendigkeit für den Betrieb nichts ankommt, spricht § 4 Ziff. 14 UStG von den "für den jeweiligen Zweck erforderlichen Selbstkosten" und § 41 Abs. 4 Satz 2 UStDB von "Aufwendungen, die für den jeweiligen Zweck erforderlich sind". Nur in einer Richtung hat der Verordnungsgeber den Umfang der Selbstkosten im Vergleiche mit den Betriebsausgaben erweitert: Zu den Selbstkosten gehört nach § 41 Abs. 4 Satz 2 UStDB "auch ein angemessener Unternehmerlohn für die Mitarbeit des Unterhaltsträgers der Privatschulen, sofern diese von einer natürlichen Person oder von mehreren natürlichen Personen betrieben werden, die als Mitunternehmer anzusehen sind". "Angemessen ist ein Unternehmerlohn, der die Vergütung für eine entsprechende Tätigkeit an öffentlichen Schulen zuzüglich des Beitrages für eine entsprechende Altersversorgung nicht übersteigt" (§ 41 Abs. 4 Satz 3 UStDB). Hieraus folgt, daß im Gesetz und in den Durchführungsbestimmungen der Umfang der "Selbstkosten" abgegrenzt wird. Es ist daher nicht zulässig, diese Grenzen anderweitig festzulegen. Der Verordnungsgeber hätte, ebenso wie er einen angemessenen Unternehmerlohn in die "Selbstkosten" einbezogen hat, die Erweiterung des Begriffes auf höhere AfA-Sätze, Erneuerungsrücklagen, Kapitalverzinsungen und dergleichen ausdrücklich angeordnet, wenn er eine solche Erweiterung nach dem Wortlaut oder nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes für geboten erachtet hätte. Der Bf. verkennt die Bedeutung der Befreiungsvoraussetzung, wenn er glaubt, bei der Bemessung der "Selbstkosten" müsse der voraussichtliche zukünftige Wirtschaftsablauf (insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung der Umsätze und der Betriebsausgaben sowie eine ausreichende wirtschaftliche Reservenbildung im Hinblick auf die bisherigen Leistungen des Schulleiters) berücksichtigt werden. Die Voraussetzung des § 4 Ziff. 14 UStG, daß die Entgelte die für den jeweiligen Zweck erforderlichen Selbstkosten nicht übersteigen dürfen, soll nicht eine kontinuierliche Weiterführung oder gar eine Aufwärtsentwicklung der Privatschulen gewährleisten, sondern nur verhindern, daß zu Lasten der Allgemeinheit Umsatzsteuerfreiheit auch dann eintritt, wenn die Ersatzschulen im Wettbewerb untereinander und mit den öffentlichen Schulen Gewinne erzielen, die einen angemessenen Unternehmerlohn übersteigen.
Es ist daher abwegig, die LSP und die Rücklagenverordnung der Gemeinden als Rechtsgrundlage für die Bemessung der Selbstkosten heranzuziehen. Diese Bestimmungen dienen -- worauf schon das Finanzgericht hingewiesen hat -- ganz anderen Zwecken, nämlich die LSP der Ermittlung marktgerechter Preise unter marktwirtschaftlichen, nicht steuerlichen Gesichtspunkten, die Rücklagenverordnung der Sicherung der Haushalte der Gemeinden, die im Gegensatz zu den Ersatzschulen keine Gewinnerzielungsabsichten verfolgen.
Es ist auch nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanz den "angemessenen Unternehmerlohn" nach der Besoldungsgruppe A 14 a (11. Dienstaltersstufe) einschließlich Ortszuschlag ... bemessen hat. Abgesehen davon, daß diese Bemessung auf tatsächlichem Gebiete liegt und daher gemäß § 288 AO im Rechtsbeschwerdeverfahren nur beschränkt nachprüfbar ist, hat der Bf. nicht dargetan, inwiefern das Gehalt eines Oberregierungsrats der von ihm geleisteten Arbeit nicht entsprechen soll. Nach dem Betriebsprüfungsbericht beschäftigte der Bf. in den Jahren 1956 und 1957 nur ... Angestellte. Es besteht daher kein Anlaß, seine Tätigkeit mit der eines Leiters einer öffontlichen Schule größeren Ausmaßes gleichzusetzen.
Die Prüfung, ob die Selbstkosten eingehalten werden, ist grundsätzlich jedes Jahr getrennt vorzunehmen. Ob bei einem geringfügigen Überwiegen der Entgelte im Wege des Ausgleiches mit Verlusten oder zu niedrigen Unternehmerlöhnen der Vorjahre die Umsatzsteuerfreiheit des § 4 Ziff. 14 UStG gewährt werden kann, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden, weil die Überschüsse der Entgelte über die Selbstkosten im Unternehmen des Bf. in den Jahren 1956 und 1957 beträchtlich waren.
Fundstellen
Haufe-Index 425877 |
BStBl III 1963, 427 |
BFHE 1964, 294 |